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Hüh oder Hott - die coolcats fragen sich:

Kinderschutzbund vs. Kinderklinik

In meinem familiären Umfeld wurde im letzten Jahr ein Kind geboren mit einer Fußdeformität. Früher nannte man das Klumpfuß. Man behandelt das mit sogenannten Redressions-Verbänden. Das sind Gipsverbände, mit denen der Fuß Zug um Zug gerade gebogen wird, so dass am Ende keine nennenswerten Deformierungen mehr vorliegen. Das Zeitfenster der Behandlung reicht von der Geburt bis zu dem Zeitpunkt, wo die Kinder laufen lernen. Diese Gipsverbände sind für das Kind keineswegs vergnüglich. Insbesondere in den ersten Tagen nach der regelmäßig erforderlichen Nachregulierung des Gipses haben die Kinder erhebliche Schmerzen. Kind wie Eltern kann das an den Rand der psychischen Belastbarkeit führen. Kaum jemand würde jedoch auf den Gedanken kommen, im Hinblick auf die Belastungen, die dem Kind zugemutet werden, die Notwendigkeit der Behandlung infrage zu stellen.

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Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey.

Bei psychischen Erkrankungen sieht das vielfach ganz anders aus. Nach dem Shitstorm der vergangenen Wochen war ich höchst gespannt, den Film Elternschule zu sehen. Ich muss sagen, danach bin ich empört – keineswegs über das Therapeuten-Team der Kinderklinik. Das ist ein Team mit einer außergewöhnlichen Kompetenz und einem beeindruckenden Engagement. Nein, empört bin ich über die Schlaumeier und Gutmenschen, die sich anmaßen, die gezeigten Therapien beurteilen zu können. Das, obwohl sie offensichtlich nicht einmal unterscheiden können zwischen Therapie eines hochgradig krankhaften Zustandes und alltäglichen Erziehungsratschlägen. Vor allem bin ich empört über den Präsidenten des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers. Seine, offenbar durch keinerlei psychotherapeutischen Sachverstand getragenen Äußerungen haben sogar dazu geführt, dass ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Zum Glück sitzen in dieser Behörde Profis, die den Unsinn der Strafanzeige sofort erkannten und das Verfahren nach kürzester Zeit eingestellt haben.

Die gezeigten Therapieinhalte haben keineswegs etwas mit Schwarzer Pädagogik gemein. Vielmehr handelt es sich um ein letztes Mittel, bevor sich die Kinder massiv selbst schädigen oder gar in Lebensgefahr bringen. Am Ende besteht sogar die Gefahr, dass Eltern die Kontrolle über sich verlieren und es zu Misshandlungen kommt. Nach allen sachverständigen Beurteilungen, die mir zugänglich waren, entsprechen die Therapie-Inhalte den Regeln der ärztlichen beziehungsweise psychotherapeutischen Kunst. Sie werden nicht nur in Gelsenkirchen sondern auch an über 40 weiteren Kliniken in Deutschland praktiziert. Voraussetzung ist in jedem Falle das Vorhandensein eines Teams mit der notwendigen Qualifikation. Und es braucht – auch das sollte nicht vergessen werden – eine hohes Maß an Idealismus. Sonst kann ein Therapeut diese Tätigkeit nicht langfristig durchhalten.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich halte aggressive Gewalt gegen wen auch immer – Mensch, Tier und ganz besonders Kinder - für völlig indiskutabel. Die in dem Film dargestellte Konsequenz ist empathisch und liebevoll. Sie hat mit Gewalt nicht das geringste zu tun und ist ggf. ein ultimatives Mittel, um spätere Katastrophen abzuwenden. Ich bestreite nicht, dass der Titel des Films Elternschule unglücklich gewählt sein könnte. Suggeriert er doch möglicherweise, dass hier ganz normale Erziehungspraktiken vermittelt werden, wo es sich doch ausschließlich um die Therapie massiver sogenannter Regulations-Störungen handelt. Auch mag es Therapien geben, die sich weniger spektakulär darstellen. Ob sie gleichermaßen erfolgversprechend sind, entzieht sich meiner Kenntnis.

Der Kinderschutzbund hat einen hohen ethischen Anspruch und dementsprechend auch eine hohe Verantwortung. Er ist jedoch als wissenschaftliche Kontrollinstanz weder qualifiziert noch zuständig. Dafür sind Fachgesellschaften da, die heutzutage die Leitlinien in medizinischen und psychologischen Prozessen erstellen. Dort sitzen die Fachleute, die das verantwortlich betreiben. Die in dem Film gezeigten Therapien entsprechen diesen Leitlinien voll und ganz.

Auf der Internetseite des Kinderschutzbundes wird indirekt eingeräumt, dass die Äußerungen ihres Präsidenten nur auf der Sichtung des Trailers zu dem Film beruhen. Aufgrund einer unvollständigen Information derart weitgehende Äußerungen in der Funktion des Präsidenten des Kinderschutzbundes zu tätigen, ist schlicht verantwortungslos. Herr Hilgers ist Verwaltungswirt und war als solcher mehrfach Bürgermeister und Leiter des Jugendamtes der Stadt Dormagen. Dort und auch als Präsident des Kinderschutzbundes mag er so einiges gesehen haben, das sein sicher lobenswertes Engagement für Kinderrechte beflügelt. Durch seine unqualifizierte Stellungnahme zu dem Film Elternschule und der Arbeit der Kinderklinik Gelsenkirchen hat er jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit etliche betroffene Eltern so verunsichert, dass diese sich nicht mehr trauen, die Hilfe dieses hoch kompetenten und außergewöhnlich engagierten Teams in Anspruch zu nehmen. Damit schadet er Kindern!

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Mir stellt sich durchaus die Frage, ob er mit einer derartigen Fehlleistung nicht nur Kindern sondern auch dem Ansehen des Kinderschutzbundes geschadet hat und somit als dessen Präsident noch tragbar ist.

| Autor: Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey