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Kinofilm: Monster im Kopf – Schwangere Systemsprengerin: Sandra (Franziska Hartmann) sucht häufig vergeblich die emotionale Nähe zu ihrer Mutter Brigitte (Martina Eitner-Acheampong). Foto:

Schwangere Systemsprengerin

Kinofilm: Monster im Kopf

Obwohl sie bereits nach starken Blutungen ein Kind verloren hat, ist Sandra (Franziska Hartmann) gegen den dringenden Rat ihrer Gynäkologin (Dalila Abdallah) das Wagnis einer Risikoschwangerschaft eingegangen. Die junge Frau, vielleicht Anfang dreißig, arbeitet körperlich hart als Zerlegerin in einem Schlachthof. Ihrem Freund Miki (Slavko Popadić), einem begeisterten Auto-Schrauber und Hobby-Rennfahrer mit selbst getunten Schlitten, will sie das freudige Ereignis irgendwann mitteilen. Wenn Zeit ist.

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Doch sie hat keine Zeit. Neben dem Knochenjob in Wechselschicht versorgt sie täglich ihre bewegungseingeschränkte, häufig bettlägerige Mutter Brigitte (Martina Eitner-Acheampong), vom Einkaufen über die Essenszubereitung bis hin zum Waschen und Baden in der Wanne. Sandra ist dermaßen unter Stress, dass sie jedes Mal lautlos in sich hinein schreit, wenn sie im prekären Wohnsilo vor Mutters Wohnungstür steht.

Die Wochenenden gehen mit Terminen an der Seite Mikis drauf, wobei sich Sandra im knappen Mini durchaus als scharfe Braut des Kraftfahrzeug-Mechanikers mit Ambitionen auf den Profi-Rennsport gefällt. Und aufreizende Selfies ins Netz stellt. Doch immer wieder kommt es bei hoher Anspannung zu Ausbrüchen körperlicher Gewalt, etwa gegen den Fahrer eines Autos, der Mikis Wagen touchiert hat. Oder, aus völlig nichtigem Anlass, gegen ihren Nachbarn (Bastian Klang). Sandras „Monster im Kopf“ gipfelt in einer erst am Ende offenbarten Bluttat, welche sie hinter Gitter bringt.

Kinofilm: Monster im Kopf – Schwangere Systemsprengerin: Sandra (Franziska Hartmann) gefällt sich in der Rolle als sexy Boxenluder an der Seite ihres Rennfahrer-Freundes Miki (Slavko Popadić).

Bald lässt sich ihr Zustand nicht mehr verbergen, weshalb sie Mikis Besuchswunsch ablehnt. Sandra arbeitet in der Gefängnis-Küche, wo sie von den Mitgefangenen als „Prinzessin mit dem Erbsenbauch“ gemobbt wird. Als die erneut mit starken Blutungen verbundenen Wehen einsetzen, wird sie in letzter Minute von der Justizvollzugsanstalt in ein Krankenhaus gefahren. Dr. Gerds (Christian Erdmann) verhilft ihrem Sohn in die Welt, muss der Mutter aber mitteilen, dass sie nach einem Gebärmutterriss keine weiteren Kinder mehr bekommen kann.

Rund um die Uhr selbst beim Hantieren mit der Milchpumpe von zwei Justizbeamten bewacht gilt Sandras größte Sorge der Zukunft ihres Kindes, das sie nicht in fremde Hände geben will. Doch sowohl die JVA-Gruppenleiterin Peters (Sabine Winterfeldt) als auch die Sozialarbeiterin der Mutter-Kind-Abteilung im Offenen Vollzug (Rebecca-Madita Hundt) sind skeptisch, ob sich die junge Mutter im Griff hat, wenn sie unter Druck gerät, und nicht wieder in alte Gewalt-Muster zurückfällt. Als Kompromiss wird eine Art Probezeit im Frauengefängnis vereinbart – und nun darf Miki endlich auch sein Kind sehen. Es ist nicht zuletzt seinem Einfluss zu verdanken, das Sandra am Ende samt Kind in den Offenen Strafvollzug entlassen wird – mit besten Wünschen von der empathischen Schließerin Antje (Antje Lewald).

Nach ihrem Spielfilm-Debüt „Sterne über uns“ über eine obdachlose Stewardess, die mit ihrem Kind im Wald lebt, hat Christine Ebelt erneut mit Franziska Hartmann zusammengearbeitet, die in „Monster im Kopf“ eine „Systemsprengerin“ ganz eigener Art verkörpert. In Rückblenden wird deutlich, wie es zur Gewalttat, einer schweren Körperverletzung mit Todesfolge, gekommen ist. Der am 24. Juni 2023 beim Filmfest München uraufgeführte 99-Minüter zeichnet die Täterin nicht ohne Verständnis für ihre Probleme, aber ohne falsches Abschieben individueller Schuld auf gesellschaftliche Verhältnisse.

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Indem Christine Ebelt in den Szenen, die im Schlachthof, im Gefängnis und vor Gericht sowie auf der Entbindungsstation spielen, auf Berufstätige in diesen Einrichtungen als Laiendarsteller zurückgegriffen hat, gewinnt der mehrfach an die Nieren gehende Film an zusätzlicher Authentizität. Bei den 45. Biberacher Filmfestspielen gabs gerade den „Goldenen Biber“ als bester Spielfilm – rechtzeitig zum Kinostart. „Monster im Kopf“ läuft im Sweetsixteen Dortmund, im Bambi Düsseldorf sowie im Luna im Astra Essen, hier aber nur am 13. und 14. November 2023.

Montag, 13. November 2023 | Autor: Pitt Herrmann