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Trügerische Idylle im Waldviertel: Manuel Rubey, Lena Tronina (hinten), Marcel Mohab und Aenne Schwarz.

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Waren einmal Revoluzzer

15 tote Kröten durch Geschirrspülmaschinen-Tabs im Teich: Helene (Julia Jentsch) hat es als Wiener Richterin auch mit skurrilen Fällen wie diesem Streit unter Nachbarn zu tun. Aber nicht nur beruflich alles im Griff: Mit ihren beiden Kindern Hilde (Ronja Nolz) und Paula (Luise Nolz) sowie ihrem Freund Jakob (Manuel Rubey) bewohnt die gerade vierzig Jahre jung gewordene Powerfrau eine helle und geräumige Altbauwohnung in der österreichischen Hauptstadt. Und besitzt im idyllischen Waldviertel-Ort Plank am Kamp (gedreht wurde u.a. in Gars am Kamp und dem Weinort Langenlois) ein Wochenendhäuschen, das zeitweise vor allem von Jakob genutzt wird. Der hatte mit „Rise up“ vor fünfzehn Jahren einen Riesenhit mit seiner gleichnamigen Gruppe, arbeitet seither aber erfolglos an neuen Songs und inzwischen nur noch an einem Revival des alten.

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Was Helenes alten Freund, den Psychotherapeuten Volker (Marcel Mohab), zu nicht ganz ernst gemeinten spöttischen Bemerkungen veranlasst. Der ist mit seiner jüngsten Eroberung, der zumindest vorübergehend mit Kindern im Museum arbeitenden Kunsthistorikerin Tina (Aenne Schwarz), so glücklich, dass er sie für die Liebe seines Lebens erklärt, Hochzeit diesmal nicht ausgeschlossen. Als Volker zu einem zweitägigen Seminar nach Moskau reist, gibt Helene ihm einen Briefumschlag mit tausend Euro Euro mit – für Pavel (Tambet Tuisk), ihren „Ex“ aus wilden alten Studententagen. Der im Untergrund lebende Dissident kann die Kohle sicherlich gut gebrauchen.

Helene (Julia Jentsch) wartet im Bahnhof von Plank am Kamp auf ihren Ex-Lover Pavel aus Moskau.

Volker, der sich im Flughafen schnell noch das von seinem Vater (kleine, feine Gastrolle: Josef Hader) geschriebene Buch „Ab jetzt ich“ kauft, ist nicht begeistert, könnte schließlich vom russischen Zoll erwischt und festgesetzt werden. Aber gelangt ohne Kontrolle in die Moskauer Metro, wo er von einem Unbekannten abgeholt und auf konspirativen Wegen in Pavels Wohnung geführt wird. Wo sich herausstellt, dass im Umschlag weit mehr als nur zehn Hunderter stecken. Nach einer durchzechten Nacht kündigt Volker an, für Pavel gefälschte Papiere besorgen zu wollen, damit er nach Österreich ausreisen kann.

Helene chauffiert Jakob in die Datsche und bringt die Kinder zu seinen Eltern (Eva Linder und Johannes Moder), um daheim sturmfrei zu haben. Doch dann steigt Pavel mit Gattin Eugenia (Lena Tronina) und Baby Vassili aus dem Zug – und sie muss mit der Couch vorliebnehmen. Während der ahnungslose Jakob lieber ein Gemüsebeet anlegt statt ein neues Lied zu schreiben zur Freude einer Nachbarin (Margit Holzhaider), die sich schon länger über das verwahrloste Grundstück aufgeregt hatte. Als Helene am nächsten Tag von der Arbeit kommt, ist ihre Wohnung mit Nicolai (Daniel Wagner) und anderen russischen Freunden Pavels bevölkert, während sich Klein-Vassili mit der Schallplattensammlung beschäftigt. Keine Frage, so geht’s nicht weiter: Helene stellt die Russen bei Volker und Tina ab. Und die kutschieren sie weiter in die Datsche – zum aus allen Wolken fallenden Jakob. Dessen Ruhe ist nun dahin, aber mit der so empathischen wie praktischen Tina hat er endlich eine Frau an seiner Seite, die ihm neuen Mut macht, zu sich selbst zu finden.

Pavel hat bisher verschwiegen, dass eigentlich seine Gattin Eugenia die von der Polizei per internationalem Haftbefehl gesuchte Dissidentin ist, die für eine Nicht-Regierungs-Organisation arbeitet. Helene ist klar, dass sie ihren gutdotierten Job verliert, wenn die Polizei dahinterkommt, dass sie Illegale beherbergt, die sich partout nicht den Einwanderungsbehörden stellen wollen. Alle treffen sich jetzt auf dem Dorf, Nachbar Karl (Alois Frank) schleppt Holz zum Verfeuern an und lädt die jungen Leute zum Dorffest ein. Für Helene ist die Aufregung zu groß, sie erleidet im Gerichtssaal eine Panikattacke…

Johanna Moder studierte Regie an der Filmakademie Wien. Während des Studiums war sie als Regieassistentin und Script bei diversen Spiel- und Dokumentarfilmen tätig. Ihr Abschlussfilm „High Performance“ erlebte beim Filmfestival Max Ophüls Preis 2014 seine Uraufführung und erhielt den Publikumspreis. In ihrem zweiten Spielfilm „Waren einmal Revoluzzer“, uraufgeführt am 29. September 2019 beim Int. Filmfestival Zürich und dort mit dem oekumenischen Filmpreis der Kirchen ausgezeichnet, wirft sie einen gut hundertminütigen Blick auf das schöne, privilegierte Leben einstiger Sozialromantiker, die, wenn es darauf ankommt, zu kleinbürgerliche Abwehrmechanismen greifen. „Hoffen wir auf die Gnade der Verdrängung“ gesteht Volker, während Jakob eine Flasche Barolo entkorkt…

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Bei der Deutschen Erstaufführung im Januar 2020 auf dem Saarbrücker Filmfestival Max-Ophüls-Preis gabs für Johanna Moders selbstironisches Porträt ihrer eigenen Generation, ihr Drehbuch entstand in Zusammenarbeit mit den Schauspielern Marcel Mohab und Manuel Rubey, den Preis für die beste Regie. „Waren einmal Revoluzzer“ ist jetzt in den deutschen Kinos gestartet und bei uns u.a. in der Galerie Cinema in Essen zu sehen.

| Autor: Pitt Herrmann