halloherne.de lokal, aktuell, online.
So schön wie eiskalt: Marion Cotillard als narzisstische Schauspielerin Cristina van den Berg in der Rolle der Eiskönigin.

Marion Cotillards Herz aus Eis

Andersens 'Die Schneekönigin' als Film im Film

Eine Stimme aus dem Off erzählt vom Reich der Schneekönigin und von einem einzigartigen Kunstwerk, ihrem vom starken Nordlicht eingehüllten Schloss mit hundert Sälen aus Eis. Währenddessen kehrt die 16-jährige Jeanne (Clara Pacini) aus dem nur notdürftig beleuchteten Dorf ins einsam auf einer Anhöhe gelegene Waisenhaus zurück, schon sehnsüchtig erwartet von der kleinen Rose (Cassandre Louis Urbain). Die wird häufig von Alpträumen geplagt und beruhigt sich erst, wenn Jeanne ihr aus dem Märchen Hans Christian Andersens vorliest.

Anzeige: Weltladen Esperanza - Weihnachten 2025

Jeanne, die im zarten Alter von sechs Jahren ihre nach einer Überdosis Tabletten tote Mutter vorgefunden hat, hütet die beiden ihr verbliebene Erinnerungen an Zuhause, eine Kette mit „Glückssteinen“ und die Ansichtskarte einer Eisbahn, wie einen Schatz. Als sie aus ihrer Kette einen Stein löst und diesen Rose schenkt, ist der Kleinen klar, dass Jeanne das Heim verlassen will – zur Weihnachtseisbahn in die Stadt. Zu Fuß und per Anhalter erreicht sie diese in den Abendstunden und ist fasziniert von Bianca (Valentina Vezzoso) einer attraktiven jungen Könnerin auf zwei Kufen. Deren Ausweis sie an sich nimmt nach einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen Bianca und ihrem Begleiter.

Nacht im Kostümfundus

Auf der Suche nach einer Bleibe für die Nacht irrt Jeanne durch die nächtlichen Straßen und steigt schließlich durch ein Kellerloch in ein Gebäude ein. Sie landet im Kostümfundus eines Filmstudios, in dem gerade Andersens „Schneekönigin“ gedreht wird – mit der so berühmten wie selbstherrlichen Schauspielerin Cristina van den Berg (Marion Cotillard) in der Titelrolle. Jeanne beobachtet zufällig, wie diese heimlich eine Spritze erhält von ihrem, wie sich später herausstellt, langjährigen Freund und Arzt Max (August Diehl). Und wird am Morgen beim Frühstück für die Crew von Stéphanie (Marine Gesbert) kurzerhand als Komparsin engagiert.

Jeanne, die sich als 20-jährige Bianca ausgibt, macht ihre Sache so gut, dass sie der exzentrischen Cristina auffällt, die den geplagten Regisseur Dino (der gebürtige argentinische Skandalfilmemacher Gaspar Noé) mit immer neuen Forderungen in den Wahnsinn treibt. Zunächst als Lichtdouble der jungen Cloé (Lilas-Rose Gilberti) an die Seite gestellt, übernimmt sie nach einem blutigen Zwischenfall mit einem Raben deren Rolle ganz – und wird von Cristina in einem Luxushotel einquartiert. Freilich mit Hintergedanken, die sich die im siebten Himmel schwebende Jeanne nicht hätte vorstellen können.

Film im Film: Der Schauspielstar Cristina van den Berg (Marion Cotillard) als Schneekönigin beugt sich über Jeanne (Clara Pacini, re.), die kurzfristig für Cloé eingesprungen ist.

Soviel darf verraten werden: die natürlichen Instinkte des vom Leben geerdeten Waisenkindes lassen sie gerade noch die Notbremse ziehen. Was nicht heißt, dass sie der krankhaft narzisstischen, im Grunde aber todunglücklichen Cristina nicht ein zweites Mal in die Falle gehen könnte…

Betörende Bilder

Mit „Herz aus Eis“ erzählt die preisgekrönte französische Regisseurin Lucile Hadžihalilović eine düstere, in den 1970er Jahren spielende Geschichte voller betörender Bilder und dunkler Anziehungskraft, die sich so recht erst auf der großen Kinoleinwand erschließt. Zwischen Bewunderung, Verführung und subtiler Bedrohung entwickelt sich eine intensive Beziehung zwischen Jeanne und Cristina, während binnen knapp zwei spannungsgeladener Stunden die Grenzen zwischen Realität und Film (im Film), Märchen-Traum und Leinwand-Adaption zunehmend verschwimmen. Fasziniert von der geheimnisvollen Cristina wird Jeanne immer tiefer in das Reich der in jeder Hinsicht eiskalten Schneekönigin hineingezogen.

Fesselnde Coming-of-Age-Geschichte

Besessenheit und Opferbereitschaft sind wiederkehrende Themen in Andersens Märchen, die damit keineswegs Geschichten für Kinder sind – und auch die Hauptthemen des Films, der auch eine fesselnde Coming-of-Age-Geschichte erzählt. Von Anfang an hat sich die Regisseurin dafür entschieden, das Märchen in die Realität zu übertragen und eine klassische, lineare Erzählung zu konstruieren: „Wir versuchen, die Geschichte durch Details zu erzählen und die Erfahrungen der Figuren durch visuelle Elemente – Beleuchtung, Atmosphäre, Farben, Details der Kulissen, Requisiten und Kostüme – sowie Geräusche und durch Verbindungen zwischen diesen Elementen zu vermitteln. Ein bisschen wie in einem Gedicht“, so Lucile Hadžihalilović im Grandfilm-Presseheft.

Mit „Herz aus Eis“ knüpft Lucile Hadžihalilović zwanzig Jahre nach „Innocence“, der Adaption einer Novelle Frank Wedekinds, an ihre Zusammenarbeit mit Marion Cotillard an, die in einer faszinierenden Doppelrolle zusammen mit der Newcomerin Clara Pacini und August Diehl ein intensives Zusammenspiel entfaltet.

Herausragende künstlerische Leistung

Nach der Uraufführung am 16. Februar 2025 auf der 75. Berlinale wurde das kreative Ensemble des Films mit dem Silbernen Bären für eine herausragende künstlerische Leistung geehrt. Es folgten auf dem San Sebastian International Film Festival 2025 der Hauptpreis der Sektion Zabaltegi-Tabakalera sowie beim Neuchâtel International Fantastic Film Festival die Auszeichnungen in den Kategorien „Bester Film“ und „Bestes Produktionsdesign“.

Anzeige: Weihnachtsmarkt 2025

Zum Kinostart am Donnerstag, 18. Dezember 2025 läuft der 118-minütige Film im Sweetsixteen Dortmund, in der Galerie Cinema Essen und im Metropol Düsseldorf.

Vergangene Termine (1) anzeigen...
  • Donnerstag, 18. Dezember 2025
Mittwoch, 17. Dezember 2025 | Autor: Pitt Herrmann