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Douglas Oliveira de Souza und Yordi Yasiel Perez Cardoso in „Kyōto“

Jugend-Stil der MiR Dance Company

Ballett meets Street Dance

„Früher war mehr Schnee“: Im Dezember 2024 feierte ein vor allem das jüngere Publikum zu Begeisterungsstürmen hinreißender Tanzabend voller Kontraste im Kleinen Haus des Musiktheaters im Revier Uraufführungs-Premiere, dessen Ausgangspunkt zumindest indirekt ein dreihundert Jahre altes und nicht zuletzt durch Anne-Sophie Mutters Einspielungen ikonisches Werk der Musikgeschichte bildet: Antonio Vivaldis „Le quattro stagioni“, ein Zyklus von vier nach den Jahreszeiten betitelten Violinkonzerten.

Doch nur zum Auftakt des neunzigminütigen Tanzabends „2 Jahreszeiten: Herbst/Winter“, dem zum Ende der Spielzeit die mobile Produktion „2 Jahreszeiten: Frühling/Sommer“ folgen soll, erklingt (leider nur aus den Lautsprechern) Vivaldi pur, genauer „L’autunno“ („Der Herbst“), zur musikalischen Lichtinstallation „LuceAutunnale“ von Giuseppe Spota. Der Direktor der MiR Dance Company verbindet dabei die barocken Klänge des dritten Konzerts aus dem Vivaldi-Zyklus mit bewegten Lichtprojektionen (Thomas Ratzinger) zu den übergreifenden Themen beider Produktionen: Natur, Wandel und Vergänglichkeit.

Emma Eveleins „Kyōto“

Schummriges Licht. Robotik-Bewegungen zur nicht gerade winterlichen Geräuschkulisse eines Mückenschwarms, die in den Lärm einer dichtbesiedelten Millionenstadt übergeht. Im Hintergrund ein Getränkeautomat, Tänzerinnen wie Avatare aus einem Science-Fiction-Film. Ballett meets Street Drance mit der Präzision einer klassisch ausgebildeten Compagnie. Der Automat mutiert zur Musicbox, fremdsprachiges Stimmengewirr und asiatische Pop-Musik. Soli und wechselnde Paare, furios-temporeiche Gruppenchoreografien. Und ein geradezu minimalistisches Finale zu Gitarren-Folk.

„Der Winter ist eine Jahreszeit der Leere, in der sich die Menschen nach drinnen zurückziehen und die Straßen ruhig und still werden. Auch ein Parkplatz ist von Natur aus ein leerer Raum, es sei denn, er wird gerade benutzt. Dieses Gefühl des Rückzugs und der Stille schafft eine stationäre, schwebende Qualität, die zu einem wichtigen Thema für das Werk wurde“, erzählt die niederländische Choreografin Emma Evelein über ihr Stück „Kyōto“, das sie auch ausgestattet hat.

Camilla Bizzi in „Fifth Season“.

Beeindruckende Bildsprache

Emma Evelein verbindet die Ausdruckskraft des zeitgenössischen Tanzes mit urbanen Einflüssen und verleiht ihrer Choreografie eine intensive Emotionalität. Inspiriert von den kulturellen Kontrasten der einstigen japanischen Hauptstadt Kyōto, die von stiller Bescheidenheit über kollektive Harmonie und spielerischer Leichtigkeit bis hin zu einsamer Individualität reichen, entfaltet sie eine beeindruckende Bildsprache.

„Kyōto“ ist eine Choreografie, die keine konkrete Geschichte erzählt, sondern Gefühle hervorruft, in der Tanz zur Begegnung gegensätzlicher Welten wird zur Musik von Vivaldis „L’inverno“ in der Überschreibung Max Richters aus dem Jahre 2012 für die „Recomposed“-Serie der Deutschen Grammophon, kombiniert mit Pop- und Soundtrack-Stücken.

Anton Lachkys „Fifth Season“

Ein zunächst nur akustisch wahrnehmbarer Sturm fegt über die leere Bühne. Welche von den in eleganter Abendgarderobe steckenden Tänzern vorsichtig betreten wird, immer wieder zusammenzuckend, sich abduckend einer imaginären, zumindest nicht sichtbaren Gefahr ausweichend. Bald werden aus den Slow-Motion-Bewegungen unter harten Trommelschlägen rasante Soli und Pas de deux: rudernde Arme gehen in Breakdance-Elemente über, Handstand-Abfolgen in athletische Überschläge. Dann herrscht für einen Augenblick atemlose Stille, bevor ein Musik- zum Stimmungswechsel führt, begleitet von harmonischen Bewegungen, die jedoch von irritierenden minimalsten Gesten unterbrochen werden. Im nächsten Moment scheint eine Kampfsport-Gruppe Übungen abzuhalten – freilich in höchstmöglicher Präzision…

Irrwitzige Dynamik

Der preisgekrönte slowakische Choreograf Anton Lachky fasziniert in „Fifth Season“ mit seiner präzisen „Puzzle Work“-Technik, die kleinste Bewegungsbausteine in immer neuen Kombinationen zu rasanten Abläufen verdichtet und die Tänzer an ihre physischen Grenzen führt. Wobei die kurzen Momente scheinbaren Stillstandes die derwischhaft-irrwitzige Dynamik der Choreografie noch steigern.

Weitere Aufführungen

Die weiteren Vorstellungen im Kleinen Haus des MiR:

  • Sonntag, 12. Januar 2025, 18 Uhr
  • Freitag, 31. Januar 2025. 19:30 Uhr
  • Samstag, 15. Februar 2025, 19 Uhr

Karten ab 15 Euro gibt es online oder an der Theaterkasse unter Tel. 0209 – 4097200.

Januar
31
Freitag
Freitag, 31. Januar 2025, um 19:30 Uhr MIR - Musiktheater im Revier, Kennedyplatz 1, 45881 Gelsenkirchen
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  • Samstag, 15. Februar 2025, um 19 Uhr
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  • Sonntag, 12. Januar 2025, um 18 Uhr
Dienstag, 7. Januar 2025 | Autor: Pitt Herrmann