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Der geplagte Kammerdiener Josef (Boris Eder) muss sich auch noch mit der Tänzerin Franziska „Franzi“ Cagliari (Natalia Labourdette) auseinandersetzen, als die Gattin des Grafen Balduin Zedlau in die Döblinger Villa zurückkehrt.

Johann Strauss-Feuerwerk zum 200. Geburtstag

'Wiener Blut' im Aalto Musiktheater Essen

Der Kongress tanzt: Während Europa auf dem Wiener Kongress 1814/15 neu vermessen wird und selbst ein Duodezfürstentum wie Reuß-Schleiz-Greiz darauf hofft, ein größeres Stück vom Kuchen abzubekommen, wird hinter den Kulissen der großen Politik geflirtet und gezecht was das Zeug hält – übrigens auch vom sogenannten einfachen Volk. Das schließlich auch allen Grund hat, das Ende der blutigen Koalitionskriege gegen Napoleon zu feiern.

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Alles Walzer: Regelmäßig zum Jahreswechsel kommt der Zauber Wiens in die Opernhäuser und Konzertsäle des Ruhrgebiets. Heuer jedoch schon früher: Exakt zum 200. Geburtstag von Johann Strauß Sohn am 25. Oktober 2025 präsentierte das Aalto Musiktheater in Essen die dreiaktige Operette „Wiener Blut“, die als Koproduktion mit dem Festival „Johann Strauss Wien 2025“ zuvor am 10. August 2025 im Schlosstheater Schönbrunn Premiere gefeiert hatte.

Vom Würstl zum Womanizer

Darin kehrt die lebenslustige Wiener Gräfin Gabriele (die Sopranistin Raffaela Lintl als Gast), die ihrem Langweiler von Gatten, dem Grafen Balduin Zedlau (der Wiener Tenor Clemens Kerschbaumer als Gast), den Rücken gekehrt hatte, in die Villa des Gesandten von Reuß-Schleiz-Greiz zurück. Denn erstens ist die Donaumetropole gerade der Nabel der Welt und zweitens hat sich ihr „Wiener Würstl“ inzwischen zu einem Gesellschaftslöwen entwickelt mit der attraktiven Franziska „Franzi“ Cagliari (die Aalto-Sopranistin Natalia Labourdette), Tänzerin am Kärntnertor-Theater, an seiner Seite.

„Dringende Akten legt man ab, bis sie nicht mehr dringend sind“: Graf Balduin hat das vielbesungene und bei ihm bisher vermisste Wiener Blut geradezu überschüssig in seinen Adern, macht er doch auch der Modesalon-Probiermamsell Pepi Pleininger (Aalto-Sopranistin KS. Christina Clark) heftig den Hof, allerdings ohne zu wissen, dass sein „süßes Zuckertäubelein“ die Freundin seines geplagten Kammerdieners Josef („Mein Herr ist ein Gesandter, aber ich bin ein Geschickter“: der wunderbare Wiener Schauspieler Boris Eder) ist.

Als mit dem Fürsten von Ypsheim-Gindelbach (der Bariton Stefan Stoll als Gast) der Premierminister von Reuß-Schleiz-Greiz und damit Graf Balduins Chef in Wien auftaucht, nicht zuletzt, um nach dem Rechten zu sehen und preußische Tugenden einzufordern, beginnt ein turbulentes erotisches Verwechslungsspiel.

Begnadete Komödianten Eder und Zach

Bei dem auch Fürst Mitrowski (der Aalto-Tenor Albrecht Kludszuweit) als Gastgeber eines Kostümballs und der Ringelspiel-Besitzer Kagler (der gebürtige Wiener Franz-Xaver Zach, als begnadeter Komödiant im Bochumer Peymann-Ensemble ein immer wieder gern gesehener Gast im Revier) als Franzis stolzer Vater mitmischen und das zünftig beim Heurigen in Hietzing seinen naturgemäß glücklichen Ausgang findet.

Franzis stolzer Vater (Franz-Xaver Zach) bringt beim Heurigen in Hietzing einiges durcheinander, im Hintergrund Mitglieder des Aalto Balletts.

Mit seiner letzten, posthum am 26. Oktober 1899 im Carltheater Wien uraufgeführten Operette und deren lustvoller (Tanz- und Konzert-) Musik setzte der Wiener Walzerkönig Johann Strauß seiner Heimatstadt ein klingendes Denkmal.

Ungewöhnliche Weise

Knapp 30 Walzer, (Schnell-) Polkas, Tänze und Märsche wurden 1899 von Adolf Müller, dem damaligen Kapellmeisters des Theaters an der Wien, zu einer Partitur geformt, nach der das bewährte Duo Viktor Léon und Leo Stein ein Libretto verfasste. Auf so ungewöhnliche Weise entstand eine höchst unterhaltsame Pasticcio-Operette mit unsterblichen Melodien wie „An der schönen blauen Donau“ und „Draußt in Hietzing gibt’s a Remasuri“.

In der grandios-opulenten Ausstattung von Heike Vollmer (Showtreppe im ersten und das gespiegelte Barockjuwel Schlosstheater Schönbrunn im zweiten Akt) und Denise Heschl (berauschende Kostüme) inszeniert der österreichische Regisseur, Puppenspieler und Kunstpfeifers Nikolaus Habjan, der bereits im Frühjahr dieses Jahres als Erzähler durch die Aufführung von „Der Karneval in Rom“ im Aalto geführt hat.

Meiner Seel‘ (um mit Hubert von Goisern zu sprechen): Die dreistündige Hetz‘ beginnt bereits im Prolog mitten im Publikum und setzt sich mit aktuellen Extempores („Die Fiakerfahrer sind das Problem im Stadtbild“) fort. Die übrigens auf Johann Nestroy zurückgehen, der mit solchen improvisierten Einlagen der Metternichschen Zensur zur Zeit des Wiener Kongresses ein Schnippchen schlug.

Satirische Spitzen und pointierte Bonmots

„Österreicher in der deutschen Politik – das werden wir in hundert Jahren nicht zulassen“, so der Reußsche Fürst. Statt des Schönbrunner Puppenspiels punktet die Essener Version der Inszenierung des dreifachen „Nestroy“-Preisträgers, dem österreichischen Pendant zum deutschen Theaterpreis „Der Faust“, mit satirischen Spitzen und pointierten Bonmots („Schicht im Schacht“).

Unter der sehr sängerdienlichen musikalischen Leitung des auch darstellerisch gefragten 1. Koordinierten Kapellmeisters am Aalto-Theater, Tommaso Turchetta, entpuppt sich „Wiener Blut“ als schwungvolle Unterhaltung ohne Risiko und Nebenwirkungen. Das richtige Narkotikum in unseren bewegten Zeiten wird übrigens auch an Silvester gegeben – Schnellentschlossene haben noch Chancen auf Karten.

Blaues Blut auf Abwegen

Am Rande: Das Haus Reuß ist keine Phantasiegeburt der Librettisten, sondern ein regierendes Herrschergeschlecht im Grenzgebiet der heutigen Bundesländer Thüringen, Sachsen und Bayern. Noch bis zur Novemberrevolution 1918 bestanden das Fürstentum Reuß der älteren Linie mit der Landeshauptstadt Greiz und das Fürstentum Reuß der jüngeren Linie mit der Landeshauptstadt Gera als souveräne Bundesstaaten des Deutschen Kaiserreichs.

Das Adelsgeschlecht war jüngst in die Schlagzeilen geraten, als der einer Reuß-Köstritz genannten nicht-regierenden Nebenlinie entstammende, 1951 geborene Dipl.-Ingenieur und Immobilienunternehmer Heinrich XIII. Prinz Reuß im Dezember 2022 verhaftet wurde unter dem Vorwurf, als führendes Mitglied der „Patriotische Union“ mit Reichsbürgern und QAnon-Anhängern einen gewaltsamen Umsturz zu planen.

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Karten unter theater-essen.de oder Tel. 0201 81 22-200. Die weiteren Vorstellungen (Einführung jeweils 45 Minuten vor der Vorstellung):

  • Sonntag, 2. November 2025, 18 Uhr
  • Mittwoch, 5. November 2025, 19.30 Uhr
  • Sonntag, 9. November 2025, 18 Uhr
  • Donnerstag, 13. November 2025, 19.30 Uhr
  • Samstag. 22. November 2025, 18 Uhr
  • Montag, 29. Dezember 2025, 18 Uhr
  • Mittwoch, 31. Dezember 2025, 18 Uhr
  • Freitag, 2. Januar 2026, 19.30 Uhr
  • Sonntag, 11. Januar 2026, 16.30 Uhr
  • Blaue Stunde am Montag, 15. Dezember 2025 um 19.30 Uhr im Aalto-Foyer
Dezember
15
Montag
Montag, 15. Dezember 2025, um 19:30 Uhr Aalto-Musiktheater, Opernplatz 10, 45128 Essen Karten unter theater-essen.de oder Tel. 0201 81 22-200
Weitere Termine (4) anzeigen...
  • Montag, 29. Dezember 2025, um 18 Uhr
  • Mittwoch, 31. Dezember 2025, um 18 Uhr
  • Freitag, 2. Januar 2026, um 19:30 Uhr
  • Sonntag, 11. Januar 2026, um 16:30 Uhr
Vergangene Termine (5) anzeigen...
  • Sonntag, 2. November 2025, um 18 Uhr
  • Mittwoch, 5. November 2025, um 19:30 Uhr
  • Sonntag, 9. November 2025, um 18 Uhr
  • Donnerstag, 13. November 2025, um 19:30 Uhr
  • Samstag, 22. November 2025, um 18 Uhr
Montag, 27. Oktober 2025 | Autor: Pitt Herrmann