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Marienhospital Herne.

"Vorstellungen jenseits der Erdkrümmung"

Fall Hellmann:

Gut ein Jahr nach der ersten von insgesamt sechs fristlosen Kündigungen (17. Mai, 28. Mai, 3. Juni, 26. Juli, 20. September und 17. Oktober) konnte das Herner Arbeitsgericht am Dienstag (17. Juni) nach dem Gütetermin im Juli 2013 zum ersten Mal richtig in die Verhandlung der Kündigungs-Schutzklage des früheren Chefs im Marienhospital Herne, Jürgen Hellmann, einsteigen. Vorab hatten sich zwei Instanzen der Arbeitsgerichtsbarkeit mit der Rüge der von Rechtsanwalt Dr. Til Wegmann vertretenen Stiftung Katholisches Krankenhaus Marien-Hospital beschäftigen müssen, dass die Arbeitsgerichte nicht zuständig seien und der Prozess eigentlich vor das Landgericht gehöre.

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Jürgen Hellmann.

Materieller Inhalt der sechs Kündigungen sind im Wesentlichen folgende Vorwürfe: Jürgen Hellmann soll seinen Sohn als damaligen Geschäftsführer der Wohnungswirtschaft und Pflegeheime bei Gehaltserhöhungen unangemessen bedacht haben. Er soll die Ausstellung eines zusätzlichen Arbeits-Vertrages für seinen Neffen auf 400-Euro Basis bei der Krankenhaus-Tochter GSG (Gesellschaft für Serviceleistungen) durchgewinkt haben. Dann habe er seiner Tochter eine renovierte und stiftungseigene Wohnung weit unter dem Mietspiegel (4,85 Euro pro Quadratmeter) besorgt. Bei einer Berlinreise mit seinem Stellvertreter Wolfgang Wessels habe Hellmann eigenmächtig für 139.000 Euro eine prominente Anwaltskanzlei mit der Erstellung eines Gutachtens zur bevorstehenden Fusion mit der Vincenzgruppe zur St. Elisabethgruppe beauftragt, um damit seine und auch die Zukunft seines Stellvertreters in der neuen Gruppezu zu sichern. Nach den Ende 2012 sechsstellig aufgelaufenen Schulden (291.000 Euro) der Moritz-Apotheke eines Sportkollegen bei der Krankenhaus-Apotheke habe Hellmann die Belieferung nicht rechtzeitig eingestellt. Und schließlich habe er "die Tantieme für die Jahre 2011 und 2012 nicht freiwillig und nicht rechtzeitig zurückgezahlt."

Bei der Fusion zur St. Elisabeth-Gruppe: o.v.l. Prof. Georgios Godolias, Jürgen Hellmann, Theo Freitag, Prof. Ludger Pientka. u.v.l. Dr. Josef Baumann, Gerhard Wolf.

Schwerwiegende Vorwürfe, mit denen sich nach Mitteilung von Stiftungsanwalt Dr. Wegmann nach Strafanzeige seiner Mandantschaft mittlerweile auch die Staatsanwaltschaft beschäftigt. "Eine Gemengelage auf Stammtischniveau," wie Klägeranwalt Norbert H. Müller formulierte. Vorher hatte auch die Kammer von Richterin Große-Wilde schon angedeutet, dass die ersten drei Kündigungen den rechtlichen Anforderungen kaum standhalten würden, weil zum Einen ohne "formellen Kuratoriumsbeschluss" und zum Zweiten ohne Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist zwischen Kenntnis der Vorwürfe und Kündigung selbst ausgesprochen.

Zu den einzelnen Kündigungsgründen nahm der Klägeranwalt dann ausführlich Stellung, wobei Norbert H. Müller allerdings die seinem Mandanten zur Last gelegte eigenmächtige Beauftragung der Berliner Anwaltskanzlei zum Kostenpunkt von 139.000 Euro ausließ. Die Vermittlung von einer der 550 Wohnungen an die Tochter habe nach langem Leerstand dieser "unrenovierten Wohnung aus dem Altbestand" rein wirtschaftliche Gründe gehabt. Immerhin sei der Mietpreis nach der Renovierung des Bades von 3,15 auf 3,53 pro Quadratmeter angehoben worden. "Außerdem möchte ich nicht wissen, wieviel Angehörige von Gremiumsmitgliedern günstig in solchen Wohnungen wohnen," so der Klägeranwalt. Der zusätzliche Arbeitsvertrag für den Neffen bei der GSG sei Jürgen Hellmann völlig unbekannt gewesen. Der Kläger habe davon erst auf einer Familienfeier erfahren. Außerdem seien genug andere Mitarbeiter mit ähnlichen Zusatzverträgen ausgestattet. Die Erhöhung des Jahresgehalts des (mittlerweile ausgeschiedenen) Sohnes als Geschäftsführer von Wohnungswirtschaft und Pflegeheimen von 100.000 auf 105.000 Euro sei nicht unangemessen gewesen und schon gar keine "schlichte Verdoppelung", wie Rechtsanwalt Dr. Wegmann als Vertreter der Stiftung in den Raum gestellt hatte. Und zu den hohen Schulden des befreundeten Apothekers der Moritz-Apotheke stellte Müller fest, dass sein Mandant am 27. Dezember 2012 eine Lastschrift über den ausstehenden Betrag eingereicht habe.

Und dann holte Klägeranwalt Müller zum Gegenschlag aus und präsentierte der Kammer zwei Protokolle der Kuratoriums-Sitzung vom 17. April 2013. Eins aus der Feder seines damals Protokoll führenden Mandanten und eins mit später hinzugefügten Textstellen ("Da hat jemand einiges reinkopiert"). Die Arbeitgeberseite hatte das Hellmann-Protokoll auf einer späteren Sitzung "nicht genehmigt" und Dinge "nachträglich korrigiert", die Hellmann als Protokollführer nicht aufgenommen habe, weil sie ihm angeblich nicht genehm waren. Bedenklich allein schon, so Anwalt Müller, dass da plötzlich Theo Freitag, Geschäftsführer der Vincenzgruppe, als Fragesteller zum Tagesordnungspunkt "Kündigung Hellmann" auftauchte, obwohl Freitag an der Sitzung vier Wochen vor der Kündigung gar nicht teilgenommen habe.

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Die Kammer von Richterin Große-Wilde mit ihren Beisitzerinnen Schroer und Daniel tat an dieser Stelle dann das, was das Gesetz von ihr erwartet. Sie fragte nach der Möglichkeit einer gütlichen Einigung. Wohl wissend, dass das "bei sechs fristlosen Kündigungen und der herausgehobenen Rechtsstellung des Klägers" nur schwer möglich sei. Beide Anwälte bestätigten zwar zwischenzeitlich außergerichtlich verhandelt zu haben, "doch die Unterschiede zwischen den beiden Vorstellungen liegen jenseits der Erdkrümmung," formulierte es Klägeranwalt Müller. Ende September wird die Verhandlung mit der Beweisaufnahme weitergehen. Als erster Zeuge muss dann der stellvertretende Kuratoriums-Vorsitzenden Dieter Doktorczyk aussagen. (AZ 3 Ca 1453/13)

| Autor: Helge Kondring