
Kammerspiel mit Tim Roth und Trine Dyrholm
Poison – Eine Liebesgeschichte
Update, Donnerstag (13.2.2025)
Weiterhin zu sehen im Roxy Dortmund, im Casablanca Bochum, im Luna im Astra Essen sowie im Metropol Düsseldorf.
Der Kino-Text
Früher Morgen, es ist noch dunkel. Lucas (Tim Roth), der jetzt in Holland wohnt, besteigt sein Auto, um nach Luxemburg zu fahren. Genauer gesagt zum idyllisch am Ufer des Flusses Our gelegenen Friedhof unterhalb des malerischen Château de Vianden. Wo er sich erstmals nach neun Jahren mit seiner früheren Gattin Edith (Trine Dyrholm) treffen will, die zu diesem Zeitpunkt gerade erst die Augen aufgeschlagen hat. Mit dem Morgenkaffee befüllt sie den Futterteller für die Vögel im Garten.
Sie erreicht das Grab ihres Kindes mit dem Fahrrad als Erste. Und will sich heimlich davonschleichen, als er eintrifft. Betretene Stille, nervöse Befangenheit. Worüber sprechen, wenn man sich nach so langer Zeit wiederbegegnet? Über das Wetter, das geht immer. Und über die Blumenzwiebeln, die sie am Grab ihres gemeinsamen Sohnes Jacob zu pflanzen gedenkt. Obwohl dieses mit 200 weiteren Grabstellen verlegt werden soll, weil Gift im Boden gefunden worden ist. So steht es jedenfalls im Brief der Friedhofsverwaltung.
Tod in der Millennium-Nacht

Am 31. Dezember 1999, in der Millennium-Nacht, haben die beiden, durch einen zu schnell fahrenden Autolenker, erst ihren Sohn verloren und dann einander – und schließlich sich selbst. Nach Jacobs Beerdigung sind sie getrennte Wege gegangen, um das größte mögliche Unglück zu verarbeiten: Während er in den Niederlanden noch einmal von vorn begonnen und vor zweieinhalb Jahren mit der nun schwangeren Valerie eine neue Liebe gefunden hat, ist sie im gemeinsamen Haus in Vianden wohnen geblieben und hält weiterhin Kontakt zu seiner Mutter.
„Ich hasse Glück, ich hasse glückliche Menschen“: Sie hat sich ganz in ihrer Trauer eingekapselt. Jeder Gedanke an eine Veränderung ihrer äußeren Umstände bereitet ihr geradezu körperliche Schmerzen, obwohl sie sich sehr einsam fühlt. Und sich uneingestanden und heimlich nach einem Partner, nach „dem“ Partner sehnt, um mit ihm ihre Trauer zu teilen.
„Ich weiß nicht so recht, was ich sagen soll“: Edith ist so nervös, dass sie erst einmal auf die Toilette gehen muss. Wohin sie die Kamera Judith Kaufmanns verfolgt in der genrebedingten Notwendigkeit einer dauernden Bebilderung: bewusste Leerstellen dieses für die Bühne geschriebenen Kammerspiels lassen sich nicht auf die Leinwand übertragen.
Leiden macht süchtig
Aber Lucas, der ein neues Leben begonnen hat, ohne das bisherige zu löschen, ist kaum weniger unsicher. Als er es wagt, die Zurückgekehrte leicht zu berühren, kreischt diese laut auf: „Nicht anfassen!“ Edith, die mit Schlaftabletten und Schokolade zu kompensieren versucht, dass ihr Traum von einem Neuanfang mit Lucas unerfüllt bleiben wird, ist durchaus zur Selbsterkenntnis fähig: „Leiden macht süchtig. Dafür müsste es Entzugsanstalten geben.“ Sie ist darüber entsetzt, dass Lucas an einem Buch über den Unfall des Sohnes und die Folgen für ihre Ehe schreibt. Und resümiert bitter: „Was habe ich hieraus zu lernen? Nichts. Dass das Leben scheiße ist. Manchmal. Für manche Leute so richtig scheiße.“

In dem am 18. Dezember 2009 am Niederländischen Theater Gent durch den heutigen Bochumer Schauspielhaus-Intendanten Johan Simons uraufgeführten und inzwischen in der ganzen Welt gespielten Erfolgsstück „Gif“ („Gift. Eine Ehegeschichte“) der holländischen Theatermacherin Lot Vekemans geht es um den Versuch zweier Menschen, ihre Sprachlosigkeit, die Kluft, die der Schmerz über den Tod des Kindes gerissen hat, nach zehn Jahren zu überwinden. Und zumindest aus Sicht der Frau auch darum, Halt zu finden in gemeinsamer Erinnerung – und letztlich auch in körperlicher Annäherung. Weshalb sie es gewesen ist, die den nur scheinbar von der Behörde verfassten Brief geschrieben hat...
Attraktives Setting
Die Regisseurin Désirée Nosbusch hat das kammerspielartige Geschehen in eine Unesco-Welterberegion ihrer Heimat Luxemburg verlegt. Das attraktive Setting kommt freilich an das unmittelbare, unter die Haut gehende Live-Erlebnis eines Zwei-Personen-Stücks, etwa Heike M. Götzes Bochumer Inszenierung 2015 mit Dietmar Bär und Bettina Engelhardt, nicht heran. Die Emotionen beider Protagonisten verhallen im Raum der Friedhofskapelle.
Andererseits erfindet die abwechselnd in Luxemburg und Berlin lebende Regisseurin intime Szenen wie den Rückblick auf ein gemeinsames Orgelspiel, einen Spaziergang hinauf zur Burg oder ein Unterschlüpfen vor einem Regenschauer in seinem Auto bei Wein und Käse. Zur finalen Umarmung fokussiert die Kamera auf einen Vogelzug am Himmel – das Leben geht weiter.
Désirée Nosbusch auf Kinotour
Das 90-minütige Drama ist vom 31. Januar bis 9. März 2022 in Vianden gedreht, aber erst am 5. Juli 2024 beim 41. Filmfest München uraufgeführt worden. Zum Kinostart am 30. Januar 2025 läuft „Poison – Eine Liebesgeschichte“ im Metropolis Bochum und im Metropol Düsseldorf. Zusätzlich promotet Désirée Nosbusch ihren ersten Spielfilm auf einer Kinotour mit folgenden Stationen in unserer Region: Donnerstag, 6. Februar 2025, um 17:45 Uhr im Metropol Düsseldorf, Freitag, 7. Februar 2025, um 18 Uhr im Casablanca Bochum sowie am gleichen Tag um 20:15 Uhr im Astra Essen.