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Hannes (Mike Kühne) und Ralle (Mario Thomanek) lieben es, wenn die Busfahrerin Kathrin Stocklosa (Franziska Ferrari) an ihrer Endstation Pause macht.

Lost in Brandenburg

Warten auf’n Bus im Kulturzentrum

„Ich bin seit zwanzig Jahren Vergangenheitsform“: Für den Endvierziger Ralf „Ralle“ Paschke (Mario Thomanek), nach der Wende „freigesetzter“ Ingenieur im Braunkohle-Tagebau, ist das Wartehäuschen am Wendeplatz Bindow, der Endhaltestelle einer Überlandbuslinie irgendwo im Nirgendwo Brandenburgs, auch im wahren Leben die Endstation. „Die Zukunft ist jetzt ein Baggersee“ sagt Ralle und meint seinen inzwischen gefluteten einstigen Arbeitsplatz. Freilich würde er gern noch einmal seinen Sohn sehen, der bei seiner „Ex“ lebt.

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Auch Johannes „Hannes“ Ackermann (Mike Kühne), sein gleichaltriger Kumpel seit frühester Jugend, ist inzwischen frühinvalid und arbeitslos. Der gelernte Zimmermann war wegen Schwindelgefühlen rasch wieder auf dem Boden gelandet in einer kurz „LPG“ genannten Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft, die aber die deutsch-deutsche „Wende“ nicht überstanden hat. Hannes, immerhin noch Hobby-Imker, nennt Ralle ein „Google-Frettchen“, weil dieser über eine eigene Website verfügt, die er regelmäßig mit Smartphone-Selfies füttert: „Die Welt weiß jetzt: Ralle war da.“

Beste Freunde, seit sie noch gemeinsam zur Arbeit, in die Stadt und sogar in den Urlaub fuhren: Ralle (Mario Thomanek) und Hannes (Mike Kühne).

Im Grunde seines Herzens macht Ralle, dessen Aufdruck „I’m a Marxist“ auf seinem roten T-Shirt ihn nicht als DDR-Nostalgiker ausweist, sondern als Fan der Marx-Brothers (hintergründig-witzige Ausstattung: Jeremias H. Vondrlik), den ganzen Social-Media-Kram aber nur, um so attraktiven wie burschikosen, aus dem heute polnischen Posen (Poznan) stammenden Busfahrerin Kathrin Stoklosa (Franziska Ferrari alternierend mit Thyra Uhde) zu imponieren. Die täglich auf ein oder zwei Pausen-Zigaretten im zugigen Wohnzimmer der bei Dosenbier über Gott und die Welt sinnierenden Vollzeit-Philosophen und ihrem wuscheligen Hund Maik (großartig: der Regieassistent Marvin Moers) vorbeischaut und all‘ ihrem Denken eine gewisse romantische Note verleiht, obwohl sie sich stets allzu kurz angebunden gibt…

Von „Warten auf‘n Bus“, der zuerst für die ARD-Mediathek produzierten Serie des Rundfunks Berlin-Bandenburg (rbb) von Oliver Bukowski aus den Jahren 2020 (1. Staffel, Regie Dirk Kummer) und 2021 (2. Staffel, Regie Fabian Möhrke), gibt es bisher 15 Episoden mit den Protagonisten Felix Kramer (Ralle), Roland Zehrfeld (Hannes) und Jördis Triebel (Kathrin). Sie lebt analog zu anderen deutschen Kultserien wie „Der Tatortreiniger“ oder „Dittsche“ vom minimalistischen Setting (Wartehäuschen mit Buslinien-Schild und Streugut-Box für den Winterdienst). Von auf den ersten Blick skurrilen, sich hier selbst als zur Besichtigung freigegebene „Quastenflosser“ bezeichnenden Figuren, die in der Walachei gestrandet sind, ohne sich aufzugeben. Und nicht zuletzt von der wortmächtig-bilderreichen Sprache mit abgrundtiefen Kalenderspruch-Weisheiten, die Oliver Bukowski seinen Protagonisten in den Mund legt, von auf den Punkt genauen Wortschöpfungen („Fascho-Tourette“, „Charlottenburger Hipster“) und sehr selbstironischem Humor.

Dramaturg Christian Scholze und Regisseur Ralf Ebeling haben für ihre Dramatisierung am Westfälischen Landestheater drei Episoden Oliver Bukowskis aus der ersten Staffel gewählt: Auf den Einstieg („Gefälle“) folgen „Irgendwie dazwischen“ und „Zeitzeugen“. Um nicht zu viel zu spoilern: Simone Schuster spielt in der Episode 3 die einst „glühend rote“ Klassenkameradin Ines Katschlowski aus der nach dem sowjetischen Kosmonauten Juri Gagarin benannten Polytechnischen Oberschule, die plötzlich im Burka und mit einem Baseballschläger vor Ralle und Hannes steht. Und in der Episode 6 eine total ahnungslose Besserwessi, Hannes‘ Nichte Meike, die in „Dunkeldeutschland“ zusammen mit Kameramann Jan Schneider (Marvin Moers) versucht, eine Ossi-Heldengeschichte zu drehen: „Ich will Power in der Pampa!“

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In seiner neunzigminütigen Inszenierung hat Ralf Ebeling aus dem Korsett der vorgegebenen TV-Serie das Beste gemacht. Ein Running gag sei verraten: Seitenwechsel im Wartehäuschen mit Bierdosen-Tausch (hier naturgemäß Krombacher statt Berliner Pilsner) zwischen Ralle und Hannes. Am Mittwoch, 22. Februar 2023, gastiert „Warten auf’n Bus“ um 19:30 Uhr im Herner Kulturzentrum.

Die nächsten Vorstellungen

  • Sonntag, 5. Februar 2023, 18 Uhr, im WLT-Studio Castrop-Rauxel
  • Montag, 6. Februar 2023, 20 Uhr, im WLT-Studio Castrop-Rauxel
  • Dienstag, 7. Februar 2023, 20 Uhr, im WLT-Studio Castrop-Rauxel
Vergangene Termine (3) anzeigen...
  • Sonntag, 5. Februar 2023, um 18 Uhr
  • Montag, 6. Februar 2023, um 20 Uhr
  • Dienstag, 7. Februar 2023, um 20 Uhr
Vergangene Termine (1) anzeigen...
  • Mittwoch, 22. Februar 2023, um 19:30 Uhr
| Autor: Pitt Herrmann