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Familienaufstellung: Peter Kurth als Vater Hermann Kafka, Daniel Dongres als junger Franz Kafka und Sandra Korzeniak als Mutter Julie Kafka.

Agnieszka Hollands 'Franz K.'

Multiperspektivisches Biopic

Update, Donnerstag (11.12.2025)

„Franz K.“ läuft weiterhin im Metropolis Düsseldorf und im Rahmen des VHS-Filmforum dreimal in der Filmwelt Herne: Am Sonntag, 14. Dezember 2025, um 12.30 Uhr, am Montag, 15. Dezember 2025, um 20 Uhr sowie am Mittwoch, 17. Dezember 2025, um 17.15 Uhr.

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Dezember
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Sonntag
Sonntag, 14. Dezember 2025, um 12:30 Uhr Filmwelt Herne, Berliner Platz 7 - 9, 44623 Herne
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  • Montag, 15. Dezember 2025, um 20 Uhr
  • Mittwoch, 17. Dezember 2025, um 17:15 Uhr

Der Kino-Text

Prag, Anfang des 20. Jahrhunderts: Im Hause der jüdischen Kaufmannsfamilie Kafka herrscht ein strenges Regiment des autoritären Vaters Hermann (Peter Kurth), welche Angstvorstellungen seines siebenjährigen Sohnes Franz (Daniel Dongres) hervorrufen, aber auch seine Phantasie beflügeln. Mutter Julie (Sandra Korzeniak), im wahren Leben eine gebildete Frau aus wohlhabender großbürgerlicher Familie, die nicht nur daheim das Sagen hatte, sondern stets auch im Geschäft ein gewichtiges Wort mitsprach, ist im Biopic Agnieszka Hollands kaum mehr als nur Staffage.

Die regelmäßig verordneten Friseurbesuche führen bruchlos über den Zeitsprung zum erwachsenen Franz (Idan Weiss) hinweg, der von seiner Schwester Otla (Katharina Stark) vor dem wütenden Vater in Schutz genommen wird, welcher gerade seinen Buchhalter entlassen hat und so noch mehr über die Einladung seines Sohnes zu einer Vorlesung mit Max Brod (Sebastian Schwarz) erzürnt ist. Franz macht einerseits rasch Karriere in der Arbeiter-Unfallversicherung, kann sich andererseits auf seinen Freund und Lektor Max Brod verlassen, auch als das Publikum bei einer Lesung aus seiner Erzählung „In der Strafkolonie“ türeschlagend den Raum verlässt.

Zärtlicher Womanizer

Idan Weiss in der Titelrolle ist Franz Kafka wie aus dem Gesicht geschnitten.

Im Gegensatz zu seinem Vater hat Franz ein ausgesprochen herzliches Verhältnis zu seinem Onkel Siegfried Löwy (Ivan Trojan), den er in seiner böhmischen Kleinstadt besucht (im wahren Leben ist er mit ihm als Achtzehnjähriger nach Norderney und Helgoland gereist): Der Zahnarzt ist auch ein technisch begabter Tüftler, der einen mit Fußpedal betriebenen Zahnbohrer erfunden hat.

In seiner Position als Obersekretär der Versicherungsanstalt ist Franz eine gute Partie, ist ein zärtlicher Womanizer, verlobt sich aber nicht mit einer seiner zahlreichen bürgerlichen Verehrerinnen, sondern zur allgemeinen Überraschung mit einem bettelarmen Mädchen aus Berlin, Felice Bauer (Carol Schuler), einer Cousine Max Brods zweiten Grades. Er verliebt sich freilich in Felices Freundin Grete Bloch (Gesa Shermuly), als diese in Prag zu Besuch ist. Woraufhin die Verlobung aufgelöst wird – ein Skandal zu dieser Zeit.

Ahistorische Zeitenvermischung

Franz wird im Gegensatz zum wahren Leben, wo er freigestellt war, um sich im Auftrag der Versicherung um die Rehabilitation und berufliche Umschulung von Schwerverwundeten zu kümmern, nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs eingezogen. Und dann wehen plötzlich Hakenkreuzfahnen in Prag – und der eh‘ schon kompliziert-kunstvoll verschachtelte Film vermischt ahistorisch die Zeiten und Figuren: Franz Kafka starb am 3. Juni 1924 in einem privaten Sanatorium vor den Toren Wiens.

Im Film muss seine jüngste Schwester Ottla, inzwischen mit einem Goj, also einem Nichtjuden, verheiratet, den gelben Stern tragen. Und Max Brod muss sich in der für Juden verbotenen Tram vor SS-Männern in Acht nehmen. Franz lernt Milena Jesenská (Jenovéfa Boková) kennen, die seine auf Deutsch erschienenen Werke ins Tschechische übertragen will. Mit der verheirateten Frau erlebt der inzwischen an Kehlkopftuberkulose erkrankte Franz eine kurze glückliche Zeit während seiner Behandlung in einer Wiener Klinik, sie kann ihn aber nicht zurück nach Prag begleiten zu seiner letzten Station im Sanatorium.

Küchenpsychologie mit dem Holzhammer

Was soll nach dem zum 100. Todestag im März 2024 in die Kinos gekommenen Spielfilm „Die Herrlichkeit des Lebens“ von Georg Maas mit Sabin Tambrea als Franz Kafka und Henriette Confurius als seine letzte große Liebe Dora Diamant, die ihn bis zu seinem Tod begleitet hat, und dem im Oktober 2024 erstausgestrahlten TV-Sechsteiler „Kafka“ von David Schalko mit Joel Basman in der Titelrolle noch kommen? Ein 127-minütiger Hybrid mit einem Holzhammer-Prolog dick aufgetragener Küchenpsychologie, der immer wieder grotesk-surreale Traumsequenzen des Neurotikers Franz Kafka mit fiktionsbrechenden Spielfilmszenen (die Darsteller sprechen direkt in Tomasz Naumiuks Kamera) und Fake-Interviews mit Kafkas Familie vermischt und schließlich noch die museale Vereinnahmung und kommerzielle Vermarktung des deutschsprachigen Schriftstellers im heutigen Prag dokumentiert.

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Gedreht vom 12. April bis zum 8. Juni 2024 in Deutschland und der Tschechischen Republik und uraufgeführt am 5. September 2025 beim Filmfestival im kanadischen Toronto, kommt „Franz K.“ am 23. Oktober 2025 in die Kinos, bei uns zu sehen im Casablanca Bochum, Roxy Dortmund, Filmstudio Glückauf Essen sowie im Metropol Düsseldorf.

Donnerstag, 11. Dezember 2025 | Autor: Pitt Herrmann