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Dr. Renate Sommer

Mai-Brief aus Straßburg

Die Europaabgeordnete für das Ruhrgebiet, Dr. Renate Sommer, schreibt im Mai 2018 in ihrem Brief aus Straßburg: „In seiner Mai-Plenartagung in Straßburg diskutierte das Europäische Parlament mit dem luxemburgischen Premierminister über die Zukunft Europas. Außerdem haben wurde der nächste EU-Haushalt beschlossen und über Anti-Dumping Zölle sowie die Entsenderichtlinie abgestimmt.

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Seit Anfang 2018 ist das Plenum des Europäischen Parlaments Zentrum der Debatte zur Zukunft Europas mit den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten. Im April diskutierte der französische Präsident Emmanuel Macron seine Ideen von mehr Demokratie mit uns. Jetzt war Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel zu Gast. Er warnte in seiner Rede vor dem galoppierenden Populismus in vielen EU-Staaten. Populisten würden zwar an die nationale Souveränität appellieren. Letztendlich sei es aber die Europäische Union, die unsere Souveränität in einer globalisierten Welt schützt. Im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik bedauerte Bettel die Weigerung einiger EU-Staaten, die Flüchtlingslast solidarisch zu verteilen. Zugleich forderte Er den verstärkten Schutz der EU-Außengrenzen. Ich stimme in vielen Punkten mit dem luxemburgischen Premierminister überein. Die Flüchtlingskrise hat gezeigt, dass es mit der vielbeschworenen Solidarität unserer Mitgliedstaaten untereinander nicht mehr weit her ist. Wir brauchen außerdem mehr Europa in Bereichen, die einen einzelnen Mitgliedstaat heillos überfordern würden. Nur gemeinschaftlich können wir die großen Probleme, wie Flucht und Migration, Schutz unserer Außengrenzen, Terrorismus oder Verteidigung lösen.

In dieser Woche haben wir den EU-Haushalt für den kommenden EU-Finanzplanungszeitraum für die Jahre 2021-2027 beschlossen. Dieser nächste EU-Mehrjahreshaushalt muss zentrale Weichen neu stellen. Wir brauchen eine angemessene Finanzierung der neuen Aufgaben: Mit dem gemeinsamen Schutz der Außengrenzen und der neuen Verteidigungsunion ersetzt europäischer Mehrwert parallele nationale Anstrengungen. Das ist insgesamt ein großer Gewinn für alle Beteiligten. Gleichzeitig kommt uns mit dem Brexit aber ein Nettozahler abhanden. Etwa die Hälfte des bisherigen Briten-Beitrags wird durch Einsparungen ausgeglichen. Die andere Hälfte aber muss nun auf alle Schultern verteilt werden. Deshalb ist eine Erhöhung des Gesamtumfangs des EU-Haushalts von derzeit einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Mitgliedstaaten auf künftig 1,13 Prozent vorgesehen. Mehr Geld soll es für Forschung und z.B. für das Studentenaustauschprogramm „Erasmus+“ sowie für die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) geben. Der EU-Außengrenzschutz und die noch junge Verteidigungsunion müssen neu finanziert werden. Leichte Kürzungen dagegen sind für den Agrarbereich vorgesehen.

Die Regionalförderung soll künftig an die Einhaltung der rechtsstaatlichen Standards geknüpft werden. Anlass für diese Neuerung sind die Versuche der Regierung in Polen, das nationale Verfassungsgericht zu entmachten und damit die demokratische Gewaltenteilung aufzuheben. Wer derart gegen grundlegende europäische Werte verstößt, darf schließlich nicht auch noch mit Fördermitteln belohnt werden!

Seit Jahren wird die EU mit billigem Stahl aus China überflutet. Mit Hilfe staatlicher Subventionierung der chinesischen Stahlindustrie produziert das Land doppelt so viel Stahl, wie in China selbst benötigt wird. Der Überschuss wird zu Dumping-Preisen in andere Länder exportiert. Darunter leidet die europäische Stahlindustrie. Insbesondere Standorte im Ruhrgebiet sind betroffen. Aber auch Arbeitsplätze in anderen Branchen, etwa bei Herstellern von Solarpanels, sind durch Billigprodukte aus China gefährdet.

Zusätzlich zu dieser Gefahr aus Asien belegt jetzt auch noch US-Präsident Trump Stahlprodukte aus der EU mit Strafzöllen. Das Europäische Parlament hat sich deshalb mit den EU-Mitgliedstaaten darauf geeinigt, dass die Billigimporte erschwert werden sollen. Künftig kann die EU höhere Zölle auf subventionierte Produkte aus Drittstaaten verhängen. Dabei sollen erstmals auch die Kosten, die den Unternehmen innerhalb der EU durch die Einhaltung unserer hohen Sozial- und Umweltstandards entstehen, in die Berechnung der Zölle mit einbezogen werden. Durch die Reduzierung der Untersuchungszeit, die der Verhängung von Zöllen vorausgehen muss, soll der Prozess beschleunigt werden. Die Erhöhung der Vorwarnzeit von Zöllen von zwei auf drei Wochen bietet den Importeuren hingegen mehr Planungssicherheit. Für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) wird darüber hinaus eine Unterstützungsstelle eingerichtet.

Im Jahr 2015 gab es in der EU etwa zwei Millionen entsandte Arbeitnehmer, meist Polen, Deutsche und Franzosen. Entsandte Arbeitnehmer haben ihren Hauptarbeitsort in ihrem Heimatstaat, arbeiten aber auf Anweisung des Arbeitgebers vorübergehend in einem anderen EU-Mitgliedstaat. Oft sind sie von Niedriglöhnen bzw. Lohndumping bedroht.

Daher hat das Europäische Parlament in dieser Woche die umstrittene Entsenderichtlinie verabschiedet, obwohl das Ergebnis, das in den Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten erzielt wurde, noch nicht zufriedenstellend ist.

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Wenn z.B. ein polnischer Unternehmer seine Arbeiter in Deutschland einsetzt, muss er künftig den entsprechenden deutschen Tariflohn zahlen. Nach Ablauf einer Frist von zwölf Monaten gilt dann für Arbeitnehmer aus Drittländern das gesamte Arbeits- und Sozialrecht des Landes, in dem sie arbeiten. Für die betroffenen Unternehmen entsteht so natürlich ein unglaublicher Verwaltungsaufwand, und es gibt große Rechtsunsicherheit. Beispielsweise müssen künftig sämtliche Tarifverträge in allen 24 Amtssprachen der EU verfügbar sein. Wer aber sollte das leisten? Zudem ist es für ein entsendewilliges Unternehmen aufgrund der Vielzahl von Tarifverträgen nur schwer nachzuvollziehen, welcher Tarifvertrag für den eigenen Arbeitnehmer im europäischen Ausland gilt. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen ist ein derartiger Prüfaufwand nur schwer zu stemmen. Kaum abzuschätzen ist auch, welche Auswirkung die Entsenderichtlinie auf den europäischen Arbeitsmarkt haben wird. Gerade Arbeitgeber aus osteuropäischen Mitgliedstaaten könnten durch die erzwungene Lohnangleichung vom westeuropäischen Arbeitsmarkt ferngehalten werden. Das käme einer Abschottung der wohlhabenderen Mitgliedstaaten gegenüber den ärmeren gleich. Da die Entsenderichtlinie bereits innerhalb der nächsten zwei Jahre umgesetzt werden soll, dürften auf die betroffenen Unternehmen schwierige Zeiten zukommen."

| Autor: Dr. Renate Sommer
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