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Wer ist der Profi, wer der Laie? Nicht zu unterscheiden bei Christian Weymayr als John Pearson und dem knochentrockenen Marco Fahrland-Jadue als Sensenmann.

… begeistert im Kleinen Theater Herne

'Täglich klopft der Sensenmann'

John Pearson (Christian Weymayr), ein Mann in den besten Jahren mit einem gut bestückten Barwagen in seiner Londoner (Dienst-) Wohnung, ist bei der Lektüre der Financial Times eingenickt. Er wird aus seinem bequemen Ledersessel aufgeschreckt durch die junge, attraktive Nachbarin Leslie (Carolin Rossow), die den gleichen Nachnamen trägt wie er, mit John aber weder verschwägert noch verschwistert – und schon gar nicht verheiratet ist.

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Das aus Suffolk stammende Ostküsten-Girl, die Betriebswirtschaft studiert, um einmal die Londoner Filiale der elterlichen Maßschneiderei zu übernehmen, hat für den Manager der Automobilzulieferbranche ein Paket angenommen, dass sie ihm auf den Beistelltisch stellt. Das „Landei“ lässt ihren Charme spielen, aber der hektische Bunburysierer gibt vor, einen dringenden beruflichen Termin wahrnehmen zu müssen und nestelt fahrig an seiner Krawatte.

Leslie Pearson (Carolin Rossow) und John Pearson (Christian Weymayr) sind kein Paar. Aber was nicht ist, kann ja noch werden in „Täglich klopft der Sensenmann.“

Dabei geht es seiner Firma, die Bauteile für Dieselmotoren herstellt, schlecht in diesen unseren Zeiten der E-Mobilität. Und außerdem: der Schwerenöter hält sich mit der gleichen Ausrede seine Gattin Charlett, die daheim auf ihn wartet, vom Hals, um sich an den seiner Geliebten Cindy, die altersmäßig seine Tochter sein könnte, werfen zu können. Bevor die Konversation der Nachbarn in Schwung kommt, klopft es vernehmlich an der Tür: der Sensenmann (Marco Fahrland-Jadue) behauptet, sich nicht in der Adresse geirrt zu haben.

Black. Alles auf Anfang. Leicht modifiziert versteht sich. John spricht von Déjà-vu, Leslie versteht nur Bahnhof. Beim dritten Anlauf nimmt er zu Leslies Verwirrung einige ihrer Redewendungen vorweg und modifiziert eigene Aussagen. „Ich bin in einer verfluchten Zeitschleife gefangen. Ich werde das Spiel boykottieren“: Beim vierten Anlauf, Charlett will inzwischen die Scheidung, macht der Tod Nägel mit Köpfen. Und doch geht die „bekackte Scheiße“ weiter und John resümiert: „Ich bin wach, aber ich lebe in einem Alptraum!“

Bis zur Pause muss John sechs Tode über sich ergehen lassen, danach immerhin nur noch zwei. Denn beim neunten Versuch scheint der Gevatter ein Einsehen zu haben und Pauls ehrlich-selbstkritische Bilanz des Scheiterns anzuerkennen. Der Schnitter taucht, zumindest im goldgerahmten Video, immer wieder auch in weiblicher Gestalt (Manu Kempin und Jessica Majchrzak) auf. Was sein weiches Gemüt unter harter Schale erklärt, obwohl es der „Chef“ gar nicht gern sieht, wenn er mit Klienten plaudert…

Nach gleich mehrfachen coronabedingten Verschiebungen konnte die schwarzhumorige Komödie „Täglich klopft der Sensenmann“ in der temporeichen, auf den Punkt getimten Inszenierung des Autors Freddy Sinclair (d.i. Christian Weymayr) am 5. Februar 2022 endlich über die runderneuerte Bühne des Kleinen Theater Herne gehen. Das nunmehr sechste Stück des Herner Wissenschaftsjournalisten Dr. Christian Weymayr ist zuerst in einer plattdeutschen Fassung von Wolfgang Binder herausgekommen – am 10. September 2021 durch die Speeldeel im Theater Itzehoe: „Dääglich kloppt Jan Klapperbeen“.

So blieb der „Hausbühne“ Weymayrs, der er seit 2011 als Schauspieler, Autor und Regisseur angehört, immerhin die hochdeutsche Erstaufführung. Naturgemäß restlos ausverkauft wie auch anderntags: trotz nagelneuer Lüftungsanlage werden derzeit nur dreißig statt der fünfzig möglichen Zuschauer in den mit neuester Technik ausgestatteten Saal gelassen. Damit sich alle Besucher wohl fühlen. Und nach neunzig Minuten (plus Pause) dem Darsteller-Trio wahre Ovationen darbringen: An der Seite Christian Weymayrs geben mit der 27-jährigen Sängerin, Tänzerin und Musical-Darstellerin Carolin Rossow und dem 42-jährigen diplomierten Musical-Darsteller Marco Fahrland-Jadue zwei Profis aus der Truppe Andreas Ziganns ihr umjubeltes kth-Debüt. Beide sind sehr kurzfristig eingesprungen und konnten vor der Premiere nur vier Proben binnen einer Woche absolvieren: Chapeau!

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„Täglich klopft der Sensenmann“ steht wieder am Sonntag, 13. Februar 2022, um 18 Uhr, am Freitag, 25. Februar 2022, um 20 Uhr, am Samstag, 26. Februar 2022, um 20 Uhr sowie am Samstag, 5. März 2022, um 20 Uhr auf dem Spielplan an der Neustraße 67. Karten sind mittwochs und freitags jeweils zwischen 17:30 und 19 Uhr an der Theaterkasse sowie online unter theater-herne.de erhältlich, dort sind demnächst auch die Aufführungstermine im April 2022 zu erfahren.

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  • Sonntag, 13. Februar 2022, um 18 Uhr
  • Freitag, 25. Februar 2022, um 20 Uhr
  • Samstag, 26. Februar 2022, um 20 Uhr
  • Samstag, 5. März 2022, um 20 Uhr
| Autor: Pitt Herrmann