
21 Kitas in Herne betroffen
Aus für Förderprogramm der Sprach-Kitas
Mit dem Bundesprogramm „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ fördert das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) seit dem Jahr 2016 die sprachliche Bildung als Teil der Qualitätsentwicklung in der Kinderbetreuung. Das Programm richtet sich vornehmlich an Kitas mit Kindern, die einen erhöhten sprachlichen Förderbedarf haben und holt auch Erzieher und Eltern mit ins Boot.
Gefördert wird die sprachliche Bildung im frühkindlichen Bereich, davon profitieren vor allem Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch ist - aber nicht nur. Die sprachlichen Defizite (als Folge der Pandemie) betrifft auch viele Kinder mit Deutsch als Muttersprache. Das Programm gilt als äußerst erfolgreich. Doch mit dem Erfolg ist bald Schluss, da das Förderprogramm mit dem Jahr 2022 endet. Damit stehen die Sprach-Kitas vor dem Aus. Der Grund: In dem von der Ampel-Koalition verabschiedeten Entwurf des Bundeshaushalts 2023 ist kein Geld für das Sprach-Kita-Programm und damit für die Kleinsten unserer Gesellschaft vorgesehen.

Petition zur Weiterführung
Dieser Entwurf bedeutet allerdings noch nicht das hundertprozentige Ende der Sprach-Kitas. Der Bundestag wird den Entwurf in den nächsten drei Monaten bis zur Verabschiedung Ende November diskutieren und dann endgültig verabschieden. Mit einer Petition, die im Bundestag eingereicht wurde, wird die Weiterführung des Programms ab 2023 gefordert. Die Petition läuft online noch bis Dienstag, 20. September 2022. Wer seine Unterschrift postalisch einreichen möchte, der muss dafür Sorge tragen, dass sie bis zum 15. September 2022 dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages vorliegt.

Deutschlandweit ist jede achte Kita eine Sprach-Kita. In Herne gibt es 21 Sprach-Kitas, neun davon sind städtische Kindertagesstätten. In allen Herner Kitas arbeiten zusätzliche Pädagogen, Logopäden und andere Fachkräfte, die die Kinder auf vielfältigste Art in ihrer sprachlichen Entwicklung unterstützen. Diese zusätzlichen Fachkräfte, die alle aus dem Bundesprogramm bezahlt werden, haben sich seit Bestehen des Programms weitergebildet und sich ständig ausgetauscht. Dabei wurden sie von den geschaffenen Fachberatungsstellen unterstützt. Im Sommer nun wurde dem Jugendamt vom BMFSFJ mitgeteilt, dass das Projekt eingestellt wird. In den Kitas sind deshalb Sorgen und Ärger groß.
Der Ärger ist groß
Dass das erfolgreiche Programm jetzt eingestampft werden soll, lässt großen Ärger aufkommen. In den 21 Herner Sprach-Kitas, wurden seit der Programm-Beteiligung rund 4.000 Kinder in ihrer frühkindlichen sprachlichen Bildung gefördert und auch die Eltern wurden mit ins Boot geholt. Durch diese Förderung wurden die Bildungschancen all dieser Kinder deutlich verbessert. Das Aus bedeutet nun auch, dass die zusätzlich eingestellten Mitarbeiter ihr Arbeitsfeld verlassen müssen und dass die Beteiligung der Eltern reduziert werde.

Ayla Erdem, Einrichtungsleitung Familienzentrum Kinderwelt Herne-Eickel, sagt im Gespräch mit halloherne: „Dass das Programm irgendwann ausläuft, das war ja durchaus absehbar. Aber warum jetzt? Warum zu diesem Zeitpunkt?“ Gerade jetzt, wo das System der Kitas auch durch die Belastungen nach der Pandemie am Limit laufe, sollen aufgebaute Strukturen hinten rüber fallen. Und weiter sagt sie: „Wir können und müssen sicher in vielen Bereichen sparen. Aber: An der Förderung unserer Kinder darf nicht gespart werden."
„Wir stehen im ständigen Austausch und Gespräch mit unseren Fachkräften und haben uns ganz viele Situationen und Konzepte überlegt, wie wir unsere Kinder am besten fördern können. Dazu haben wir mit unserer Fachkraft zum Beispiel auch eine Sprachlehrstrategie für die Hosentasche erarbeitet, die alle unsere Mitarbeiter bekommen", erzählt Ayla Erdem. Darauf ist vermerkt, wie am besten mit den Kindern gesprochen wird, um Sprache ganz nebenbei zu vermitteln.

Christine Milk, von der Fachberatung der Stadt Herne für das Bundesprogramm Sprach-Kitas: „Eine Sprach-Kita bedeutet viel mehr als nur Sprachförderung. Es geht auch um Respekt. Natürlich geht es darum, die Kinder sprachlich fit zu machen. Aber das Programm fußt auf mehreren Säulen: Es geht um alltagsintegrierte Bildung, um Inklusion, um die Zusammenarbeit mit den Familien und als Letztes auch darum, die Medienkompetenz zu fördern."
Hier hätten sich die Sprach-Kitas als Vorreiter abgehoben und dazu die Sonderzahlung „Aufholen nach Corona“ genutzt. Mit dem Geld fanden Schulungen statt, wurden Bücher angeschafft und wurde die Digitalisierung der Kitas gefördert. „Alle Kitas haben in den vergangenen Jahren Strukturen geschaffen, die dazu beitragen, dass unsere Kinder in ihrer sprachlichen Bildung unterstützt werden und so auch eine gute Inklusionsarbeit möglich ist. Ein Aus zerstört dies alles.“
Die Kita-Mitarbeiter, Bildungsgewerkschaften, Eltern, Wissenschaftler, Verbänden und Organisationen kritisieren die Entscheidung, das Bundesprogramm auslaufen zu lassen aufs Schärfste und nennen es unisono einen fatalen Fehler, der sich spätestens in einigen Jahren rächen wird.

Sonja Gruel, Fachkraft einer städtischen Kita: „Ein Ende des Sprach-KiTa Projekts bedeutet den Verlust von wichtigem pädagogischen Fachwissen, den Wegfall eines jahrelang gewachsenen Netzwerks sowie ein Verschwinden kompetenten Fachpersonals. Aufgrund einer häufig dünnen Personaldecke werden die Mitarbeiter in den Einrichtungen die Lücken nicht füllen können, selbst wenn sie die Qualifikation und die Kompetenz haben, da ihnen schlichtweg die Zeit fehlt. Für die Bildungslandschaft in Herne, aber auch in ganz Deutschland heißt das, dass die notwendige sprachliche Förderung in Kindertageseinrichtungen nicht mehr auf dem bestehenden Niveau fortgeführt werden kann. Gerade die Kinder, die ohnehin schlechtere Bildungschancen haben, werden erneut benachteiligt.“
Sprach-Kitas in Herne
Sprach-Kitas der Stadt: Kita Am Weustenbusch, Kita Drögenkamp, Kita Lerchenweg, Kita Königin Luise, Kita Hofstraße, Kita Horsthauser Straße, Kita Langforthstraße, Kita Unser-FritzStraße und Kita Florastraße.
Sprach-Kitas anderer Träger: Kita St. Laurentius (kath. Kirche), Kita Kinderwelt Herne-Eickel und Familienzentrum Kinderwelt Herne-Mitte (PlanB), Kita Regenbogenland, Kita Däumling, Kita Wilde Wiese, Kita Phantasie, Kita Europagarten (Lebenshilfe), Kita Unterm Regenbogen, Kita Bertakids (ev. Kirche), Kita Gelsenkircher Straße und Kita Breddestraße (Awo).