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Jacob (Steven Yeun) zeigt seinem Sohn David (Alan S. Kim) das neuerworbene Land in Arkansas.

Live-Gespräch mit Regisseur Chung

Minari - Wo wir Wurzeln schlagen

2.500 Kilometer sind sie einem Miet-LKW, in dem ihr Hausrat verstaut ist, hinterhergefahren, nachdem Jacob Yi (Steven Yeun) beschlossen hat, mit seiner koreanisch-amerikanischen Familie aus dem sonnigen Kalifornien auf eine kleine Farm in Arkansas zu ziehen. Als das langgezogene, auf Rädern stehende Mobile Home in den Blick gerät, wollen seine Frau Monica (Ye-Ri Han) und die Kinder David (Alan Kim) und Anne (Noel Kate Cho) gar nicht glauben, dass diese Bruchbude mitten in der Einsamkeit der wilden Ozarks ihre neue Heimat sein soll.

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Nach Amerika gehen und einander retten, das war der Plan, als Jacob und Monica in Korea heirateten. Gelandet waren sie in Los Angeles, lebten in einer kleinen, teuren Mietwohnung und schufteten zehn Jahre als billige Arbeitskräfte auf einer Hühnerfarm. „Chicken sexing“ wird der Fließband-Job genannt, bei dem alle männlichen Küken zur Vernichtung aussortiert werden. Den sie zunächst auch hier in Jacobs „gelobtem Land“ wiederaufnehmen, bis die Saat aufgeht „in der besten Erde Amerikas“, wie der Familienvater nicht müde wird zu betonen. Und er verspricht David, einen großen Garten anzulegen.

Aller Anfang ist schwer. Da ist es gut, wenn man einen hilfsbereiten Nachbarn wie Paul (Will Patton) hat, der aus christlicher Nächstenliebe, er gehört einer Ostergemeinde an, kräftig mit anpackt, einen gebrauchten Traktor beschafft und erste Kontakte zur nächstgelegenen Stadt herstellt. Jacob schuftet für seinen Traum, Farmer auf eigenem Grund und Boden zu werden, rund um die Uhr. Und muss doch einsehen, dass die Kinder nicht unbeaufsichtigt in der Wildnis zurückgelassen werden können, wenn die Eltern tagsüber Küken sortieren.

So wird Monicas Mutter Soon-ja (Yuh-Jung Youn) aus Korea nach Arkansas geholt. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten besonders mit dem siebenjährigen David, welcher sich mit der unkonventionellen, streitbaren und lebenslustigen alten Frau ein Zimmer teilen muss, wird aus dem „Schandmaul“ eine schlaue, schlagfertige und unglaublich liebevolle Großmutter. Die aus ihrer Heimat Korea Sardellen und Chillipulver mitgebracht hat – und Minari-Samen, die sie zusammen mit David an einem Bachlauf in die Erde bringt: das pfefferartige Gewürz gedeiht überall.

Der erste selbst gegrabene Brunnen versiegt rasch, sodass Jacob zur Bewässerung seines Gemüses auf das teure Gemeindewasser angewiesen ist. Ein Kirchenbesuch sorgt zwar für soziale Kontakte über die rasch wachsende koreanische Gemeinde hinaus, Monica fühlt sich dennoch vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen und möchte am liebsten wieder nach Kalifornien zurückkehren. Dabei verspricht die erste Ernte trotz einer anhaltenden Hitzeperiode üppig auszufallen, die Kisten mit Obst und Gemüse füllen eine ganze Scheune. Und die Kontakte zu koreanischen Händlern sind vielversprechend.

Da erleidet Oma Soon-ja einen Schlaganfall mit der Folge, dass sie halbseitig gelähmt und ständig auf Hilfe angewiesen ist. Dabei war sie es, die trotz aller Schwierigkeiten und Rückschläge die Familie zusammengehalten hat. In ihrem Bemühen, zumindest ein wenig beizutragen, löst die Großmutter eine Katastrophe aus. Die andererseits die Eheleute zusammenschweißt: Statt resigniert die Koffer zu packen, wird mit Pauls Wünschelrute nach einem neuen Brunnenstandort gesucht…

Sehen eher skeptisch in die Zukunft: Steven Yeun (hinten), Alan S. Kim (vorne), Yuh-Jung Youn (Mitte), Yeri Han (hinten) und Noel Cho (v.l., vorne).

„Minari – Wo wir Wurzeln schlagen“, der vierte Film des US-amerikanischen Regisseurs Lee Isaac Chung, ist die einfühlsame Geschichte einer aus Korea stammenden Familie, die auf einer Farm im Süden der USA in den problematischen 1980er Jahren ihren ganz persönlichen amerikanischen Traum verwirklichen will. Dieser zutiefst menschliche Film über die Herausforderung, die eigene kulturelle und familiäre Verwurzelung mit der Suche nach der eigenen Identität in noch fremder Umgebung in Einklang zu bringen, ist eine Parabel über das Zusammenleben verschiedener Generationen, über die Notwendigkeit, Widerstände gemeinsam zu überwinden und nicht zuletzt über den Mythos des amerikanischen Pioniergeistes.

Lee Isaac Chung, der als Sohn südkoreanischer Immigranten in Arkansas aufwuchs, unternimmt mit dem knapp zweistündigen Film, der am 15. Juli 2021 in die deutschen Kinos kommt, einen autobiographisch grundierten Streifzug durch zwei höchst unterschiedliche Kulturen. Die von Hollywood-Star Brad Pitt koproduzierte Tragikomödie gewann beim Sundance Film Festival im Januar 2020 sowohl den Großen Preis der Jury als auch den Publikumspreis. Zudem wurde er dieses Jahr mit einem Golden Globe in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ ausgezeichnet und die überragende koreanische Schauspielerin Yuh-Jung Youn freute sich über einen Oscar als „Beste Nebendarstellerin“.

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Live-Gespräch mit dem Regisseur

Zum Kinostart am Donnerstag, 15. Juli 2021, findet nach der jeweiligen Vorführung des Films in rund 40 Kinos deutschlandweit ein digitales Live-Gespräch mit dem um 22:15 Uhr deutscher Zeit live aus Los Angeles zugeschalteten Regisseur Lee Isaac Chung in englischer Sprache statt. Es wird moderiert vom Journalisten und Podcaster Frank Joung („Halbe Kartoffl“), der als Kind koreanischer Eltern viele der Themen, die im Film angeschnitten werden, aus eigener Erfahrung kennt. Vor Ort können die Kinobesucher per WhatsApp oder SMS ihre Fragen an Lee Isaac Chung stellen. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, das Live-Gespräch in den Kinos um 22:15 Uhr auf dem YouTube-Kanal von Prokino mitzuverfolgen. Zu den teilnehmenden Kinos gehört in unserer Region das Bochumer Casablanca, das Filmstudio Glückauf Essen und das Atelier Düsseldorf.

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  • Donnerstag, 15. Juli 2021, um 22:15 Uhr
| Autor: Pitt Herrmann