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Der lüsterne Herodias (Martin Homrich) umgarnt Prinzessin Salome (Susanne Serfling, vorne) in der gleichnamigen Aufführung am Musiktheater im Revier (MiR).

Der Prophet als Monster

'Salome' am Musiktheater im Revier

„Salome“, ein Stück am Musiktheater im Revier (MiR), spielt im Palast des Herodes (Martin Homrich) in Jerusalem zu Beginn unserer Zeitrechnung. Narraboth (Khanyiso Gwenxane), Hauptmann der Leibwache, hat mehr als nur ein Auge auf die schöne Prinzessin Salome (Susanne Serfling) geworfen, die am Festbankett des Herrschers teilnimmt. Aus der Zisterne erklingt die Stimme Jochanaans (Benedict Nelson als Johannes der Täufer): der Gefangene verkündet die Ankunft Christi.

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Von dieser Stimme ist Salome so erregt, dass sie den Eingekerkerten zu sehen wünscht. Jochanaans abweisende Haltung reizt Salome immer heftiger, sie begehrt seinen Körper – und Narraboth stürzt sich aus Verzweiflung darob ins eigene Schwert. Mit einem Fluch steigt der Christ in seinen unterirdischen Kerker zurück.

Der Tanz der sieben Schleier

Herodes erscheint samt Gefolge und fordert Salome auf, mit ihm zu trinken und für ihn zu tanzen. Sie ist erst dazu bereit, nachdem er unter Eid versichert hat, ihr jeden Wunsch zu erfüllen. Salome vollführt den Tanz der sieben Schleier – und fordert dafür den Kopf des Gefangenen. Nach langem Zögern willigt Herodes ein: Salomes Zwiesprache mit dem abgeschlagenen, auf einem Silbertablett präsentierten Haupt Jochanaans ist der gruselige Höhepunkt des Dramas. Von Grausen gepackt befiehlt Herodes, Salome zu töten…

Herodias (Martin Homrich, Mitte) schreitet bei der Gruppenvergewaltigung der Prinzessin Salome (Susanne Serfling) nicht ein.

Das skandalträchtige einaktige Musikdrama „Salome“ entstand nach Oscar Wildes 1901 erstmals in Deutschland gespielten Schauspiel gleichen Namens. Zwei Jahre später sah Richard Strauss, dem der Wiener Lyriker Anton Lindner das Stück hatte zukommen lassen mit der Bemerkung: „Das wäre ein Opernstoff für Sie“, die legendäre Max Reinhardt-Inszenierung mit der nicht minder legendären Gertrud Eysoldt in Berlin.

Uraufführung im Jahr 1905

Der Komponist war so begeistert, dass er ohne Unterbrechung sein erstes großes Meisterwerk für die Bühne komponierte – und gleichzeitig auch das Libretto schrieb. Ursprünglich vom Intendanten Gustav Mahler an der Wiener Hofoper geplant, fiel die Uraufführung der Zensur zum Opfer und fand dann am 9. Dezember 1905 am Königlichen Opernhaus Dresden statt.

Als das Gelsenkirchener Musiktheater im Revier noch unter „Schillertheater NRW“ in der Kooperation mit der Wuppertaler Oper firmierte, war „Salome“ u.a. mit Udo Holdorf, Adam Hollmann und Ruthild Engert zuletzt am Kennedyplatz herausgekommen in einer spannenden, das Publikum geradezu elektrisierenden Inszenierung des Altmeisters Günter Roth, die auf der Podestbühne Ottowerner Meyers am 2. Mai 1999 Premiere feierte: Johannes Wildner am Pult ließ die Neue Philharmonie Westfalen annähernd zwei Stunden wie entfesselt aufspielen.

Das „Salome“ musikalisch auch ganz anders möglich ist, nämlich geradezu zart jede Nuance herausarbeitend und die Gesangssolisten vorbildlich unterstützend, zeigt die Neuproduktion unter der musikalischen Leitung des Generalmusikdirektors Rasmus Baumann, die am Samstag (23.9.2023) im Großen Haus zu Recht stehend gefeiert worden ist. In einer abstrakt-artifiziellen Mond-Landschaft (Bühne: Julius Theodor Semmelmann) bilden schwüle Erotik im Zusammenspiel mit männlichem Machtanspruch sowie Ängste und düstere Ahnungen ein von der eifersüchtigen Gattin des Herrschers von Judäa, Herodias (Almuth Herbst), komplettiertes Beziehungsgeflecht.

Männer in Ganzkörperanzügen wie in Atomkraftwerken

Ausgangspunkt seiner hundertminütigen „Salome“-Deutung ist für Regisseur Manuel Schmitt („Die Perlenfischer“, „Otello“, „Krabat“) die Frage, wer oder was der biblische Prophet sein muss, um dessen mächtige Wirkung auf Salome, letztlich aber auch auf die ganze ihn fürchtende Gesellschaft zu entwickeln. Jochanaan wird von Schwerbewaffneten unserer Tage bewacht und von Männern in Ganzkörperanzügen, wie wir sie aus dem Innern von Kernkraftwerken kennen, aus dem Bühnenorkus heraufgeholt. Als handele es sich bei den Gitterstäben seines Kerkers um atomare Brennstäbe.

Er kommt warum auch immer als Trumm von Disney-Monster daher, umgeben von molluskenartigen Wesen. Ein Objekt der Begierde Salomes? Wohl eher eine schaurige Projektionsfläche für geheime Ängste und Begierden, die später beim Schleiertanz in einer Gruppenvergewaltigung gipfeln.

Genug von dieser unsinnigen Fantasy-Erzählung, lieber zurück zur Musik. Für die Titelrolle konnte die Sopranistin Susanne Serfling gewonnen werden, die nach einer Ballettausbildung an der Berliner Hochschule für Musik Hanns Eisler Gesang studierte. Als Gewinnerin des Bundeswettbewerbes für Gesang (2000) gastierte sie bereits während des Studiums an der Staatsoper Unter den Linden, der Komischen Oper und dem Konzerthaus Berlin.

MiR-Debütantin glänzte schon an anderen Standorten

Die gefeierte MiR-Debütantin glänzte zuletzt sowohl im italienischen als auch im hochdramatischen Fach bei den Salzburger Festspielen, an der Opera di Roma, am Nationaltheater Mannheim und der Deutschen Oper am Rhein. Seit zehn Jahren interpretiert – und tanzt - Susanne Serfling die Salome, nach Darmstadt, Magdeburg, Hagen, Detmold und dem Teatr Wielki in Warschau ist das MiR nun ihre sechste Rollen-Station.

Ebenfalls umjubelt ein neues Ensemblemitglied, der britische Bariton Benedict Nelson, der auch an der Nationaloper London, Wiener Staatsoper, im Teatro Real Madrid, bei den Salzburger Festspielen und in New York reüssierte. In Gelsenkirchen ist er zudem noch ab Februar 2024 im Opern-Doppelabend „Iolanta“ von Peter Tschaikowski und „Le Rossignol“ von Igor Strawinsky zu erleben. Die weiteren Vorstellungen:

  • Donnerstag, 28. September 2023, 19.30 Uhr
  • Samstag, 30. September 2023, 19 Uhr
  • Sonntag, 8. Oktober 2023, 18 Uhr
  • Freitag, 13. Oktober 2023, 19.30 Uhr
  • Sonntag, 15. Oktober 2023, 16 Uhr
  • Sonntag, 29. Oktober 2023, 18 Uhr
  • Mittwoch, 1. November 2023, 18 Uhr
  • Sonntag, 12. November 2023, 18 Uhr

Karten unter musiktheater-im-revier.de, an der Theaterkasse oder unter Tel. 0209 4097-200.

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  • Donnerstag, 28. September 2023, um 19:30 Uhr
  • Samstag, 30. September 2023, um 19 Uhr
  • Sonntag, 8. Oktober 2023, um 18 Uhr
  • Freitag, 13. Oktober 2023, um 19:30 Uhr
  • Sonntag, 15. Oktober 2023, um 16 Uhr
  • Sonntag, 29. Oktober 2023, um 18 Uhr
  • Mittwoch, 1. November 2023, um 18 Uhr
Dienstag, 26. September 2023 | Autor: Pitt Herrmann
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