
Planungssicherheit für Herner Schüler gefordert
Schulpflegschaft schickt Brief an Gebauer
Ein Präsenzunterricht ist in Zeiten wie diesen an Herner Schulen kaum möglich, darüber sind sich die Eltern der Herner Schüler weitestgehend einig. Für Ärger sorgt allerdings das ewige Mal hü und Mal hott der Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP). Mal heißt es Wechselunterricht, dann wieder Distanzunterricht. Von einer konstanten Beschulung kann bei Weitem keine Rede sein. In der Woche nach Ostern platzte den Eltern des Pestalozzi-Gymnasiums dann allerdings der Kragen. Hier geht es zur PDF des Protestbriefs
Mal hü, Mal hott
Nach einem Jahr Pandemie und einem ewigen Hü und Hott sagte sich die Schulpflegschaftsvorsitzende des Pestalozzi, Çağıl Koyuncu: 'Entweder ich werde krank oder ich unternehme etwas.' In der nächsten Schulpflegschaftssitzung setzten die Mitglieder einen Brief an Schulministerin Yvonne Gebauer auf, der zuerst an das Kommunale Bildungsbüro ging und von dort aus an weitere Herner Schulen geschickt wurde. Koyuncu: „Die Resonanz war enorm: Innerhalb von drei Tagen hatten 16 weitere Schulen uns ihre Unterstützung zugesagt.“
Çağıl Koyuncu ist im halloherne-Gespräch kaum zu bremsen und erzählt: „In der Woche nach Ostern gab es sage und schreibe fünf veränderte Varianten der Unterrichtsform - und alle 'Vorgängermodelle' waren in der Planung oder sogar schon fertig, als die nächste Variante per E-Mail eintrudelte. Das müssen Sie sich mal vorstellen, wenn so etwas in der freien Wirtschaft gemacht würde... Manchmal ist eine Mail auch erst am Sonntag eingetroffen und dann musste alles wieder umgestellt und neu geplant werden.“
Aber Koyuncu ist es auch wichtig zu betonen, dass sie nicht für eine generelle Schulschließung- oder Öffnung sind, sondern ihnen ginge es ganz alleine um die Planungssicherheit. In dem Brief heißt es dazu: 'Weniger als eine Woche später wurde der Inzidenzwert, der als Grundlage für Schulöffnungen oder -schließungen gilt und somit alle Stunden-, Unterrichts-, Klausur-, Raum-, Personal-, Betreuungs- und Arbeitspläne von Schülern, Eltern, Lehrern und Schulleitungen maßgeblich beeinflusst, auf 165 heruntergesetzt. Eine Vorankündigung oder nachvollziehbare Erklärung für diesen neuen Wert gab es seitens der Politik bisher nicht.'
„Das sollte für Planungssicherheit sorgen, allerdings ging der Schuss nach hinten los. Denn pendelt der Wert wie in Herne immer um diesen Wert, haben wir eine maximale Planungsunsicherheit. Das kann es doch nicht sein.“ Und Koyuncu weiß, wovon sie spricht, als Mutter einer jugendlichen Tochter bekommt sie die Schüler- und die Eltern-Seite mit, gleichzeitig ist sie dazu auch noch Lehrerin am Berufskolleg und weiß natürlich, was das für die Planung bedeutet. „Um es einigermaßen gut zu regeln, brauchen wir eine Planungssicherheit von mindestens vier Wochen. Aber die haben wir nach wie vor nicht.“
Schule muss verlässlich sein
Das sei für alle zermürbend: Eltern, Lehrer und Schüler. „Schule muss verlässlich sein - so oder so. Wenn sie das nicht ist“, sagt Koyuncu, „weiß ich nicht, was aus unseren Kindern werden soll, was das mit ihnen macht.“ Sie sähe es bei ihrer eigenen Tochter, die manchmal mutlos und unmotiviert sei. Sie sähe Ähnliches auch an anderen Kindern, die zudem auch depressive Phasen durchmachten. „Aber wie soll das in diesem Durcheinander auch anders sein?“, fragt sie sich. Die Schüler würden sich auf Prüfungen, Klassenarbeiten oder Klausuren vorbereiten, sitzen das Wochenende und lernen, nur um dann am Sonntagabend oder vielleicht auch erst am Montagmorgen zu hören: Nein, schreiben wir heute doch nicht. „Wer soll denn da noch Lust am Lernen haben?“
Eine Zeitlinie, die nicht erst auf den letzten Drücker bekannt gegeben wird, würde nicht nur den Schülern zu Gute kommen, sondern auch den Lehrkräften bei der Organisation behilflich sein. Und nicht zuletzt würden sich auch Berufstätige und auch die Arbeitgeber darauf einstellen können.

Und natürlich denkt sie dabei auch an die Schüler, die aus bildungsfernen Familien kommen, an die Schüler, die sich mit drei Kindern ein Endgerät teilen müssen, oder an die, die in Familien aufwachsen, in denen kein Erwachsener das Kind zu Hause beschulen kann. „Das alles ist doch ein gesamtgesellschaftliches Problem“, sagt die Pflegschaftsvorsitzende. „Wir hatten doch schon vor der Pandemie ein Problem mit vielen jugendlichen Schülern. Deutschland schafft es nicht, seinen Kindern einen Zugang zur Schule zu verschaffen - und die Pandemie vergrößert dieses Problem.“
All diese Lücken, die jetzt während der Pandemie entstehen oder größer werden, die könne man im laufenden Schulbetrieb nicht wieder aufholen. Hier müsse jetzt ein Konzept für individuelle Förderprogramme erstellt werden, und zwar für jeden Schüler und für jede Schülerin. Und sie sagt weiter: „Unsere Bildungspolitik ist doch immer schon auf Kante gefahren, das jetzt aufzuholen, das ist neben der Digitalisierung und dem Kampf gegen den Klimawandel die nächste Mammut-Aufgabe.“
Task-Force Schule
In dem Brief äußern die Eltern der Pflegschaft ihren Unmut über das Versäumnis der Politik, während der langen Zeit der Pandemie kein tragfähiges Konzept erarbeitet zu haben. Ein Konzept, an dem ein Gremium beteiligt wäre, das aus Vertretern von Schülern, Eltern, Lehrern und Bildungspolitikern bestünde. Dazu einen Epidemiologen und gemeinsam könne man dann einen Plan der Möglichkeiten aufstellen.
„Dass all das bisher nicht passiert ist und noch nicht einmal eingesehen ist, wie wichtig so etwas wäre, das lässt mich verzweifeln und ich schaue mit extremer Sorge auf die Zeit nach den Sommerferien.“
Hier geht es zur pdf des Protestbriefes. „Über eine inhaltliche Antwort würde sich die Schulpflegschaft schon freuen“, sagt Çağıl Koyuncu, „allerdings erwarte ich nicht mehr als eine Kenntnisnahme, denn die hätten wir uns schon verdient.“
Mittlerweile hätten sich auch Schulen außerhalb von Herne mit ihr in Verbindung gesetzt. „Das freut uns sehr,“ sagt Çağıl Koyuncu und ermuntert alle, die an der Sache Interesse haben, sich mit den Personen der Schulpflegschaft in Verbindung zu setzen: .