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Kinofilm: Da kommt noch was. Bei Helga (Ulrike Willenbacher) und Ryszard (Zbigniew Zamachowsk) stimmt die Chemie.

Neu im Kino

Da kommt noch was

Spätestens als Helga Bauer (Ulrike Willenbacher) durch den Lamellenboden ihres Wohnzimmers kracht, als sie einer an der Decke krabbelnden Spinne mit Glas und Papier wieder zur Freiheit verhelfen will, wird der 62-Jährigen klar, dass sie nicht nur mit den Beinen im Heizungsschacht zwischen den Holzbrettern sondern überhaupt im Leben feststeckt, seitdem sie ihr Mann Franz (Ueli Jäggi) vor zwei Jahren wegen der weitaus jüngeren Gudrun (Oda Thormeyer) verlassen hat.

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Nach einer schrecklichen Nacht im Stehen wird sie am anderen Morgen von ihrer Haushälterin Isabella (Gabriele Muskala) befreit. Helga sitzt mit gebrochenem Fuß im Rollstuhl, als sie mit der Nachricht konfrontiert wird, dass sie die nächsten Wochen mit einer Urlaubsvertretung zurechtkommen muss. Weitaus größer noch ist ihre Überraschung, als mit dem polnischen Putzmann Ryszard (Zbigniew Zamachowski) keine Frau vor ihrer Haustür steht. Er spricht kein Deutsch, was nicht weiter ins Gewicht fiele, würde Helga des Englischen mächtig sein.

Leider ist auch ihre Tochter Miriam (Franziska Machens) keine Hilfe, die sich ohnehin vor allem für sich selbst interessiert und sowieso nie Zeit hat. Da bleibt als Trost nur die wöchentliche Kartenspiel-Runde mit ihren sämtlich noch verheirateten Freundinnen Renate (Ulli Maier), Barbara (Suly Röthlisberger) und Brigitte (Imogen Kogge), die freilich ebenfalls mit ihrem eigenen Leben beschäftigt sind: Helgas Alltag beginnt mit einem tristen Blick auf den Bonsai in der Fensternische neben der ratternden Kaffeemaschine.

Kinofilm: Da kommt noch was.Helga (Ulrike Willenbacher) mit ihren Freundinnen Renate (Ulli Maier), Barbara (Suly Röthlisberger) und Brigitte (Imogen Kogge).

Ist die Verständigung mit Ryszard zunächst auch jenseits des Sprachlichen schwierig, weil die pedantische Helga jeden seiner Schritte penibel überwacht und ständig neue Vorgaben macht, bricht ausgerechnet ein Konzertbesuch den Bann. Nach der kurzfristigen Absage einer Freundin hat sie ihn kurzerhand mitgenommen – und vorzeitig die Flucht ergriffen, als sie ihren „Ex“ samt „Neuer“ im Parkett entdeckte. Ryszard wird allmählich Helgas Vertrauter, die sich immer mutiger von ihrem Ehe-Trauma löst. Und nun zu Miriams Entsetzen beschließt, das für sie allein viel zu große Haus am Stadtrand (gedreht wurde in Ottobrunn bei München) zu verkaufen und eine schicke Wohnung in bester City-Lage zu beziehen.

Beim gemeinsamen Ausräumen kommen sich Helga und Ryszard immer näher, landen im Bett. Doch außerhalb des Schutzes der eigenen vier Wände verleugnet Helga auf der Geburtstagsparty Brigittes ihre Liebesgeschichte, die sich die gutsituierten, blasierten Gatten ihrer Freundinnen ohnehin nicht vorstellen könnten. Renates Peter (Michael Wittenborn), Brigittes Gerd (Gottfried Breitfuss) und Helgas „Ex“ setzen dem Polen solange zu, bis dieser die Flucht ergreift…

„Da kommt noch was“, Mareille Kleins zweiter abendfüllender Spielfilm nach ihrem viel beachteten Debüt „Dinky Sinky“, ihrem Abschlussfilm an der Münchner Filmhochschule HFF, blickt ironisch, aber auch liebevoll hinter die bürgerliche Fassade einer 62-jährigen Frau, deren Leben unerwartet auf den Kopf gestellt wird. Helga wird grandios verkörpert von der Theaterschauspielerin Ulrike Willenbacher (Frankfurt, Zürich, seit vielen Jahren München), die ihre erste Kino-Hauptrolle mit uneitlem Witz und enormer Leinwandpräsenz meistert, wofür sie als „Beste Schauspielerin“ beim Kinofest Lünen 2021 ausgezeichnet wurde.

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Der am 5. Juli 2021 beim Filmfest München uraufgeführte und dort mit dem Fipresci-Kritikerpreis als Bester Film in der Reihe Neues Deutsches Kino ausgezeichnete 98-Minüter kommt am 29. September 2022 in unsere Kinos. In unserer Region zu sehen unter anderem im Casablanca Bochum, im Sweetsixteen Dortmund sowie im Luna im Astra Essen.

| Autor: Pitt Herrmann