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Verabschiedet sich von der Polizei: Martin Jansen, leitender Polizeidirektor der Polizei Bochum und Leiter der Direktion Gefahrenabwehr und Einsatz, geht Ende 2020 in den Ruhestand.

Martin Jansen sprach über seine Laufbahn und besondere Einsätze

Leitender Polizeidirektor geht in den Ruhestand

Er hat eine Menge in Herne, Bochum und Witten erlebt: Martin Jansen, Leiter der Direktion Gefahrenabwehr und Einsatz im Bochumer Präsidium, wird Ende 2020 in seinen wohlverdienten Ruhestand gehen. Im Gespräch mit der halloherne-Redaktion blickte er auf 30 Jahre Polizei und acht Jahre Arbeit im NRW-Innenministerium zurück und sprach über besondere Einsätze, die Entwicklung der Polizeiarbeit und was ihn persönlich aufregt.

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„Ich habe 1982 bei der Polizei angefangen, nachdem ich klassisch von einem Einstellungsberater auf diese Möglichkeit aufmerksam gemacht worden bin. Jedoch wollte ich zuerst mein Abitur machen und bin anschließend zur Bundeswehr eingezogen worden“, berichtete der 61-Jährige. „Nach zwei Jahren habe ich mich dann aber bei der Polizei beworben, weil mein bester Freund schon dort war und mir erzählte, wie toll das alles ist. Deshalb habe ich es eigentlich ihm zu verdanken. Ich habe es auch nie bereut.“

Für acht Jahre im Innenministerium gearbeitet

Nach dem Start mit der Grundausbildung kamen die üblichen Stationen Bereitschaftspolizei, Hundertschaft und Streifendienst, bevor Jansen die Ausbildung zum Kommissar an der Fachhochschule Dortmund begann. Nach drei Jahren in Oberhausen ging es 1992 zurück nach Bochum zur Einsatzleitstelle. Von 1995 bis 1997 besuchte er die Deutsche Hochschule Polizei (damals noch Polizeiführungsakademie), bevor er für drei Jahre Polizeirat in Gelsenkirchen wurde. „Dann hat mich der Ruf des Ministeriums ereilt, um dort in unterschiedlichen Funktionen in der Schnittstelle Polizei und Verwaltung in vielen strategischen Punkten zu arbeiten, die mir in der Bochumer Behörde später viel geholfen haben“, erzählte der leitende Polizeidirektor.

Anfang 2008 übernahm er dann seine derzeitige Stelle, fand aber aufgrund einer Neuorganisation des Bochumer Präsidiums ein quasi leeres Büro vor, weil es seine Funktion vorher nicht gab. „Hier habe ich dann relativ schnell erkannt, in welche Richtung es personell gehen würde. Dennoch konnten wir uns auf zwölf Prozent weniger Personal gut darauf vorbereiten, auch wenn wir derzeit auf dem Tiefpunkt der personellen Ausstattung sind. Wir kriegen aber alle Themen gut bewältigt“, fasste Jansen zusammen, der davon ausgeht, dass es der Behörde bald personell wieder besser geht. So liegen die Reaktionszeiten bei wichtigen Einsätzen (Täter am Ort 5:19 Minuten, Verkehrsunfall mit Personenschaden 8:36 Minuten) unter dem Landesdurchschnitt. Die Aufklärungsquote liegt weiter bei deutlich über 50 Prozent.

Lockeres Gespräch: Martin Jansen im Gespräch mit Redakteurin Julia Blesgen (li.).

Viele besondere Einsätze hat er gar nicht selbst geleitet, sondern die Leiter der Polizeiinspektionen vor Ort. „Meist hatten meine geleiteten Einsätze eine politische Brisanz wie Rechts-/Links-Demonstrationen der NPD oder von DaSKuT sowie Gegendemonstrationen der Antifa. Ein anderes Beispiel ist, als der Steiger Award an den türkischen Präsidenten Erdogan verliehen werden sollte“, erzählte Martin Jansen. „Da hatten wir die Sorge, dass es zu Auseinandersetzungen kommen kann. Wir waren glücklich, dass er den Termin dann kurzfristig absagen musste, dadurch verlief der Einsatz sehr friedlich.“

Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm die Absage der Loveparade in Bochum im Jahr 2009. „Wir hatten erhebliche Bedenken und haben aber viel Kritik dafür einstecken müssen. Es war sehr traurig zu sehen, welch Tragödie sich dann ein Jahr später in Duisburg abspielte“, berichtete Jansen. „Wir hatten auch unsere Bereitschaftspolizei vor Ort im Einsatz und haben sofort die Lage nachbereitet und geprüft, welche Möglichkeiten die Polizei hatte, das zu verhindern. Jedoch haben wir da keine gesehen, das war von der Planung her katastrophal.“ Wenn im öffentlichen Bild die Polizei bei Absagen oft als Spielverderber dargestellt wird, sagte Jansen: „Wenn wir sagen, die Veranstaltung kann nicht stattfinden, weil wir die Sicherheit nicht gewährleisten können, dann muss man uns das auch glauben.“

Keine große Verabschiedung möglich

Im Corona-Jahr 2020 war Jansen auch maßgeblich daran beteiligt, im Frühjahr die personellen Weichen für die Pandemie zu stellen. „Keiner wusste, wo geht es hin und wie schlimm wird es. Mein letztes Jahr ist wesentlich arbeitsintensiver geworden, ich hätte es lieber ruhiger angehen lassen. Auch der Besuch aller Dienststellen und eine große Verabschiedung sind nicht möglich“, sagte der stellvertretende Polizeipräsident.

Zu seinen Arbeitsaufgaben ergänzte er: „Ich bin für die Planung des Streifendienstes verantwortlich und wir müssen dafür sorgen, dass er aufrecht erhalten werden kann, wenn wir mal Corona-Ausfälle in den eigenen Reihen haben.“ Zunächst wurde der Streifendienst auf Zwölf-Stunden-Schichten umgestellt, um die Hälfte der Belegschaft in einer Reserve zu haben. Mittlerweile wurden andere Konzepte entwickelt. Erst einmal habe die Situation für wenige Tage eine Anpassung nötig gemacht.

Martin Jansen kam 1982 zur Polizei und war viele Jahre in Bochum beschäftigt.

Derweil beklagte Jansen auch die zunehmende Respektlosigkeit gegenüber der Beamten, aber auch der Gewaltbereitschaft von Personen untereinander. „Wir können aber doch nicht erwarten, dass Polizisten erst warten, bis sie geschlagen werden, um dann selbst zu reagieren. Das sind Väter und Mütter, die alle gesund nach Hause kommen wollen. Daher muss man dann auch der Polizei zubilligen, wenn sie kommt, muss Ruhe sein, und wer keine Ruhe gibt, muss mit den Konsequenzen leben“, verdeutlichte Jansen, der auch mal Interimsweise für zwei Monate Polizeipräsident war.

Zwar gäbe es einen deutlichen Rückgang von Straftaten wie Wohnungseinbrüche, aber die Herausforderungen an die Ermittlungen seien stark gestiegen. „Außerdem gibt es mehr Verkehrsunfälle, der Großteil ist davon aber als leicht einzustufen. Die Anzahl der Toten ist ohnehin auf einem sehr niedrigen Niveau. Lediglich die Einsätze der Streifenwagen steigen konstant an“, erläuterte Jansen. „Jedoch beobachten wir seit Jahren das Phänomen, dass das Sicherheitsgefühl der Bürger sinkt. Dabei spielt die Wahrnehmung der Menschen eine große Rolle. Ich glaube, dass die Angst auch durch die mediale Verbreitung jeder Gewalttat in den vergangenen zehn bis 20 Jahren vergrößert wurde. Auch früher sind schlimme Dinge passiert, wir hatten viel mehr Raubüberfälle. Da wurde es nur nicht so publiziert.“

Gute Zusammenarbeit mit Dr. Frank Dudda

Ausdrücklich lobte er die Zusammenarbeit mit Hernes Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda. Für die Stadt selbst war er auch mit in die Planung der neuen Polizeiinspektion an der Cranger Straße mit involviert (halloherne berichtete). Auch die Arbeit rund um die Cranger Kirmes habe sich verändert: „Mittlerweile führen wir den Einsatz aus unserem Präsidium. Wir bereiten uns im Vorfeld auf Szenarien vor, die keiner möchte, die aber eintreffen können.“ Dazu gehören Massenpaniken, Anschläge, Brände und Ähnliches. Dafür seien aber Strategien entwickelt worden. „Wir hoffen, dass wir diese aber nie brauchen“, sagte Jansen.

Der Schreibtisch voll mit Arbeit: Martin Jansen hatte zum Abschluss ein arbeitsintensives Jahr 2020.

Ihn persönlich regt zudem ein Thema auf: Die Vorratsdatenspeicherung. „Da ist der Datenschutz für die Mehrheit der Politiker wichtiger, als die Verfolgung von Pädophilen, Waffenhändlern und anderen Straftätern. Wichtig ist, dass nicht die Polizei die Daten speichert, sondern die Provider auf richterliche Anordnung die Daten herausgeben müssen. Also entscheiden es nur die Richter, wenn wir eine Begründung liefern“, mahnt der leitender Polizeidirektor. „Wer gegen die Speicherung ist, lässt eine Überführung der Täter nicht zu, weil wir nicht an die Daten kommen.“ Mit Machtmissbrauch hätte dies nicht das Geringste zu tun, die präventive Wirkung wäre viel größer. Besonders lobenswert findet er die Demonstrationskultur in Herne, Bochum und Witten. „Wir führen gute Kooperationsgespräche mit allen Beteiligten. Gewalttätige Ausschreitungen sind eine echte Seltenheit“, hielt leidenschaftliche Heimwerker fest.

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Dieses Hobby, aber auch die Sportarten Beachvolleyball, Skilaufen und Besuche im Fitnessstudio möchte er im Ruhestand intensivieren. „Für die Urlaube haben wir uns ein Wohnmobil angeschafft“, berichtete Jansen. Die halloherne-Redaktion wünscht dabei viel Spaß und gute Erholung in der freien Zeit ab Anfang Januar 2021.

| Autor: Julia Blesgen/ Marcel Gruteser