
Nur noch kurz im Kino: Die zwei Päpste
2005. Als der Deutsche Joseph Ratzinger (Anthony Hopkins) in Rom zum neuen Papst Benedikt XVI. ernannt wird, ist der argentinische Kardinal Jorge Mario Bergoglio (Jonathan Pryce) sein schärfster Konkurrent gewesen. Beide Persönlichkeiten stehen für konträre Ansichten über die Rolle des „Heiligen Stuhls“ in einer zunehmend säkularisierten Welt: Während der aus dem konservativen Bayern stammende Ratzinger als vehementer Verfechter der Tradition gilt, steht Bergoglio (als junger Jesuit unter der Knute der argentinischen Militärdiktatur: Juan Minujiu) für soziales und politisches Engagement auch außerhalb des unmittelbaren kirchlichen Raumes.
2012. Jorge Mario Bergoglio, inzwischen der Erzbischof von Buenos Aires, ist vom Zustand der katholischen Kirche nicht nur in Südamerika enttäuscht. Weshalb er beschließt, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen. In einem Schreiben bittet er Papst Benedikt XVI., seinen Rücktritt anzunehmen. Benedikt könnte erfreut darüber sein, einen seiner erbittertsten innerkirchlichen Kritiker loszuwerden. Stattdessen lädt er Bergoglio nach Italien ein: Zunächst auf seiner traditionellen Sommerresidenz Castel Gandolfo und dann im Vatikan sprechen die so unterschiedlichen Kirchenmänner über Tradition und Fortschritt, über Schuld und Vergebung – und vor allem über ihre persönliche Verantwortung für 1,2 Milliarden gläubiger Katholiken in aller Welt.
„Ich stimme mit gar nichts von dem überein, was Sie sagen!“: Der Auftakt der Gespräche ist nicht gerade vielversprechend. Es scheint keine Annäherung der Standpunkte möglich, von einem Konsens ganz zu schweigen. Aber dann bekundet Benedikt unter den Inkunabeln der Sixtinischen Kapelle, aus freien Stücken zurücktreten zu wollen – und sich vorstellen zu können, dass Bergoglio sein Nachfolger wird. Eine Ungeheuerlichkeit: „Auch Jesus stieg nicht vom Kreuz“ antwortet der geschockte Südamerikaner. Ein Rücktritt vom Amt des Stellvertreter Gottes auf Erden ist nicht vorgesehen und ist seit mehr als 700 Jahren auch nicht gewagt worden.
2013. Papst Benedikt XVI. tritt zurück und Jorge Mario Bergoglio wird vom Konklave als sein Nachfolger ernannt. Papst Franziskus I. ist seither das Oberhaupt der Katholiken und bemüht, diese Berufung zu nutzen um den Weg in eine neue, offenere Kirche zu bahnen. Mit vielen Rückschlägen wie wir heute wissen…
Der britische Drehbuchautor Anthony McCarten, ein Biopic-Spezialist („Die Entdeckung der Unendlichkeit“, „Die dunkelste Stunde“, „Bohemian Rhapsody“) und der brasilianische Regisseur Fernando Meirelles (Oscar für „City of God“) haben mit „Die zwei Päpste“ eine fiktive Begegnung der beiden Kirchenmänner zu einem Kammerspiel inszeniert, das aktuelle Themen wie Kindesmissbrauch, die Rolle der Frauen im seelsorgerischen Bereich und die Einheit der katholischen Weltkirche angesichts besonders in Europa wachsender ökumenischer Bestrebungen verhandelt. Dabei können sie vor allem auf die Qualitäten ihrer beiden aus Wales stammenden Hauptdarsteller Anthony Hopkins und Jonathan Pryce, von Kameramann Cesar Charlone („Der ewige Gärtner“) brillant ins Bild gerückt, bauen.
Anthony Hopkins („Westworld“) und Jonathan Pryce („Game of Thrones“) gehen in ihren Rollen geradezu auf. Neben ernsten, philosophischen Gesprächen bleibt viel Raum für witzige Szenen, etwa wenn sich beide Pizza bestellen zur Fußballübertragung oder gar Ratzingers Lieblings-TV-Serie „Kommissar Rex“ gemeinsam sehen. Und für Emotionen, wenn sich etwa im Salon in Castel Gandolfo der Deutsche, vom Argentinier ausdrücklich dazu ermuntert, ans Klavier setzt: Musik setzt Gefühle frei, überwindet noch die größten Differenzen. Am Ende haben beide, die soeben noch heftige Kontrahenten waren, feuchte Augen.
Das Netflix-Biopic „Die zwei Päpste“ ist am 31. August 2019 auf dem Telluride Filmfestival in den USA uraufgeführt worden. Nach einem kurzen Kinodurchlauf, in unserer Region derzeit in der Schauburg Dortmund zu sehen, kann der 126minütige Film ab 20. Dezember 2019 bei Netflix (seit jüngstem auch bei Magenta TV) gestreamt werden.