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Kleine Shopping-Pause im Film

Sönke Möhring wieder im Kino

Kida Khodr Ramadans 'Haltlos'

Sönke Möhring, 1972 in Unna geboren und, nachdem sein Vater zum Unternehmen Heitkamp gewechselt war, wie sein ungleich bekannterer Bruder Wotan Wilke Möhring in Herne aufgewachsen, ist nach zahllosen Fernsehspielen endlich wieder auf der großen Kinoleinwand zu sehen – in „Haltlos“ von Kida Khodr Ramadan. Der mit seiner Familie in Berlin lebende Schauspieler und Hörspielsprecher (Radio-Tatort des WDR) hat zuletzt die Miniserie „Wo wir sind, ist oben“ gedreht, die Mitte Juni 2024 erstausgestrahlt wurde und in der ARD-Mediathek gestreamt werden kann. Eine zweite Staffel ist in Vorbereitung.

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Wasser kann zerschmettern

„Mein Name ist Martha. Wasser kann fließen. Oder es kann zerschmettern“ lässt sich eine Stimme aus dem Off vernehmen. Dabei handelt es sich offenbar um die junge Frau, die selbstvergessend im abgedunkelten Raum tanzt, bis sie sich erschöpft aufs Bett fallen lässt. Schnitt. Martha (Lilith Stangenberg) sitzt jetzt in einem ernüchternd hell erleuchteten Flur. Ihre heftige, rein auf Sex basierende Affäre mit dem verheirateten Familienvater Sebastian (Samuel Schneider) ist nicht folgenlos geblieben, weshalb sie das noch ungeborene Kind zur Adoption freigeben will.

Der durchaus verständnisvolle Sachbearbeiter Lorenz (Uwe Preuss) warnt Martha, dass der Abschied von ihrem Kind um so schmerzhafter ausfällt, je näher sie ihm ist. Weshalb er ins Protokoll für die Geburtsklinik aufnimmt, dass Martha, die „Vater unbekannt“ angegeben hat, bereits unmittelbar nach der Geburt von ihrem Kind getrennt werden soll.

Sönke Möhring, hier in der Titelrolle des Martin Koslowski in der ARD-Serie „Heiter bis tödlich“, ist jetzt in „Haltlos“ wieder auf der großen Leinwand zu sehen.

Alles scheint seinen Gang zu gehen: Sebastian zeigt sich nur im ersten Schreckmoment sauer über ihre ohne ihn getroffene Entscheidung, schließlich wäre eine Trennung von seiner Familie, um mit Martha eine neue zu bilden, nie in Frage gekommen. Und ihr Chef, der Berliner Musikproduzent Carsten (Stipe Erceg), gibt Martha selbstverständlich Mutterschaftsurlaub.

Ein Kind als Gottesgeschenk

„Ein Kind ist ein Gottesgeschenk. Ein Kind gehört zur Mama“: Ihre Freundin und Kollegin Fiona (Susana Abdul Majid) dagegen sehnt sich nach einer eigenen Familie, selbstverständlich mit Kindern, und kritisiert die inzwischen im fünften Monat schwangere Martha, welche sich auf der Feier des 55. Geburtstages ihrer beruflich erfolgreichen Mutter (Jeanette Hain) Feigheit vor der Verantwortung vorhalten lassen muss: Sie habe als Alleinerzieherin zwei Töchter großgezogen und sei bereit, Großmutterpflichten zu übernehmen.

Auch Marthas in scheinbar gesicherten Verhältnissen lebende Schwester (Zsá Zsá Inci Bürkle) sichert Hilfe zu, übergibt mit ihrem Gatten (der Herner Schauspieler Sönke Möhring) schon ‘mal eine Tasche voller Babysachen ihres ersten Kindes.

„Ich kann nicht, ich bin keine gute Mutter, ich bin viel zu egoistisch – und es ist mir egal“: Martha schaut sich die nächste Babyklappe an, falls sie es nicht bis in eine Klinik schafft. Die Wehen treten in der U-Bahn-Station Rosenthaler Platz auf und mit dem Notarzt geht’s in die Klinik: Weil die Hebamme (Jasmin Tabatabai) nicht genau genug in die Unterlagen geschaut hat, kommt das Neugeborene zur Mutter. Und Martha ist plötzlich mit der Adoption nicht mehr einverstanden. Zusammen mit Sebastian gelingt es ihr, Herrn Lorenz davon zu überzeugen, dass die kleine Elsa bei ihr besser aufgehoben ist als bei den gut situierten Adoptiveltern (Stephanie und Till Reiter).

Kampfsport mit Lilith Stangenberg

Doch dann bekommt Martha weder den Beruf, ihr Projekt eines Talentwettbewerbs betreut inzwischen die Kollegin Stella (Nadine Ahlig), noch ihr Leben als Mutter in den Griff: Plötzlich sind alle Hilfsversprechungen Makulatur, von ihrem jegliches Interesse vermissen lassenden Vater (Thorsten Merten) ganz zu schweigen. Martha irrt wie unter Drogen durch Berlin, mit dem Säugling im Arm: „Du hast ‘was Besseres verdient. Ich bin keine Mutter…!“

Martha (Lilith Stangenberg, r.) beobachtet heimlich das Familienglück ihrer Tochter Elsa im Garten der Adoptiveltern (Stephanie und Till Reiter).

„Haltlos“ von Antje Schall (Buch) und Kida Khodr Ramadan (Regie) erzählt gleichermaßen verstörend wie berührend die Geschichte einer nicht mehr ganz so jungen Frau, die mit der Entscheidung, das ungewollte Kind des bis zuletzt heißgeliebten Erzeugers zur Adoption freizugeben, hadert. Die Berliner Extrem-Schauspielerin Lilith Stangenberg (Volksbühne) macht daraus eine ziemlich unter die Haut gehende, ja, auch nervende Geschichte einer abgrundtiefen Überforderung.

Jede Szene sei „eine Art Kampfsport“ gewesen, es ging „immer um Taktik und das Balancieren zwischen Austeilen und Einstecken, zwischen Angriff und Verteidigung“, so die von Kida Khodr Ramadan im Presseheft als seine Ko-Regisseurin bezeichnete Protagonistin. Welche die Handvoll situationsbedingter Songs von Brezel Göring (alias Hartmut Richard Friedrich Ziegler, aktuelles Album „Friedhof der Moral“) eher leise interpretiert.

Marthas Opfergang

Lilith Stangenberg im Presseheft: „Ich begreife Marthas Weg als einen Opfergang: wo sie geschlagen wird, hält sie die andere Wange auch noch hin. Sie schafft es nicht, sich den Wertvorstellungen ihrer Umgebung anzupassen, sie ist auf der Suche nach wirklicher Nähe und in einer Gesellschaft, die mehr von sinnloser Beziehungslosigkeit und Heuchelei geprägt ist, ist ihre Antwort einsame Rebellion gegen die überfordernde, raue Sachlichkeit ihrer Zeit. Marthas Suche, ihr Weg, ist ohne 'Erlösung‘ oder 'Ankommen‘ und das Ende ist nicht happy.“

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Das 97-minütige, über weite Strecken frei improvisierte Drama „Haltlos“ ist am Samstag (19.10.2024) anlässlich des Film Festival Cologne im Filmpalast Köln uraufgeführt worden und am Donnerstag, 24. Oktober 2024 in den Kinos gestartet, bei uns zu sehen im Sweetsixteen Dortmund, in der Galerie Cinema Essen und im Metropol Dortmund.

Donnerstag, 24. Oktober 2024 | Autor: Pitt Herrmann
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