
Dauerbrenner am Rottstr 5 Theater Bochum
'Odyssee' nach Homer
„Voyage Voyage“ klingt es unter den Eisenbahnbögen an der Bochumer Rottstraße nun schon im neunten Jahr. Daniel Kunzes hochspannende, das Darstellerquartett wie das Publikum über achtzig Minuten fordernde Inszenierung seiner Adaption von Homers „Odyssee“ ist ebenso ein Evergreen wie der von Dominique Albert Dubois und Jean-Michel Rivat geschriebene und von der französischen Sängerin Desireless gesungene Hit aus dem Jahr 1986.
Abenteuerliche Irrfahrt
Nach dem Sieg der Griechen über Troja bricht Odysseus zusammen mit Agamemnon per Schiff nach Hause auf, doch die Götter entscheiden anders: Winde, Gewitter und Stürme treiben die Flotte auseinander. Das 24 Bücher umfassende Homersche Epos „Odyssee“ besingt in 12.200 Hexameterversen die abenteuerlichen Irrfahrten und die glückliche Wiederkehr des Helden Odysseus nach Ithaka zur treuen Gemahlin Penelope.
Das fast zwanzig Jahre währende Abenteuer samt blutigem Ende in nuce: Der Titel-„Held“ durchschreitet mit seinen Mannen die tiefsten menschlichen Fantasien. Sie kosten von der Frucht, die alle Sorgen vergessen lassen, werden in Tiere verwandelt, begegnen in seiner Höhle dem Zyklopen und im Hades den Toten, treffen die Hexe Kirke auf einer Insel und schreien in tosenden Stürmen gegen die Willkür der Götter.

Versöhnung nach Blutbad
Die untereinander streiten und so das Martyrium der Griechen noch verlängern. Athene rät Odysseus, die daheim seine Gattin umlagernden Freier zu töten. Mit Hilfe seines gleichzeitig zurückkehrenden Sohnes Telemachos, der die Waffen der Gegner fortschafft, hält er blutiges Gericht, nachdem er die „Bogenprobe“ gewonnen und mit dem zweiten Pfeil seinen ärgsten Widersacher Antinoos niedergestreckt hat. Am Ende steht, zumindest bei Homer, die Versöhnung mit Penelope.
Nebelschwaden wabern durch den Raum, die vier Schauspieler wühlen im Dreck – und das nicht nur metaphorisch. Kleine Hügel formen sie aus der Erde, mit der der ganze Bühnenraum bedeckt ist, auch eine Art Wall, aber wie die Flut die Sandburgen an der Küste zerstört, so müssen sie wie Sisyphos immer wieder von Neuem beginnen. Die Adaption und Inszenierung des damaligen Folkwang-Regiestudenten Daniel Kunze, der auch für die Ausstattung und die besonderer Raum-Atmosphäre verantwortliche gebürtige Österreicher arbeitet heute im ganzen deutschsprachigen Raum, erzählt von der Irrfahrt und der leidvollen, da wahrscheinlich sinnlosen Suche des Menschen nach dem Sinn des Lebens.
Neuer Intendant in Moers
Ab der kommenden Spielzeit 2025/26 übernimmt Daniel Kunze zusammen mit Jakob Arnold die Intendanz am Schlosstheater Moers. Die Wiederaufnahme dieses wunderbar ironischen und dennoch Homer und seine Sprache Ernst nehmenden Repertoire-Dauerbrenners in der ursprünglichen Premieren-Besetzung vom 10. April 2016 war wie ein Klassentreffen, das die Verbundenheit der heute längst arrivierten Schauspieler zur führenden Off-Bühne des Ruhrgebietes unterstreicht: Der Folkwang-Absolvent und Odysseus-Darsteller Maximilian Pulst hat lange Zeit dem Ensemble des Staatstheaters Wiesbaden angehört und pendelt heute zwischen dem Staatstheater Nürnberg und der Wiener Burg.
Arrivierte Schauspieler
Der Kölner Tim-Fabian Hoffmann stand zuletzt auf den Brettern des Staatstheaters Ingolstadt und stand für die Sat 1-Daily „Für alle Fälle Familie“ vor der Kamera. Tobias Amoriello ist Absolvent der Ruhr-Universität Bochum, war als Gast auch am Prinz-Regent-Theater („Tatortreiniger“) zu erleben und gehört zum Ensemble des Leipziger Theaters der Jungen Welt. Lea Kallmeier schließlich, die alle weiblichen Rollen verkörpert, ist nach dem Physical Theater-Studium an der Folkwang Universität ihrer Geburtsstadt Bochum treu geblieben mit zahlreichen Engagements am Schauspielhaus und an der Rottstraße aber etwa auch am Armada-Theater Essen und am Gelsenkirchener Consol-Theater.
Wieder am 13. Juli 2025
Diese durch die unmittelbare Nähe des Publikums zum temperamentvollen, stets körperlich intensiven Spiel des Quartetts auch verstörende Produktion gehört zu den herausragenden Arbeiten der Intendanz von Hans Dreher, der gerade nach sieben Prinz-Regent-Jahren nach Münster verabschiedet worden ist, und Oliver Paolo Thomas, die Letzterer in seine Ära als Ko-Direktor von Alexander Ritter konserviert hat. Zum Glück für ein immer wieder ins Staunen versetzte – und zum Nachdenken animiertes Publikum, das wieder am Sonntag, 13. Juli 2025, um 19:30 Uhr Gelegenheit hat, „Odyssee nach Homer“ mit allen Sinnen zu erleben. Karten unter rottstr.de oder Tel 0163 – 7615071.