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Das Prinz-Regent-Theater Bochum bereitet sich auf den Spielzeitbeginn unter Corona-Bedingungen vor.

kainkollektiv eröffnet Prinz-Regent-Spielzeit

Warten auf Prospero

Am kommenden Freitag, 11. September 2020, eröffnet das Prinz-Regent-Theater Bochum die Spielzeit mit „Sturm!“, einer etwas anderen Inszenierung des Shakespeare-Klassikers in der Regie von „kainkollektiv". Während die Premiere bereits ausverkauft ist, gibt es für Schnellentschlossene noch Karten für die Folgevorstellungen an der Prinz-Regent-Straße im Bochumer Süden.

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Was geschieht, wenn der von seinem intriganten Bruder vertriebene Herzog von Mailand, Prospero, seine Taten in „Der Sturm“ nicht mehr verantworten kann? Was denkt der Schauspieler, der Prospero spielen soll, wenn er mit den epochalen gesellschaftlichen und ökologischen Entwicklungen der jüngsten Zeit – Black Lives Matter, CoVid-19, Klimakrise – konfrontiert wird? Welche Rolle in dem Drama William Shakespeares soll einer kamerunischen Schauspielerin zukommen, in diesem Werk, in dem es nur eine Frau gibt, die mundtot und minderjährig zwangsverheiratet wird, in dem alle Indigenen als Ungeheuer oder Sklaven oder beides gezeichnet werden?

In dieser von Umwälzungen geprägten Gegenwart, in der viele literarische Werke wegen möglicher rassistischer Inhalte auf dem Prüfstand sind, kommen die Werke des Elisabethaners vergleichsweise glimpflich davon. Seine mehr als 400 Jahre alten Stücke vertreten jedoch zwangsläufig eine veraltete, patriarchalische und europa-zentristische Weltsicht. Nicht nur „Der Kaufmann von Venedig“ oder „Othello, der Mohr von Venedig“ müssen mit jeder Neuinszenierung auf diese Problematik hin untersucht werden, auch Shakespeares letztes Theaterstück, „Der Sturm“, bedarf dieser besonderen kritischen Betrachtung. Viele Bestandteile dieses Fünfakters, der als Komödie gilt, müssen aus der Gegenwartsperspektive deutlich hinterfragt werden, etwa die Taten der Hauptfigur Prospero: Ein vertriebener europäischer Herrscher reißt in seiner neuen Heimat - eine nicht näher benannte Insel vor der Küste Algeriens - die Macht an sich. Mit Hilfe der so genannten „weißen Magie“ versklavt er unter Gewaltanwendung die einheimische Bevölkerung.

Die Arbeiten des in Bochum beheimatete, aber beinahe weltweit tätigen Regieduos „kainkollektiv“ setzen sich schwerpunktmäßig mit dem Erbe des Post-Kolonialismus auseinander. Ihre international besetzten Produktionen entstehen aus der kritischen Betrachtung der Moderne auf Grundlage akribischer Recherchen und unter Einbeziehung der Biographien und privaten Erfahrungen ihrer Beteiligten. Darin ist ihre neue Produktion, „Sturm!“, keine Ausnahme. Die beiden Protagonisten Edith Voges Nana Tchuinang und Alexander Steindorf arbeiten erstmals am PRT. Ihre Erlebnisse – seien es die einer Kamerunerin in Europa oder die eines Teenagers in Weimar unmittelbar vor der Wende – verweben sich mit dem betont heutigen Blick auf die Schlüsselszenen aus dem Stück.

„kainkollektiv“ arbeitet traditionell mit visuellen und akustischen Mitteln performativ, hier dabei der Live-Musiker Rasmus Nordholt, der mit seinem Instrumentarium aus E-Gitarre, Elektronik und Samples einen ebenso wandlungsreichen Bühnenzauber schaffen will wie die Videokünstler Edith Voges Nana Tchuinang und Nils Voges, die mit Motiven der Verwandlung und Identität spielen in der Ausstattung von Clara Eigeldinger und PRT-Intendant Hans Dreher.

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Die Vorstellungen dauern rund 90 Minuten und haben coronabedingt keine Pause. Karten gibt es noch für die Folgevorstellungen am 12. und 13. September sowie am 2. und 3. Oktober 2020 unter Tel 0234 - 77 11 17 9 oder über die Homepage.

| Autor: Pitt Herrmann