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Absolute Ausnahme-Künstlerin: Agnès Varda.

Hommage an eine große Filmemacherin

Varda par Agnès

Die Frau, die allein vor dem Publikum auf der Bühne eines wunderschönen, aus ihrer Perspektive gewaltig dimensionierten Opernhauses sitzt, ist zeitlebens eine phantastische Geschichtenerzählerin gewesen. Und ist es auch hier, im unfassbaren Alter von neunzig Jahren, die man ihr gar nicht abnehmen will. Und doch ist diese Agnès Varda im Jahre 1928 geboren - in Ixelles bei Brüssel, und aufgewachsen im südfranzösischen Sète. Obwohl sie sich am Ende dieses naturgemäß umjubelten Abends vor ausverkauftem Haus noch einen Museumsdirektor an die Seite holt, der freilich über die Rolle eines Stichwortgebers nicht hinauskommt, bleibt sie Alleinunterhalterin. Und das knapp zwei höchst unterhaltsame, da ungemein vielseitige Stunden lang.

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Agnès Varda ist zunächst einmal eine gelernte Fotografin, die naturgemäß Prominente in kunstvolles Licht setzte, sich im Grunde genommen aber für das Alltagsleben ihres unmittelbaren Pariser Wohnumfeldes genauso interessiert hat wie für chinesische Arbeitssklaven. Nach dem Studium der Literatur, Psychologie, Kunstgeschichte und Philosophie an der Sorbonne und an der École du Louvre in Paris absolviert sie eine Ausbildung zur Fotografin und arbeitet als Theaterfotografin und als Fotoreporterin.

Erst viel später wird Agnès Varda eine Filmemacherin, die heute als Wegbereiterin der Nouvelle Vague weit über Frankreich hinaus verehrt wird: Nachdem sie 1954 eine eigene Filmproduktionsgesellschaft gegründet hat, realisiert sie im Jahr darauf - als Autodidaktin – mit geringem Budget ihr Spielfilmdebüt „La Pointe Courte“. Im folgenden Jahrzehnt wird sie zu einer wichtigen Protagonistinnen der „Neue Welle“ genannten cineastische Schule, die sich an Vorbilder wie Alfred Hitchcock oder Jean Renoir orientierte und vom Regisseur fordert, sich an allen Schritten der Filmproduktion zu beteiligen und einen persönlichen Stil entwickeln.

1967 ist sie u.a. neben Jean-Luc Godard an der Dokumentation „Fern von Vietnam“, zwei Jahre später entsteht „Lions Love“ mit Andy Warhol und Jim Morrison. Vardas filmisches Schaffen umfasst dutzende Dokumentar-, Spiel- und Kurzfilme und reicht über sieben Jahrzehnte. Im Laufe ihrer Karriere ist sie mit Preisen und Ehrungen überschüttet worden. So erhielt sie für ihr Lebenswerk den Ehren-Oscar, den Ehren-César, den Ehren-Leoparden des Filmfestivals von Locarno, den Europäischen Filmpreis und die Palme d’honneur des Festivals von Cannes.

Agnès Varda und ihr Kamerateam François Décréau, Claire Duguet und Julia Fabry.

2003 beginnt Agnès Varda eine weitere Karriere als bildende Künstlerin. Ihre Multimedia-Installationen werden auf der Biennale in Venedig gezeigt und von großen Sammlungen wie dem New Yorker Museum of Modern Art angekauft. All' dies bringt eine Neunzigjährige wie selbstverständlich unter einen Hut: Varda gibt eher assoziativ als chronologisch Einblicke in ihr offenbar unerschöpfliches kreatives Potential – verbunden mit sehr anschaulichen fotografischen und filmischen Belegen ihres Werks. In ihrer „analogen Zeit“ zwischen 1954 und 2000 steht die Film-Visionärin im Vordergrund: Eine junge Frau, die das Kino neu erfindet, die im Fiktionalen immer offen bleibt für den Zufall, für dokumentarische Momente. Und die mit jedem neuen Film auch einen neuen Erzählstil erfindet.

Im zweiten, die Jahre von 2000 bis 2018 umfassenden Teil offenbart Agnès Varda ihre Affinität zur neuen digitalen Technik, die ihr gerade im Dokumentarischen ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Es sind gänzlich unorthodoxe Bilderwelten, die sie in „Varda par Agnès“ präsentiert, der ursprünglich als TV-Zweiteiler geplanten Dokumentation, angereichert mit Filmausschnitten, alten Interviews und einigen extra gedrehten Sequenzen (Ko-Regie: Didier Rouget). Am 13. Februar 2019 feierte die 115minütige Kinofassung Uraufführung auf der Berlinale – in Anwesenheit Agnès Vardas. Dort spürte sie möglicherweise schon ihren nahen Abschied, als sie sagte: „Ich muss mich darauf vorbereiten, Adieu zu sagen.“ Sie verstarb einen Monat später, am 29. März 2019, in Paris im Alter von 90 Jahren an Krebs. Elf Tage zuvor, am 18. März 2019, hatte „Varda par Agnès“ als TV-Zweiteiler Premiere in Frankreich.

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Die knapp zweistündige Kinofassung ist jetzt bundesweit gestartet – ein faszinierendes Gesamtkunstwerk wie diese absolute Ausnahme-Künstlerin selbst. Bei uns zu sehen als sonntägliche Sektmatinee im Casablanca Bochum am 16. und 23. Februar 2020 jeweils um 13 Uhr.

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  • Sonntag, 16. Februar 2020, um 13 Uhr
  • Sonntag, 23. Februar 2020, um 13 Uhr
| Autor: Pitt Herrmann