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v.l. Karl Dittmar, Dr. Yasmine Freigang, Holger Freitag, Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger, Frank Beckehoff, Matthias Löb, Julia Ures, Dr. Christian Schulze Pellengahr, Heike Kropff, Christian Kreppel, Klaus Kaiser.

Westfälische Kulturkonferenz

Kultur selber machen

Recklinghausen (lwl). Am Freitag (11.10.2019) fand im Ruhrfestspielhaus in Recklinghausen die Westfälische Kulturkonferenz statt. Rund 430 Künstler und Kulturschaffende, Anbieterinnen, Förderer und Partnerinnen von Kunst und Kultur in Westfalen-Lippe diskutierten über die scheinbar neue Kultur der Praxis des "Selbermachens". Bei der öffentlichen Konferenz des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) diskutierten die Teilnehmenden über die Folgen neuer Formen von Kulturproduktion und Kommunikation, zum Beispiel die sich ändernden Rollen und damit verbundene Anforderungen an Kunst- und Kulturschaffende, an das Publikum und die Fördergeber.

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LWL-Direktor Matthias Löb betonte in seiner Begrüßung die Bedeutung der Westfälischen Kulturkonferenz. Diese sei ein wichtiges Format für Vernetzung und Kooperation für alle Akteure im Kulturbereich geworden, und zwar über alle räumlichen Grenzen und Kultursparten hinweg. „Mit über 430 Teilnehmenden haben wir einen neuen Anmelderekord! Es freut mich, dass das diesjährige Schwerpunktthema "Selbermachen“ auf so großes Interesse stößt." Löb wies darauf hin, dass der Perspektivenwechsel von der bloßen Rezeption von Kunst und Kultur hin zu einer partizipativen „Kultur von allen“ gravierende Fragen aufwirft: "Es ist wichtig sich darüber zu verständigen, welche Folgen das für die Akteure hat. Wie ändert sich zum Beispiel das Rollenverständnis von Kunst- und Kulturschaffenden, aber auch von Entscheidungsträgern in Politik und Verwaltung?" Diese kulturpolitische Debatte gelte es breit zu führen, so Löb.

Klaus Kaiser, Parlamentarischer Staatssekretär im NRW-Kulturministerium, machte deutlich, dass im Kulturbereich das „Selbermachen“, also Bewegungen aus der Gesellschaft heraus, eine wichtige Rolle spielen. Insbesondere im ländlichen Raum sei das Kulturangebot häufig von bürgerschaftlichem Engagement getragen. Die Landesregierung reagiere darauf unter anderem mit dem neuen Programm „Dritte Orte". Mit einem offenen und auf Kooperation abzielenden Förderansatz wolle man Initiativen "von unten“ bei der Entwicklung von Gestaltungs- und Begegnungsräumen unterstützen.

„Der sich ändernden Kulturlandschaft trägt auch unser jüngst verabschiedetes Kulturpolitisches Konzept Rechnung“, erklärte LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger. In den zehn kulturpolitischen Zielen, die in den nächsten Jahren der Kompass für das Handeln der LWL-Kultureinrichtungen sein sollen, liege ein deutlicher Schwerpunkt in der Entwicklung neuer Formate und Formen, um Bürger mit unterschiedlichen Bildungshintergründen, Kinder und Jugendliche, Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte und Menschen mit und ohne Behinderung zu erreichen. Gerade Kinder und Jugendliche kämen nicht mehr selbstverständlich in die Museen. „Sie müssen wir mit Gestaltungsräumen und Erlebnissen begeistern - Experimente müssen da ausdrücklich möglich sein. Ein aktuelles Beispiel dafür ist der erste Kultur-Hackathon in Nordrhein-Westfalen, der am Wochenende mit einem Workshop in unserem LWL-Industrieumuseum Zeche Zollern in Dortmund begonnen hat.“ An „Coding da Vinci“ sind 24 Kulturinstitutionen aus der Region beteiligt. Nun werden Programmierer, Designerinnen, Spieleentwickler und Grafikerinnen daraus Spiele, Apps und andere Softwareprodukte entwickeln.

Mit zwei extremen Sichtweisen eröffneten zwei sehr unterschiedliche Experten die Konferenz. Die Position von „Kultur für alle“ vertrat Christian Kreppel, Leiter des Kulturamts und des Theaters im fränkischen Schweinfurt. Seine Botschaft: „Gute Kultur braucht Profis. Im Zentrum muss die Qualität des Angebotes stehen, welches von professionellen Kulturmachern sichergestellt wird.“ Er appellierte an die Entscheider in Politik und Verwaltung, diese Tragweite auch in Zukunft bei Personalentscheidungen immer zu berücksichtigen.

Heike Kropff, die Leiterin der Abteilung Bildung/ Kommunikation der Staatlichen Museen zu Berlin stellte in ihrer Position „Kultur von allen“ die Diversität ins Zentrum einer zukunftsgerichteten Kulturarbeit. Sie schlug vor, den Begriff „Öffnung“ durch „Entwicklung“ und „Veränderung“ zu ersetzen. In ihrem Beitrag forderte sie die Kulturinstitutionen zur kritischen Selbstreflexion und „Haltungsänderung“ auf.

Nach diesem Auftakt in das Thema Selbermachen gab es viele Fragen zu diskutieren: Ist „Kultur von allen“ das neue Allheilmittel? Wie ändert sich das Rollenverständnis von Kunst- und Kulturschaffenden, aber auch von Entscheidungsträgern in Politik und Verwaltung? Welche Rolle soll die Qualität künstlerischen Schaffens in Zukunft spielen? In fünf Gruppen entwickelten die Teilnehmenden dazu unterschiedliche Szenarien aus unterschiedlichen Perspektiven: aus der Perspektive der Politik, der Verwaltung, der Kulturschaffenden und Kulturanbieter, aus der Perspektive der Vereine und schließlich aus der Perspektive der Kulturvermittler.

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Ein neues Format bei der Kulturkonferenz war der so genannte Marktplatz. Dabei stellten sich am Nachmittag über zwei Dutzend Projekte, Ideen und Einrichtungen rund um das Thema Selbermachen vor. Mit dabei war zum Beispiel Push e.V. aus Hilchenbach (Kreis Siegen-Wittgenstein). Der Verein fördert kulturelle Aktivitäten von und mit jungen Leuten abseits von kommerziellen Interessen. Auch der erste Kultur-Hackathon in Nordrhein-Westfalen, der am kommenden Wochenende in Dortmund beginn, stellte sich vor. Aus Münster war der Verein B-Side-Kultur gekommen, eine Bottom-Up-Initiative für kreative Freiräume am Münsteraner Hafen. Aus Detmold (Kreis Lippe) stellte sich „Deine Urban Area“ vor, ein Festival von und für junge Menschen in der Stadt. Auch die Stadt Recklinghausen (Kreis Recklinghausen), Partner der diesjährigen Konferenz, stellte ihre nutzerorientierten Kulturangebote vor. „Dieser Marktplatz war ein erfolgreiches Experiment,“ bilanzierte Dr. Yasmine Freigang, die Organisatorin der Westfälischen Kulturkonferenz, "hier gab es einen Freiraum, in dem die Teilnehmenden Beispiele aus der Praxis individuell kennenlernen konnten und sich untereinander austauschen konnten.

| Quelle: LWL-Pressestelle