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Kein Abschiebungsschutz für Iraker aus Bagdad

Münster. Das Oberverwaltungsgericht hat mit dem am Mittwoch (28.8.2019) verkündetem Urteil entschieden, dass die Sicherheitslage in Bagdad aktuell nicht derart schlecht und die humanitären Verhältnisse dort nicht derart prekär sind, dass aufgrund dadurch bedingter allgemeiner Gefahren ohne Weiteres ein Anspruch auf unionsrechtlichen oder nationalen Abschiebungsschutz besteht. Die Klägerin, eine Schiitin aus Bagdad, reiste im November 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ablehnte. Auf ihre hiergegen erhobene Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen die Bundesrepublik Deutschland, der Klägerin subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG (unionsrechtlicher Abschiebungsschutz) wegen einer Gefährdung der Klägerin als Zivilperson im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zuzuerkennen. Die Berufung der Bundesrepublik Deutschland gegen diese Entscheidung hatte Erfolg.

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In der mündlichen Urteilsbegründung führte die Vorsitzende aus: Der Senat könne offen lassen, ob in Bagdad aktuell ein „innerstaatlicher bewaffneter Konflikt“ im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG vorliege. Jedenfalls führten die in Bagdad auch nach der weitest gehenden territorialen Zurückdrängung des sog. Islamischen Staates (IS) nach wie vor stattfindenden bewaffneten Auseinandersetzungen sowie die hauptsächlich durch den IS begangenen terroristischen Anschläge nicht ohne Weiteres dazu, dass jede Zivilperson allein durch ihre Anwesenheit in Bagdad mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer individuellen Gefährdung ausgesetzt wäre. Die nach der Rechtsprechung für eine solche Annahme erforderliche Gefahrendichte sei nicht erreicht. Die Auswertung der von verschiedenen Organisationen, darunter etwa von UNAMI (Unterstützungsmission der Vereinten Nationen im Irak) erfassten Daten habe ergeben, dass die Opferzahlen in Bagdad seit 2018 stetig gesunken und aktuell auf dem seit Jahren niedrigsten Niveau seien. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl Bagdads von 6 bis 7 Millionen ergebe sich für die Zivilbevölkerung eine Gefährdungswahrscheinlichkeit, die derzeit weit unterhalb der abschiebungsschutzrelevanten Schwelle liege.

Auch die derzeitige humanitäre Lage in Bagdad führe nicht generell auf ein (nationales) Abschiebungsverbot. Zwar sei die Versorgungslage im Irak und auch in Bagdad in vielen Bereichen unzureichend; die Lebensbedingungen seien für große Teile der Bevölkerung sehr schwierig. Zu berücksichtigen seien aber immer auch die individuellen Umstände der schutzsuchenden Person. Der Senat schließe nicht aus, dass im Einzelfall, insbesondere bei besonders verletzlichen Personengruppen, eine nach der Rechtsprechung erforderliche „außergewöhnliche Situation“ vorliegen könne, in der aus humanitären Gründen eine Abschiebung unzulässig sei. Im Fall der Klägerin, die im Irak aufgewachsen sei, in Bagdad gelebt habe und dort nach wie vor über Familienanschluss verfüge, liege eine solche Situation aber nicht vor.

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Allgemeinen Gefahren, etwa aufgrund der volatilen Sicherheitslage und der ange-spannten Versorgungslage, denen die Bevölkerung im Irak insgesamt ausgesetzt sei, werde durch die derzeitige Erlasslage im Land Nordrhein-Westfalen Rechnung getragen: Es werden - wie schon seit Jahren - grundsätzlich keine zwangsweisen Rückführungen in den Irak durchgeführt. Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen kann Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werden, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet. Aktenzeichen: 9 A 4590/18.A (I. Instanz: VG Gelsenkirchen 15a K 6732/17.A)

| Quelle: Oberverwaltungsgericht NRW