
Unverbesserlicher Revoluzzer im Wollstrickpullover
Joachim Król in 'Die Auferstehung'
Eigentlich ist es ein Routinebesuch von Linda (eine wahre Furie: Leslie Malton) und ihrem Mann Fred (Herbert Knaup), obwohl sie schon geraume Zeit nicht mehr in der Villa waren. Ein Jahr ist es nun her, als Lindas Vater, Prof. Dr. Ebinger (Peter Maertens), Chefarzt des Universitätsklinikums Ulm, seine „Prinzessin“ ausgesperrt hat, indem er das Haustürschloss auswechselte. Weshalb Fred nun, nachdem auf mehrmaliges Klingeln keine Reaktion erfolgt und die Zeitungen im Briefkasten davon künden, dass dieser schon seit mehreren Tagen nicht mehr geleert worden ist, das Fenster der Terrassentür einschlagen muss, um ins Innere zu gelangen.
Sie finden den 89-Jährigen friedlich eingeschlafen auf dem roten Sofa mitten im Wohnzimmer liegend - die eine Hand an der TV-Fernbedienung, die andere am Hosenschlitz. Wie sich herausstellt, war es ein Pornostreifen, den sich der erstaunlich virile alte Herr bei einigen Gläsern Sekt gegönnt hat.
„Ich finde, man kann sich freudloser verabschieden als mit einer Flasche Schampus und seinem Johannis in der Hand“: Was Fred neidlos anerkennt, der sich extensiv an den Tokajer-Beständen aus dem nach einem Rohrbruch überfluteten Keller des Hauses bedient, findet seine Gattin und einzige Tochter des Toten entsetzlich – und alarmiert sogleich ihre drei Brüder Joschi (Joachim Król), Jakob (Dominic Raacke) und Uli (Michael Rotschopf). Obwohl oder gerade weil der Verstorbene mit seinen Kindern nichts mehr zu tun haben wollte, da diese mit seiner Lebensführung nicht einverstanden waren. Genauer gesagt: mit seiner Pflegerin Anna Varga (Tatiana Nekrasov).
Erstaunlich viriler Witwer
Schließlich hat der zuletzt an Parkinson leidende und wieder erstaunlich lebendige Witwer dieser, so Linda, „ungarischen Hure“ bereits das Ferienhaus in Arona vermacht, sodass die Gefahr besteht, dass auch ihr restliches Erbe an die junge Frau gehen könnte. Zumal auch die Garage leer und Anna offenbar mit Papas Wagen in ihrer mayarischen Heimat unterwegs ist. Zwischen Mitte 50 und Mitte 60 haben die Kinder ihr Leben in Abgrenzung zur strebsamen Elterngeneration geführt. Nun könnten sie einen Erbteil gut gebrauchen, weshalb sogleich im ganzen Haus eine intensive Suche nach dem Testament beginnt, um es gegebenenfalls gleich wieder verschwinden zu lassen.
Besonders Joschi, der sich einst mit einer Feriensiedlung an der Algarve verspekulierte, hätte Bares nötig, fehlen dem unverbesserlichen Revoluzzer im Wollstrickpullover, der immer noch in seiner Heidelberger Studentenbude haust und keine Aussicht auf Rentenzahlungen hat, doch schon die zwanzig Euro fürs Taxi. Bisher haben ihn regelmäßige Überweisungen des Vaters über Wasser gehalten, aber damit ist ja nun Schluss. Was den dünkelhaften Weltverbesserer („Ich hab der Kleinfamilie schon immer misstraut“) nicht davon abhält, auf Fred herabzublicken, da er es nur zum Volkshochschullehrer in Memmingen gebracht hat, wo seine Gattin Linda ein Kulturzentrum leitet.
Familienaufstellung
Immerhin aus Paris reist der Filmregisseur Jakob an, der dort eine Fernsehproduktion über den französischen Naturwissenschaftler und christlichen Philosophen Blaise Pascal dreht – und zur Überraschung seiner Schwester einen Schlüssel zur väterlichen Villa besitzt. Nesthäkchen Uli, ein abgebrochener Medizinstudent, der mit seiner erheblich jüngeren Gattin Franziska (naiv-verkitscht: Brigitte Zeh) anreist, wird von privaten Problemen geplagt: Ein Paar-Workshop soll seine Ehe retten. Was wohl ein aussichtsloses Unterfangen sein dürfte, nimmt man Franziskas schmachtende Blicke für den so smarten wie intellektuellen Jakob als Gradmesser. Der wäre im übrigen auch gar nicht abgeneigt, doch ein Quickie in der Küche unter den Augen seiner Geschwister ist dann doch eine zu große psychische Herausforderung.

Während die sechs auf den Münchner Anwalt Max Schmeler (Mathieu Carrière) warten, der offenbar näheres über ein Testament weiß, sollte es eines geben, diskutieren sie über die Beerdigungsmodalitäten (zu Mama ins Grab oder anonym im Friedwald) – und erinnern sich mehr oder minder wehmütig an alte Zeiten. An Max, „das Schwein“, der vor Jahrzehnten kurz vor der Hochzeit mit Linda stand, lässt die gesamte Schar kein gutes Haar. Als der Porsche des eiskalten Erfolgsanwalts vor der Haustür steht, ist es Zeit für den Showdown...
Alt-68er Tragikomödie
n Niki Steins 90-minütiiger Alt-68er-Tragikomödie nach einem Drehbuch von Karl Heinz Käfer, dem der gleichnamige Roman von Karl Heinz Ott aus dem Jahr 2015 zugrunde liegt, streiten sich untereinander verfeindete Geschwister ums Erbe. Ein virtuoses Kammerspiel, eingefangen von Michael Scheitels Kamera, das an die Bühnenstücke Yasmina Rezas („Der Gott des Gemetzels“) erinnert.
Der Regisseur („Big Manni“) über „Die Auferstehung“: „Es ist meine Generation. Und auch ich habe drei Geschwister, nur waren meine Eltern so klug, uns nichts zu vererben. Karl-Heinz Ott und dem Drehbuchautor Karl Heinz Käfer ist ein wunderbarer Blick auf diese Generation gelungen, die sich irgendwie Zeit ihres Lebens an ihren Eltern abgearbeitet hat. Selbst angesichts des Todes der Eltern benehmen sie sich noch, wie Kinder. Alles kommt wieder hoch, herrlich, man kennt das!“ Zur Musik von Jacki Engelken hat sich ein erlesenes Schauspieler-Ensemble vor der Kamera Michael Schreitels versammelt, allen voran die explosiven Streithähne Leslie Malton und Joachim Król (ungewohnt mit Vollbart).
„Die Auferstehung“, vom 27. November bis zum 20. Dezember 2017 in Berlin gedreht, ist am 2. Juli 2018 beim Filmfest München uraufgeführt worden. Die ARD zeigt die durchaus leinwandtaugliche Bildschirmadaption des gleichnamigen Romans von Karl-Heinz Ott am Mittwoch, 28. Mai 2025, um 20.15 Uhr und am Donnerstag, 29. Mai 2025 um 01.40 Uhr im „Ersten“ sowie am Sonntag, 1. Juni 2025, um 20.15 Uhr in One.
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- Mittwoch, 28. Mai 2025, um 20:15 Uhr
- Donnerstag, 29. Mai 2025, um 1:40 Uhr