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Am Mittwoch (14.6.2023) blieben aufgrund des Protesttages viele Apotheken geschlossen.

Bundesweiter Protesttag der Apotheker, Infostände in der City

Für Wertschätzung und Versorgungssicherheit

Wer am Mittwoch (14.6.2023) ein Rezept einlösen oder Medikamente in einer Apotheke kaufen wollte, stand vielfach vor verschlossenen Türen. Denn deutschlandweit beteiligten sich Apotheker am bundesweiten Protesttag, um auf ihre Unzufriedenheit mit einigen gesundheitspolitischen Entscheidungen der Bundesregierung und auf mangelnde Wertschätzung ihres Berufsstandes aufmerksam zu machen.

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Auch in Herne beteiligten sich bis auf zwei Apotheker mit insgesamt fünf Apotheken alle an der Aktion. Neben den Apothekern, die sich nicht am Protest beteiligen, gab es noch Notdienste, damit die Versorgungssicherheit gewährleistet werden konnte (halloherne berichtete).

Elektra Rigos-Neumann von der Bahnhofsapotheke

Die teilnehmenden Apotheker fanden sich in der Herner City ein und informierten an mehreren Infoständen auf der Bahnhofstraße interessierte Passanten. „Wir haben heute schon sehr viel positive Resonanz auf den Streiktag bekommen. Die Menschen tragen den Protest mit und zeigen uns ihre Unterstützung", berichtet Elektra Rigos-Neumann, Inhaberin der Bahnhof Apotheke, im Gespräch mit halloherne.

'Lieferengpässe gefährden Versorgungssicherheit'

Weiter führt sie aus: „Uns ist es wichtig, dass wir Gehör finden, denn die vermehrten Lieferengpässe gefährden zunehmend die Versorgungssicherheit."

Das sehen auch die streikenden Apothekerinnen Christine Höfele und Linda Ernst, beide von der Covita Apotheke, so. „Ich arbeite seit 1981 in diesem Beruf, er macht mir Spaß und würde ihn gerne weiterhin bis zur Rente ausüben, aber die Zukunftsaussichten werden schwieriger. Aufgrund der Lieferengpässe haben wir es nun auch öfters mit Patienten zu tun, die uns die Schuld geben, dass die Medikamente nicht da sind", so Christine Höfele.

Ihre Kollegin Linda Ernst ergänzt: „Lieferengpässe und immer mehr Bürokratie. Es nervt, dass immer noch mehr obendrauf kommt. Denn unser Anliegen ist es doch, dass wir unsere Patienten und Kunden gut und sicher versorgen können."

'Flächendeckende Versorgung werde immer geringer'

Doch auch die flächendeckende Versorgung werde immer geringer, so gebe es in Horsthausen und Constantin keine Apotheke vor Ort mehr. Ein Problem, was auch Mohamad Bassal, Inhaber der Apotheke Am Schloss und der Neumarkt Apotheke, im Gespräch mit halloherne sieht.

Die Apotheker hatten für Interessierte zahlreiche Infomaterialien zu Hand.

„Die seit Jahren bestehende Unterfinanzierung und der Fachkräftemangel sorgen dafür, dass viele junge Menschen den Schritt in die Selbstständigkeit nicht mehr wagen können und das führt früher oder später zum Apothekensterben", so Bassal.

Auch er suche dringend nach Verstärkung für sein dreißigköpfiges Team, was sich aber derzeit als schwierig gestalte. „Es geht heute auch um die Wertschätzung für unseren Berufsstand. Ich habe ein Top-Team, dass sich jeden Tag den Arsch aufreißt, um unsere Patienten trotz der immer schwieriger werdenden Umstände gut zu versorgen", sagt der Apotheker. „Aber das gilt nicht nur für mein Team. Jeder meiner Kollegen hängt sich jeden Tag rein, um Lösungen für die Patienten zu finden, damit diese trotz Lieferschwierigkeiten gut versorgt werden können."

'Die Menschen verlassen sich auf uns'

Weiter führt er aus: „Es ist doch so: Wir als Apotheker vor Ort sind die letzte Instanz, bevor ein Medikament bei Patienten ankommt. Die Menschen verlassen sich auf uns."

Gemeinsam am Protesttag: (v.li.) Gökhan Atasoy ( Apotheke Am Schloss), Simone Rempe (Kronen-Apotheke Herne), Mohamad Bassal (Inhaber der Apotheke Am Schloss & Neumarkt Apotheke) und Ulrike Meyer (Inhaberin Kronen-Apotheke Herne).

50 Cent Pauschale sorgt für Unmut

Ebenfalls ärgert sich Mohamad Bassal über den geplanten Zuschlag der Bundesregierung für das Lieferengpass-Management. „Wir sollen einen Zuschlag von 50 Cent für das Lieferengpass-Management erhalten, das ist aber überhaupt nicht in Relation mit dem hohen Aufwand zu setzen, den wir durch die Lieferengpässe haben", berichtet Bassal.

Ähnlich sieht es auch Ulrike Meyer, die Inhaberin der Kronen-Apotheke Herne: „Mit den 50 Cent kann man umgerechnet 26 Sekunden Arbeitslohn eines Apothekers vergüten. Das ist einfach keine Wertschätzung unseres Berufsstandes."

Die Medikamenten-Engpässe belasten die Menschen.

Wert der Apotheke vor Ort

Weiter führt sie aus: „Die vermehrte Auslagerung der Produktion ins Ausland hat zu den Engpässen geführt. Außerdem wurde während der Pandemie die Produktion von einigen Medikamenten stark runtergefahren, da durch Isolation und Maskentragen weniger Menschen krank wurden. Jetzt wo die Regeln wegfielen, überrollte uns die Krankheitswelle und es sind nicht genügend Medikamente da. Deshalb fordern wird eine vernünftige Versorgungssicherheit für unsere Kunden und Patienten."

Ferner sei Meyer ebenfalls wichtig, dass der Wert der Apotheke vor Ort anerkannt wird. „Wir stehen ein für die Wertschätzung unserer täglichen Arbeit. Denn das, was wir leisten, geht per Online-Apotheke nicht. Wir sind jederzeit erreichbar, haben immer ein offenes Ohr und sind bemüht alle Fragen rund um Arzneimittel und die Gesundheits zu beantworten."

Außerdem biete die Arbeit in der Apotheke die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. „Was wir nicht vergessen dürfen: Fast 80 Prozent der Mitarbeiter in einer Apotheke sind Frauen. Dieser Berufszweige bieten gerade für Frauen eine Chance auf Berufstätigkeit mit Kindern", sagt Meyer.

Die teilnehmenden Apotheker wollen die Regierung auf derzeitige Probleme aufmerksam machen.

Ähnlich sieht es auch Elektra Rigos-Neumann von der Bahnhof Apotheke: „In kaum einem anderen Job arbeiten so viele Frauen mit Kindern. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass wir weiterhin zukunftssichere Jobs für unsere Mitarbeiterinnen bieten können, damit sie weiterhin Kinder und Beruf vereinen können."

Herner unterstützen Protest

Die Unterstützung zahlreicher Herner hatten die Apotheker an diesem Tag sicher. So äußerte sich beispielsweise Passantin Claudia Scholz gegenüber halloherne positiv zum Protesttag. „Es ist vollkommen richtig, dass die Apotheker auf die Straße gehen. Alles wird teuer und wir bemerken die Lieferengpässe am eigenen Leib. Es muss politisch nachgebessert werden", so Scholz.

Für den Streiktag hatten die Apotheker im Übrigen bewusst den Mittwoch gewählt, da fast alle Apotheken da bereits um 13 Uhr schließen. Denn auch am Streiktag sei es ihnen wichtig gewesen, dass ihre Patienten und Kunden möglichst wenig unter den Folgen leiden.

Mittwoch, 14. Juni 2023 | Autor: Julia Blesgen