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Ulrich Thomsen und Nora Tschirner.

Bestseller-Verfilmung auch in Herne

Neu im Kino: Gut gegen Nordwind

„Sie sind bei mir falsch. Ich bin privat. Ich habe: woerter@leike.com. Sie wollen zu: woerter@like.com. Sie sind schon der Dritte, der bei mir abbestellen will. Das Heft muss wirklich schlecht geworden sein“: Ein verdrehter Buchstabe lässt eine E-Mail von Emma Rothner (Nora Tschirner) versehentlich bei Leo Leike (Alexander Fehling) landen. Der Linguist antwortet prompt. Sie beginnen einen witzigen, auch intellektuell fordernden und in immer kürzeren Abständen auch intimer werdenden E-Mail Dialog, wie man ihn in dieser unbekümmert-rücksichtslosen Offenheit wohl nur mit einem persönlich unbekannten Gegenüber führen kann. „Worte sind beides“, weiß Leo, „Maske und Enthüllung.“ Einige Wochen und viele gesendete und empfangene Nachrichten später wird daraus eine virtuelle Freundschaft.

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Leo und Emmi, wie der Sprachwissenschaftler seine Chat-Partnerin mit ihrer Zustimmung fortan nennt, beschließen, ihre Verbindung zunächst rein digital zu belassen als eine kleine Flucht vor dem Alltag, totale Anonymität und strengstes Google-Verbot inklusive. Denn Leo kommt einfach nicht von seiner Ex-Freundin Marlene (Claudia Eisinger) los, obwohl sie ihm gestanden hat, schon seit Wochen in eine Affäre mit einem spanischen Piloten verstrickt zu sein. Außerdem stellt ihm seine als Model arbeitende Schwester Adrienne (Ella Rumpf) aus dem Kreis ihrer höchst attraktiven Freundinnen die eine oder andere Alternative zu Marlene vor, der sich Leo aber stets zu erwehren weiß. Obwohl der Date mit Clara (Lisa Tomaschewsky) durchaus vielversprechend begann...

Andererseits ist Emmi mit dem um einiges älteren Bernhard (der dänische Charakterdarsteller Ulrich Thomsen) im Grunde glücklich verheiratet und trägt gern Verantwortung für seine beiden 16 und elf Jahre alten Kinder, die ihre leibliche Mutter durch einen Autounfall verloren haben. Dennoch: Die beiden vertrauen sich ihr Innerstes an und kommen sich auf dem schmalen Grat zwischen totaler Fremdheit und unverbindlicher Intimität immer näher. Zumal in seiner Familie gerade viel los ist: Erst trennen sich Leos Eltern, dann stirbt die Mutter an Krebs. Was den wortgewandten Hochschullehrer für eine Woche verstummen lässt und bei Emmi sogleich Entzugserscheinungen auslöst.

Immer dringender stellt sich die Frage, ob sie sich nicht doch mal von Angesicht zu Angesicht treffen sollten, denn die Schmetterlinge, die Leo und Emma mittlerweile jedes Mal im Bauch haben, wenn ihr E-Mail-Postfach mit einem Pling eine neue Nachricht ankündigt, sind ganz und gar nicht nur digital. Aber kann man sich tatsächlich nur durch Worte richtig verlieben? Und werden die gesendeten, empfangenen und gespeicherten Liebesgefühle einer Begegnung in der Realität standhalten? Und was, wenn ja? Im Messecafé Huber soll es sich entscheiden...

Wie verfilmt frau das Kopfkino eines E-Mail-Romans? Mit tollen und vor allem bekannten Protagonisten und mit einem frappant funktionierenden Kopfkino-Trick: in der ersten Hälfte des mit 122 Minuten bisweilen ausufernden Kammerspiels von Jane Ainscough (Buch) und Vanessa Jopp (Regie) sieht man nur Alexander Fehlings Leo, ins rechte Licht gerückt von Kameramann Sten Mende. Aber man hört die Stimme von Nora Tschirners Emma alias Emmi – und hat sogleich mit jeder Nuance ihr Bild vor Augen. Was sich in dieser aufregenden Intensität in der zweiten Film-Stunde mit umgekehrtem Vorzeichen naturgemäß nicht wiederholt. Dafür werden märchenhafte Elemente eingeführt, Traumsequenzen, Vorstellungen, wenn etwa Leo eine Verlängerungsschnur für Emmis Leselampe herbeizaubert – gegen den Nordwind an der Küste, der sie häufiger nicht schlafen lässt. Am Ende nimmt Leo einen neuen Job an einer Universität jenseits des Großen Teichs in Boston an – und Emmi ist sich ihrer selbst nicht mehr sicher...

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Gut gegen Nordwind, gedreht in Nordrhein-Westfalen und an der Nordseeküste Schleswig-Holsteins, kommt am Donnerstag (12.9.2019 in unsere Kinos und ist auch in der Filmwelt Herne zu sehen. Die Vorlage stammt vom 1960 in Wien geborenen Journalisten Daniel Glattauer, der jahrzehntelang für die führenden österreichischen Qualitätszeitungen „Die Presse“ und „Der Standard“ Kolumnen, Gerichtsreportagen und Feuilletons verfasste, bis ihm mit den E-Mail-Romanen Gut gegen Nordwind (2006) mit bisher 2,5 Millionen verkauften Exemplaren und Alle sieben Wellen (2009) Bestseller gelangen, die in 40 Sprachen übersetzt wurden.

| Quelle: Pitt Herrmann