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Freigänger warf nach Freispruch seinen Job hin

Herne/Recklinghausen/Gelsenkirchen. "Ich weiß, dass ich das noch bezahlen muss. Aber ich wollte meinen Ärger hier einmal zu Gehör bringen." Und das kam bei Hernes Arbeitsgerichtsdirektor Dr. Dewender auch so an. Immerhin hatte Serkan Ödük als Chef der Ödük Transport GmbH an der Werkstättenstraße in Recklinghausen Ende Dezember 2014 einem Freigänger der Justizvollzugsanstalt (JVA) nach dessen Bewerbung als Paketfahrer "die Hand gereicht und ihm eine Chance gegeben," so Ödük jetzt im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht. Warum, so der Chef von 25 Angestellten, solle man einen Menschen in der JVA noch zusätzlich bestrafen.

Und aus dem Jobangebot wurde auch eine Festanstellung mit einem Monatsgehalt von 1.600 Euro brutto. Nach einigen Tagen Einarbeit als Beifahrer Ende Dezember legte Ödük dem Häftling aus Gelsenkirchen am 13.Januar einen Arbeitsvertrag in drei Ausfertigungen zur Unterschrift vor, die er nie wiedersah. Der neue Fahrer habe alle drei Exemplare mitgenommen und nicht eins davon zurückgeschickt. Trotzdem habe die Firma stets Rücksicht auf Termine des Fahrers wie zwei "Anhörungen" während der Arbeitszeit in der JVA oder einen Gerichtstermin am 11. Februar in Essen genommen und diese Zeit gleichwohl als Arbeitszeit gewertet. Es sei auch stets darauf geachtet worden, dass der Freigänger abends pünktlich zurück in der JVA Castrop-Rauxel war.

Der Essener Gerichtstermin endete dann mit dem Freispruch des Pakete fahrenden Freigängers. Und dann am nächsten Tag der Anruf des Mannes, er habe Schulterprobleme und werde nicht mehr zur Arbeit zurückkehren. Das, so der Firmenchef habe ihn so getroffen, dass er den bis dahin aufgelaufenen Lohn von immerhin 2.506,67 Euro brutto nicht zur Auszahlung gebracht hätte. Für seine Firma mehr als unüblich, denn alle anderen 25 Beschäftigten bekämen immer in der Mitte eines Folgemonats ihre Abrechnung samt Überweisung des fälligen Nettolohns.

Der seit dem 11. Februar nach wie vor krank geschriebene und jetzt vor Gericht von Rechtsanwalt Peter Närdemann vertretene Gelsenkirchener wird das ihm zustehende Geld mit etwas Verspätung nun doch noch bekommen, war der gute Rat des Arbeitsrichters an den Ex-Arbeitgeber, der eine bis heute noch nicht ausgesprochene Kündigung noch schriftlich nachholen muss. Klägeranwalt Närdemann will sich dafür einsetzen, dass sein nicht erschienener Mandant diese vom Gericht dringend empfohlene Vergleichslösung auch akzeptiert. Der Firmenchef, der nach eigenen Angaben bis zum Gerichtstermin nicht einmal eine Kontoverbindung bzw. eine Sozialversicherungsnummer seines Ex-Fahrers hatte, kündigte zum Abschied für die Zukunft an, "nie wieder jemand aus der JVA einzustellen. Wir wollten ihm unter die Arme greifen, und erleben dann sowas." (AZ 4 Ca 648/15)

Mittwoch, 8. April 2015 | Autor: Helge Kondring