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Wer ist der wahre Amphitryon? Gattin Alkmene (Laura Thomas, Mitte) muss sich zwischen Jupiter in dessen Gestalt (Matthias Hecht, l.) und dem echten Feldherrn der Thebaner (Felix Zimmermann) entscheiden.

Klamottiges Spaßtheater

Kleists „Amphitryon“ im Prinz Regent

Mit einem vieldeutigen „Ach“ der betrogenen, sich freilich erst am Ende auch wirklich betrogen fühlenden Alkmene endet bei Kleist der antike Mythos vom thebanischen Feldherrn Amphitryon, der aus dem Krieg zu seiner Gattin Alkmene zurückkehrt und von dieser überschwänglich empfangen wird – nach einer nicht enden wollenden Liebesnacht. Doch nicht der müde Krieger war es, der sich im Bett zu göttlichen Höhen aufschwang, sondern Jupiter, der Donnerer, höchstselbst: „Ich wars. Seis wer es wolle.“ Und noch am Ende des zweiten Aktes scheint sich Alkmene in ihr Schicksal zu fügen: „Wie gern will ich den Schmerz empfunden haben, / Den Jupiter mir zugeführt, / Bleibt mir nur alles freundlich wie es war.“...

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Von Plautus über Moliere und Giraudoux bis hin zu Georg Kaiser und Peter Hacks reicht die Liste der Bearbeiter der griechischen Sage von der Zeugung des Herakles. Heinrich von Kleist gestaltete 1806 in Königsberg aus Molieres frivoler, 1668 uraufgeführter Doppelgänger-Komödie „Amphitryon“, verfasst zur Erheiterung des barocken Sonnenkönigs von Versailles, „die schönste deutsche Komödie“ (Georg Hensel). Kleist nimmt in seinem erst 1899 und damit 88 Jahre nach dem Selbstmord des Dramatikers am Kleinen Wannsee im Neuen Theater Berlin uraufgeführten „Lustspiel nach Moliere“ den Mythos ernst und macht Alkmenes Gefühle zu seinem Hauptthema. Die derbe Lustspielhandlung dagegen verlagert er vollständig auf die Dienerebene Sosias/Charis.

Abgekämpfter Feldherr

Mitte Dezember 2012 hatte am Rottstr5 Theater, in der Ära des Gründers Hans Dreher also, eine freche, emanzipatorische Inszenierung von Karoline Behrens Premiere, die ganz auf der Höhe der Zeit nicht an der Verwechslungskomödie interessiert war, sondern an Bildern und Phantasievorstellungen von Leidenschaft und Liebe. Und daher zugunsten einer Ménage à trois auf das Satyrspiel um Charis, Sosias und Merkur verzichtete: Felix Lampert als selbstgewisser (Theater-) Gott, Jessica Maria Garbe als sein liebestolles Objekt der Begierde und Julian Hackenberg als abgekämpfter, desillusionierter Feldherr, der sein grobschlächtiges Kriegshandwerk auch im Bett nicht einfach ablegen kann wie einen Mantel an der Garderobe.

Alkmene kalkuliert am Ende kühl, dass sie letztlich weder von einem Amphitryon, der nie daheim ist, etwas hat noch von einem Jupiter, den es gar nicht gibt. Jedenfalls nicht unter normalen Umständen. Sie steigt aus, schleudert den beiden Herren statt eines hingehauchten Kleistschen „Ach“ ein unmissverständliches „Fick dich!“ entgegen und nimmt dem Gott schließlich auch noch seine letzte Machtposition: „Vorhang!“.

Das Kästchen mit dem Diadem des Labdakus ist leer zum erstaunten Entsetzen von Alkmene (Laura Thomas) und Amphitryon (Felix Zimmermann).

Elf Jahre später unternimmt der damalige Rottstr5- und heutige PRT-Leiter Hans Dreher nun selbst den Versuch einer zeitgemäßen Inszenierung für ein in diesen schweren Zeiten unterhaltungsdurstiges Publikum, das, wie sich am Premierenabend vom Freitag (22.9.2023) zeigte, nicht nur jeden Animations-Blödsinn begeistert mitmachte, sondern auch einer gewaltverherrlichenden Kriegsrede applaudierte. Auch Dreher kommt mit nur drei Darstellern aus, die freilich alle sechs Rollen verkörpern: eine zunächst spannende, zum Ende hin aber ziemlich klamottige Gratwanderung zwischen Verwechslungskomödie und Horrortrip.

Rampensäue aus Kothurn

Mit einem bestens aufgelegten Darsteller-Trio aus lauter Rampensäuen auf Kothurn, die hautnah mitten im Publikum herumtollen, mit witzigen Extempores gerade auf der Dienerebene, mit ganz heutigen Emotionsausbrüchen, mit albernem Infragestellen der eigenen (Doppel-) Rollen wie der ganzen Aufführung überhaupt, mit selbstreferentiellen Lazzi („Gruß aus der Kantine“) und leider auch sprachlichen Publikums-Anbiederungen („Arschloch“, „Boah ey“, „Fuck“).

In der Eröffnungspremiere seiner vorletzten Spielzeit potenziert Hans Dreher die im Stück enthaltene Thematik der Identitätskrise: Im fliegenden Wechsel gibt Matthias Hecht („Moby Dick“, „Der Trafikant“) den Göttervater Jupiter in der Gestalt Amphitryons sowie Alkmenes Dienerin Charis, Laura Thomas („Faust“, „Der Tatortreiniger“) Amphitryons Gattin Alkmene sowie dessen Diener Sosias und PRT-Debütant Felix Zimmermann den gehörnten Feldherrn Amphitryon sowie den Gott Merkur in der Gestalt des Sosias. Der Kölner Schauspieler ist im Revier kein Unbekannter, er steht seit Jahren immer wieder auf den Brettern des Westfälischen Landestheaters Castrop-Rauxel („Krabat“, „Kriegerin“, „Wilhelm Tell“).

Ein dritter, musikalischer Gott

Ein dritter – musikalischer - Gott mischt in der Inszenierung mit: Gut ein halbes Dutzend Songs des Verwandlungskünstlers David Bowie liefern den Soundtrack für diesen höchst kurzweiligen, mit über zwei Stunden fürs Stammpublikum überlangen Theaterabend in der mit Säulen und Amphoren die Antike ironisch zitierenden Ausstattung von Clara Eigeldinger.

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Die nächsten Vorstellungstermine im Prinz Regent Theater an der Prinz-Regent-Straße 50-60 in Bochum: Samstag, 30. September 2023 um 19:30 Uhr; Donnerstag, 26. Oktober 2023 um 19:30 Uhr sowie Sonntag, 19. November 2023 um 18 Uhr. Karten unter prinzregenttheater.de oder Tel 0234 – 77 11 17.

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  • Samstag, 30. September 2023, um 19:30 Uhr
  • Donnerstag, 26. Oktober 2023, um 19:30 Uhr
  • Sonntag, 19. November 2023, um 18 Uhr
| Autor: Pitt Herrmann
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