„Dornröschen“ an der Rheinoper
Bridget Breiners etwas anderes Märchen
Ein kleiner Junge (Sonderbeifall für Jonas Klöckner wie auch später für Matilda Staigis als junge Aurora) schaut, sich an den Souffleurkasten lehnend, ins sich allmählich füllende Parkett des Opernhauses Düsseldorf. Die ersten Handykameras klicken von begeisterten jungen Leuten, die offenbar noch nicht so vertraut sind mit den Gepflogenheiten des Live-Erlebnisses Theater. Zumal am Premierenabend des 15. November 2025, wie alle folgenden Vorstellungen des Balletts „Dornröschen“ bis Anfang Januar 2026 ausverkauft, die diesbezügliche Standard-Ansage ausbleibt.
Peter Iljitsch Tschaikowskys ursprünglich dreistündige Ballettmusik ist unter dem Titel „La belle au Bois Dormant“ 1890 im Mariinski-Theater St. Petersburg uraufgeführt worden in der Choreografie von Marius Petipa auf ein Libretto von Iwan Wsewoloschsky nach dem gleichnamigen Märchen des Franzosen Charles Perrault. Als sich zur Ouvertüre der Vorhang hebt, führt der – im Ballett naturgemäß nonverbale – Erzähler (der umjubelte Alejandro Azorin bekommt von Bridget Breiner wie alle anderen Solisten ihres vorzüglichen Balletts am Rhein ausgiebig Möglichkeiten, sein Können unter Beweis zu stellen), der immer wieder auch unmittelbar in das Geschehen eingreift, in nuce den Jungen in die Geschichte ein.
Aurora und Désiré
Und damit auch das Publikum, das zwar mit „Dornröschen“, 1812 erstmals erschienen in der Sammlung der Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm, vertraut ist, nicht unbedingt aber mit Figuren wie Aurora, Carabosse, Désiré oder der Fliederfee, welche es schon in der Ur-Choreografie Petipas gegeben hat, die in den gemeinhin zur Vorweihnachtszeit inszenierten Familienvorstellungen unserer Theater aber nicht auftauchen. Zudem ist es, jedenfalls nach Ansicht der Rheinopern-Dramaturgin Julia Schinke, 135 Jahre nach der Uraufführung an der Zeit, an einigen obsoleten Stellen der Vorlage zu feilen.
So geht es in unseren woken Zeiten natürlich gar nicht, dass ein Mann, Prinz oder nicht, ungefragt eine schlafende Frau küsst. Wie Bridget Breiner das „Problem“ auf höchst befreiend-ironische Weise gelöst hat, sei hier nicht verraten. Nur soviel: Am Ende kommen Prinzessin und Prinz, die hier Aurora (Chiara Scarrone) und Désiré (Lucas Erni) heißen, auf schönste – und naturgemäß politisch korrekte – Weise zusammen, indem sie die Initiative ergreift und ihm einen innigen Kuss aufdrückt.
Rundum begeisterndes Gesamtkunstwerk
Die zweieinhalbstündige Choreographie ist ein rundum begeisterndes Gesamtkunstwerk. Das mit der stärker an den Brüdern Grimm orientierten Handlung beginnt, aber durchaus eigene, zeitgemäße Akzente setzt: Aurora, die Tochter des Königspaares (Orazio Di Bella und Balkiya Zhanburchinova), muss sich ebenso mit ihren Eltern auseinandersetzen wie Désiré mit seiner rachsüchtigen Mutter Carabosse (Sophie Martin), für die als dreizehnter Weisen Frau am Tisch der anderen Zwölf, die zum 15. Geburtstagsfest Auroras mit Ascot-würdigen Hutkreationen die Hofgesellschaft bilden, kein Platz gewesen ist.
Starke Symbolik
Die starke Symbolik der dialektischen Choreographie spiegelt sich in zahlreichen Details des Ausstatters Jürgen Franz Kirner. So werden aus beweglichen Elementen der Palast-Architektur im Handumdrehen Baumsilhouetten, die sich mit dem Bühnenprospekt zu einem Wald vereinen. In der Spindel-Szene am Ende des ersten Aktes mutieren zwei Stützbalken zu Damoklesschwertern, die erst wieder ihren ursprünglichen Zweck erfüllen, als die jüngste Weise Frau, Fliederchen (Elisabeth Wincenti), das Todesurteil Auroras in einen einhundertjährigen Schlaf verwandelt.
Neoklassik der Spitzenklasse
Aus dem sie ein „Held“ erwecken soll, den Fliederchen gleich nach der Pause mit mehrsprachigen Transparenten im Parkett sucht. Breiners „Dornröschen“ macht, bei aller Seriosität neoklassischen Balletts der Spitzenklasse, auch enormen Spaß. Von Carabosses grünem Frosch-Outfit samt Schwimmflossen, als sie der badenden Königin nach langen Jahren des Bangens die Geburt eines Kindes offenbart, bis hin zu den drei „Kerlen“ Kurz (Yoav Bosidan), Rund (Skyler Maxey-Wert) und Lang (Dukin Seo), die sich um die Hand Auroras bewerben und in ihren blauen Uniformen auch ohne Strapse glatt als Barrie Kosky-Erfindungen durchgehen.
Hoffen auf Wiederaufnahme
Unter der musikalischen Leitung von Yura Yang, der Ersten Kapellmeisterin an der Oper Leipzig, spielen die Düsseldorfer Symphoniker Tschaikowskys Ballettmusik mit einer Neukomposition von Tom Smith für die Alptraumszene Auroras im 2. Akt. Bridget Breiners „Dornröschen“-Choreographie ist komplett ausverkauft und wird hoffentlich in der kommenden Saison im Theater Duisburg, dem Revier-Standbein der Rheinoper, wiederaufgenommen. Unbedingt merken und dann rechtzeitig am Ende dieser Spielzeit Karten sichern!
Weitere Termine
- Donnerstag, 20. November 2025, 19.30 Uhr
- Samstag, 29. November 2025, 19.30 Uhr
- Donnerstag, 11. Dezember 2025, 11 Uhr
- Sonntag, 14. Dezember 2025, 14 Uhr und 18.30 Uhr (anschl. Nachgefragt)
- Samstag, 20. Dezember 2025, 19.30 Uhr
- Donnerstag, 25. Dezember 2025, 18.30 Uhr
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- Freitag, 2. Januar 2026, 19.30 Uhr
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Alle Vorstellungen sind ausverkauft, erfahrungsgemäß besteht aber die Möglichkeit, Restkarten kurzfristig an der Abendkasse zu erwerben