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Bernadette (Cate Blanchett) und ihre Tochter Bee (Emma Nelson).

Cate Blanchett in der Midlife Crisis

Neu im Kino: Bernadette

Bernadette Fox (mit strenger Bob-Frisur und gewaltiger Sonnenbrille: Cate Blanchett) steckt mitten in der Midlife Crisis. Die einstige preisgekrönte Star-Architektin aus Los Angeles ist so chaotisch wie exzentrisch. Aber auch hypersensibel – und schläft schlecht. Was sie dann in der Apotheke nachholt. Bernadette hat ihrer Familie alles untergeordnet, nicht zuletzt ihren Beruf. Sie ist nach Seattle gezogen, wo ihr Gatte Elgie Branch (Billy Crudup) als IT-Manager bei Microsoft Karriere gemacht hat. Mit ihm und der 15-jährigen Tochter Bee Branch (die erst 13-jährige Newcomerin Emma Nelson fungiert auch als Ich-Erzählerin) lebt sie in einer dringend renovierungsbedürftigen viktorianischen Villa, eingekapselt von einer wild wuchernden Brombeerhecke.

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Bernadette, die nach Jahren der Fürsorge für ihre Familie dringend Zeit für sich benötigt, ist so gnadenlos gegen sich selbst wie gegen die Umwelt. Die aus der Upper Class Seattles besteht, angeführt von ihrer peniblen Nachbarin Audrey (Kristen Wiig), einer Ordnungsfanatikerin. Als Bernadette den jungen Tom (Patrick Sebes) damit beauftragt, die ausufernden Büsche zu lichten, kommt es zur Katastrophe: der Gärtner sorgt für einen veritablen Erdrutsch, der das Haus der Nachbarin ins Wanken bringt und jedenfalls die dort feiernde Partygesellschaft in die Flucht treibt. Was Elgie sogleich brühwarm von seiner Assistentin Soo-Linn (Zoe Chao), die längst mehr als nur ein Auge auf ihren Chef geworfen hat, gesteckt wird.

Zusammen mit ihrer Freundin Kennedy (Thalia Torio) hat sich Bee für ein Schulreferat mit der Antarktis beschäftigt und schlägt eine gemeinsame Urlaubsreise in diese kalte Region vor. Bernadette ist nicht begeistert: Mit den ganzen skurrilen, fein herausgeputzten Leuten auf den Kreuzfahrtschiffen kann sie nichts anfangen, wie sie überhaupt jedem Smalltalk aus dem Wege geht. Was sie in Seattle ziemlich einsam hat werden lassen. Die Banalität des Lebens in der Provinz macht ihr zu schaffen – da kommt mit Paul Jellinek (Laurence Fishburne) ein alter Freund aus L.A. gerade recht. Er will die „Königin der Architekten“, die in der Fachpresse einst in einem Zug mit Frank Gehry und Rem Kohlhaas genannt wurde, reaktivieren und stößt auf durchaus fruchtbaren Boden.

Plötzlich sind FBI-Agenten im Haus. Elgie soll Kontakte zu einer nicht existierenden russischen Firma unterhalten, es geht um Identitätsdiebstahl und Spionage. Auch Bernadette ist involviert, ihre persönliche Assistentin Manjula, mit der sie nur mittels Smartphone kommuniziert hat, soll nur eine virtuelle Existenz sein, der Deckname eines russischen Agentenrings. Und dann sorgt eine Psychologin namens Dr. Kurtz (Judy Greer) auch noch für Bernadettes Einweisung in eine Nervenheilanstalt. Aus der sie durchs Toilettenfenster entwischt und Zuflucht ausgerechnet bei Audrey findet, mit der sie sich plötzlich bestens versteht, nachdem herauskommt, dass diese über allem erhabene Sauberfrau mit Kyle (Owen Bruckenmaier) einen drogensüchtigen Sohn hat.

Bernadette erinnert sich an das Antarktis-Projekt ihrer Tochter – und macht sich auf den Weg dorthin, indem sie sich an Bord eines Forschungsschiffes schmuggelt. Vor Ort in der Südpol-Station schließt sie Freundschaft mit der Meeresbiologin Becky (Troian Bellisario), entdeckt ganz neue technische Fähigkeiten an sich und genießt einsame Kajak-Ausflüge ins arg gefährdete ewige Eis. Derweil heften sich Gatte Elgie und Tochter Bee an ihre Fersen...

Was soll schiefgehen, wenn der preisgekrönte Autor und Regisseur Richard Linklater („Boyhood“, „Before Sunrise“-Trilogie) eine warmherzige Komödie mit einer Klasse-Schauspielerin wie Cate Blanchett inszeniert? An sprühendem Witz und feinen Zwischentönen fehlt es nicht und das erwartbare Finale ist gar nicht so kitschig wie befürchtet, obwohl das sicherlich auch anders gesehen werden kann. „Where'd You Go, Bernadete“, so auch der Originaltitel des Mitte August 2019 zunächst in Kanada und den USA herausgekommenen zweistündigen Films, ist zunächst ein Briefroman von Maria Semple aus dem Jahr 2012, der sich mehr als ein Jahr an der Spitze der Bestsellerliste der New York Times hielt. Die Geschichte seiner ungewöhnlichen Heldin, die dem Familienalltag entflieht und in den Weiten der Antarktis neu zu sich findet, kann daher nicht so einfach für die Leinwand adaptiert werden.

Richard Linklater steht mit der Oscar-Preisträgerin Cate Blanchett („Carol“, „Blue Jasmine“) zwar eine souveräne Darstellerin der zunächst wenig liebenswerten, da arg auf die Nerven gehenden Bernadette Fox zur Verfügung. Als Drehbuchautor verheddert er sich aber an den Nebensträngen der Handlung, die häufig spurlos versanden wie die FBI-Ermittlungen und besser dem Rotstift zum Opfer gefallen wären. Positiv fällt die Neuentdeckung Emma Nelson in ihrem Kinodebüt auf: Ihre Bee ist ganz Mutter-Tochter und erste Verteidigerin Bernadettes – in der Öffentlichkeit gegenüber der Nachbarin Audrey und daheim gegenüber dem zu selbstgewissen Vater Elgie.

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„Bernadette“ kommt am 21. November 2019 bundesweit in die Kinos und wird in unserer Region im Casablanca Bochum, im Roxy Dortmund sowie im Essener Luna im Astra gezeigt.

| Autor: Pitt Herrmann