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Kita Europagarten: v.l. Stefanie Merker, Christine Tunkel (stellv. Vorsitzende der Lebenshilfe Herne/Wanne-Eickel) und Bettina Raatz.

Im „Europagarten“ ist kein Platz mehr frei

Wenn eine neue Kindertageseinrichtung ihre Tore öffnet, ohne dass die Öffentlichkeit davon etwas erfährt, nennt man das „soft opening“. Von „soft“ allerdings konnte beim Start der inklusiven Kita „Europagarten“ der Lebenshilfe keine Rede sein. Lange vor der Eröffnung am 1. August 2020 war der „Europagarten“ an der Düngelstraße in Herne-Mitte komplett belegt. Trotzdem klingelte das Telefon minütlich weiter, erinnert sich die stellvertretende Leiterin Stefanie Merker diese „heiße“ Phase.

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Corona-Auflagen erschwerten das Kennenlernen der Eltern. Hausbesuche waren nicht möglich, Erstgespräche fanden auf Spielplätzen oder auf der Straße statt. Viele Eltern seien verzweifelt auf der Suche nach einem Betreuungsplatz: „Niemand nimmt uns!“ Stefanie Merker: „Die Not ist groß.“

Eltern sind „superdankbar“

Die inklusive Kita „Europagarten“ befindet sich in einem Gebäude der Elisabeth-Stiftung an der Düngelstraße. Sie betreut auf rund 700 qm 50 Mädchen und Jungen zwischen vier Monaten und sechs Jahren in drei Gruppen, zehn Kinder haben besonderen Förderbedarf. Die Kids stammen aus zwölf Nationen: Afghanistan, Griechenland, Italien, Vietnam, Türkei, Kroatien, Syrien, Marokko, Bulgarien, Polen, Russland – und Deutschland. „So eine bunte Vielfalt habe ich bisher noch in keiner Kindertageseinrichtung erlebt“, sagt Bettina Raatz, kommissarische Leiterin der Einrichtung und Geschäftsführerin der TKL Tageseinrichtung und Frühförderung für Kinder der Lebenshilfe Wanne-Eickel gGmbH, zu der der „Europagarten“ gehört. Sie habe die Eltern als „superdankbar“ und enorm kooperativ erlebt. Alle Anmeldetermine wurden eingehalten, einige Eltern hätten für die Kontaktgespräche auf eigene Faust sogar Dolmetscher organisiert.

Familien mit großem Unterstützungsbedarf

Auch wenn die erste Eingewöhnungsphase gut bewältigt wurde, so stellt diese Zusammensetzung für das neue 14-köpfige, multiprofessionelle Team der Einrichtung – Erzieher, Heilpädagogen, Motopäden und Rehapädagogen - tagtäglich eine große Herausforderung dar. Nicht nur die Kinder, sondern auch viele der Familien haben zusätzlichen Unterstützungsbedarf. Das reicht von der Hilfestellung bei der Lebensgestaltung über das Ausfüllen von Behördenanträgen bis hin zu psychologischer Betreuung wegen traumatischer Fluchterlebnisse.

Umzug zum Europaplatz verzögert sich

Zu tiefe Wurzeln darf der „Europagarten“ an der Düngelstraße nicht schlagen, denn der Standort ist ein Provisorium. Ursprünglich sollte die neue Kita gemeinsam mit der Frühförderung und der Heilpädagogischen Fachberatung im Sommer 2021 im gleichnamigen Neubau am Europaplatz auf zwei Etagen die Arbeit aufnehmen. Die Fördergelder sind beantragt, der Mietvertrag ist unterschrieben. Weil es aber am Standort des früheren Adler-Gebäudes, das die Gelsenkirchener Investorenfamilie Engler gemeinsam mit dem Kölner Architekten Michael Mayer neu entwickelt, mit der Baugenehmigung hapert, kann der Zeitplan nicht eingehalten werden.

Zwei Wochen Zeit bis zur Eröffnung

Als sich die Verzögerung abzeichnete und weil die Stadt Herne die 50 neuen Betreuungsplätze des „Europagartens“ dringend benötigte, erklärte sich die TKL bereit, die neue Kita vorzeitig zu eröffnen. Die Gelegenheit kam, als die bislang an der Düngelstraße ansässige AWo-Kita FabiO Mitte Juli neue Räumlichkeiten an der Mont-Cenis-Straße bezog. Nur zwei Wochen später – am 1. August - öffnete der „Europagarten“ seine Pforten - nach nur zwei Wochen Renovierung und überwiegend mit vorhandener Ausstattung. „Das war eine unglaubliche Kraftanstrengung für uns alle“, erinnert sich Bettina Raatz. Die TKL rechnet damit, etwa 18 Monate an diesem Standort zu bleiben. Der Umzug zum Europaplatz ist nun für Sommer 2022 projektiert und der Neustart fürs Kindergartenjahr 2022/2023.

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Zentrum für Inklusion und Frühförderung

Am zukünftigen Standort im Engler-Komplex „Europagarten“ will die TKL Maßstäbe in Sachen Inklusion und Frühförderung setzen. Im ersten Obergeschoss werden 2022 die inklusive Kindertageseinrichtung, im zweiten OG die Frühförderung und die heilpädagogische Beratung ihre Arbeit als IFF – Interdisziplinäre Frühförderung aufnehmen. Synergien schafft dabei die direkte Nachbarschaft zum wewole-Forum im CityCenter. Für Eltern von Kindern mit Förderbedarf, die für die Behandlung ihrer Kleinen häufig wahre Odysseen auf sich nehmen müssen, stellt die Konzentration dieser Einrichtungen unter dem Dach einer IFF und in verkehrsgünstiger Lage eine enorme Erleichterung dar, sagt die zweite TKL-Geschäftsführerin Gabriele Awiszio: „Das geplante Zentrum ist ein echtes Leuchtturmprojekt. Vergleichbares gibt es in Deutschland bisher erst zwei Mal.“ Im Erdgeschoss des Gebäudes soll ein Lebensmittelhändler einziehen. Das Dach des Supermarktes wird als Grünfläche gestaltet und bildet mit 800 Quadratmetern den Außenbereich der Kita, der sich terrassenförmig in Richtung des LWL-Museums für Archäologie fortsetzt. Auch diese bauliche Lösung ist nach Recherchen der TKL ein Novum. Eine ähnliche Kita-Umsetzung gibt es bisher nur in Hamburg.

| Quelle: JBH