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Haben Cola, Fanta und Sprite Corona?

Kolumne von Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey

Schwanger durch Zitroneneis

Ich liebe die „Süddeutsche Zeitung“. Sie ist unabhängig, seriös investigativ, publiziert ungewöhnlich perfekte Recherche ist trotzdem sehr aktuell und manchmal auch amüsant.

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Gestern brachte sie den Fall eines Politikers der rechtspopulistischen FPÖ, Michael Schnedlitz, Landwirt und Generalsekretär seiner Partei, der dem österreichischen Parlament die Sinnlosigkeit von Corona-Schnelltests beweisen wollte. Er hat im österreichischen Nationalrat am Donnerstag live ein Experiment durchgeführt. Er nahm einen Corona-Schnelltest und träufelte von einer Cola ein paar Tropfen darauf. Und siehe da, der Test reagierte positiv. Kurzfristig überschlug sich die Internet-Szene der Corona-Skeptiker im Rausch des Triumphes. Bauer Schnedlitz hatte bewiesen, dass die Schnelltests völlig sinnlos sind und die Massentestung in Österreich Steuergeldverschwendung ist, oder? Die rechte Szene konnte am Donnerstag ihr Glück kaum fassen, tausendfach teilten sie den Video-Clip im Internet, um den Test lächerlich zu machen. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Stephan Protschka schrieb: „Achtung! Könnte Ihr Weltbild verändern!“ Am Freitag teilte auch die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel das Video.

Ich weiß nicht, wie viele Abgeordnete des österreichischen Parlamentes vor so viel Dummheit die Hände vors Gesicht schlugen. Jedenfalls spottete bereits der nächste Redner, Alexander Melchior von der regierenden ÖVP: „Ich hatte die ganze Zeit gehofft, dass das keine Cola ist, sondern Bacardi-Cola. Das hätte dein Verhalten erklärt.“ Tatsächlich und ebenfalls tausendfach geteilt, zeigt das Video die Lächerlichkeit von der AfD und der FPÖ.

Die Erklärung, weshalb Tests auf spezifische Proteine auf „positiv“ frisiert werden können, ist simpel:

Die Schnelltests sind beschichtet mit Antikörpern. Diese suchen nicht nach Erbmaterial des Erregers, wie die PCR-Teste, sondern nach charakteristischen Eiweißen (Proteinen) der Kapsel des SARS-CoV-2-Virus. Die identifizieren sie als Antigen. Die Antikörper sind in einer lockeren chemischen Bindung an einen Farbstoff gebunden. Der wird nur sichtbar, wenn er frei wird, die chemische Bindung also geknackt wird. Trifft der Antikörper-Farbstoff-Komplex auf das SARS-CoV2-Virus in der Lösung des Rachenabstrichs, kommt es zu einer Reaktion mit Antigenen des Virus. Die verdrängen den Farbstoff aus der Bindung an die Antikörper. Dadurch werden die Farbpartikel sichtbar – der Streifen verfärbt sich.

Das passiert aber auch, wenn die Antikörper im Teststreifen durch irgendeine andere Substanz aus der Bindung an den Farbstoff entfernt werden. Mit Fanta und Sinalco funktioniert das ebenso gut wie mit Cola, es funktioniert auch mit Essig, Zitroneneis und sauren Drops.

Und eben das macht Cola: Sie hat einen ph-Wert von 2,5 und ist damit ziemlich sauer. Der Antikörper ist ein Protein, durch die Säure wird er angegriffen. Dadurch wird die Farbe sichtbar. Was zeigt also der Test des Politikers: Richtig, Cola knackt den Antikörper-Farbstoff-Komplex.

Wenn also Schnell-Getestete sich nicht unmittelbar vor dem Test eine Cola oder eine heiße Zitrone zu Gemüte geführt haben, müssen sie keinen falsch positiven Test fürchten. Sogar die Corona-Skeptiker müssen sich keine Sorgen machen. Auch wenn ihr initialer Triumph angesichts der banalen Auflösung der Experiments von Bauer Schnedlitz einer ausgeprägten Säuernis gewichen ist, dadurch wird der Test nicht positiv reagieren.

Das funktioniert übrigens auch mit einem Schwangerschaftstest. Wenn also eine Liebhaberin ihrem Galan vorgaukeln möchte, er habe sie geschwängert, braucht sie kein Pipi einer Schwangeren, es reicht ein Tropfen Zitronenlimonade.

Was sagt jetzt aber ein Schnelltest?

Man möchte wissen, sind Getestete infektiös oder sind sie ungefährlich. In der Abklingphase der Infektion ist die Konzentration an Viren im Rachen so gering, dass diese Menschen kein nennenswertes Risiko mehr darstellen. Es macht also Sinn, dass der Schnelltest in diesen Fällen nicht mehr positiv reagiert. Ein negativer Schnelltest heißt also nicht zwingend, dass die Person nicht infiziert ist. Bei einer geringen Viruslast spricht der Test eben nicht mehr an.

Schnellteste benötigen eine gewisse Menge an Virusmaterial, um eine Reaktion zu zeigen. So werden schnell Menschen gefunden, die ohne Symptome mit hoher Viruslast unterwegs und ansteckend sind. Infizierte sind bereits ein bis zwei Tage vor Symptombeginn ansteckend und somit für einen erheblichen Teil der Neuinfektionen verantwortlich. Mit den Schnelltests sollen solche Menschen häufiger gefunden werden. SARS-CoV 2 ist ja gerade deshalb so tückisch, weil gesund erscheinende Menschen das Virus weitertragen können. Ohne Symptome würde bei denen ein PCR-Test sonst nicht gemacht oder das Ergebnis würde zu lange auf sich warten lassen. Deshalb sind die Schnelltests besonders geeignet für den Einsatz in Arztpraxen, Rettungsstellen, Kindergärten, Schulen und besonders in Senioren- und Pflegeheimen.

Weil das chemische Milieu im Mund-Rachen-Bereich auch ohne Cola sauer reagieren kann, ist es nicht auszuschließen, dass von den positiven Testergebnissen der Antigen-Tests ein vergleichsweise hoher Anteil falsch-positiv reagiert. Das heißt, vermeintlich Infizierte können auch gesund sein. Wenn man ca. 30 Minuten vor dem Test sich den Mund mit klarem Wasser spült und danach keine sauren Drops mehr lutscht, ist die Wahrscheinlichkeit eines falsch positiven Tests jedoch gering. Trotzdem wird nach einem positiven Antigen-Test noch ein PCR-Test durchgeführt.

Fazit

  • Antigen-Tests werden Ansteckende mit großer Wahrscheinlichkeit finden. Die Treffsicherheit bei den seriösen Tests liegt bei ordnungsgemäßer Anwendung bei 95 – 99 Prozent.
  • Es werden keine positiven, also infektiöse Personen falsch negativ getestet.
  • Wenn der Test nicht anschlägt, ist man nicht ansteckend. Man könnte aber trotzdem infiziert sein aber nur noch eine sehr geringe Viruslast in sich tragen.
  • Die Durchführung der Teste durch medizinisches Fachpersonal erhöht die Treffsicherheit.
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| Autor: Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey
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