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Die cool cats fürchten sich nicht vor der Spritze.

Kolumne von Dr. Gerd Dunkhase

Hoheitsgebiet

In den frühen 80er Jahren wurde die damalige deutsche Ärzteschaft von einer der übelsten Anmaßungen in der Geschichte des hiesigen Gesundheitswesens erschüttert: Die Apotheker, bislang eher als niedere Vasallen des Ärztestandes eingeordnet, wollten ihren Kunden unentgeltlich den Blutdruck messen! Ein empörter Aufschrei eines bis ins Mark getroffenen Berufsstandes hallte durch die Republik. In Zeiten, als der „Herr Doktor“ zumindest in der Selbstwahrnehmung der Ärzte noch über der „Durchlaucht“ angesiedelt war, entsprach das geradezu einer Majestätsbeleidigung. Der hoheitliche Akt einer diagnostischen Maßnahme und sei sie noch so simpel, sollte fernab ärztlicher Regentschaft von niederen Apothekern, am Ende gar von ihren Verkäuferinnen, ausgeführt werden! Undenkbar! Es war kurz nach meiner Niederlassung im Jahre 1986. Mein schüchterner Einwand bei einer Diskussionsveranstaltung mit Ärzten und Apothekern, das Blutdruckmessen der Apotheker sei doch eine clevere Marketingmaßnahme für unser „ärztliches Geschäft“, führte dazu, dass mich ein älterer Kollege als „geldgeilen Jungspund und Standesschädling“ titulierte. Zufälligerweise traf ich ihn nach Ende der Veranstaltung auf dem Parkplatz wieder, als er gerade in sein V8-Mercedes-Coupe einstieg…

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In den Folgejahren kam unzählige Patienten in meine Praxis, um ihren zuvor in der Apotheke gemessenen Blutdruck, egal ob hoch, normal oder niedrig, noch einmal von einem „Fachmann“ überprüfen zu lassen. Nun ja...

Aber es kam noch schlimmer. Die Chemie entwickelte sich und machte es möglich, aus einem Blutstropfen aus der Fingerbeere oder gar aus dem Speichel Laborwerte zu erheben, die zuvor nur in den hochgerüsteten Labors der Krankenhäuser oder der Ärzteschaft durch Entnahme von reichlich Venenblut zu ermitteln waren. Dann eroberte auch noch „Doktor Google“ die deutschen Wohnzimmer. Plötzlich kamen Leute in die Praxis, die ihre Diagnose im Do-it-yourself-Verfahren im Internet recherchiert hatten und nunmehr das Rezept für die entsprechende Behandlung verlangten. Der kollektive Verarmungswahn und Panikattacken vor drohendem Bedeutungsverlust wurden zu verbreiteten ärztlichen Berufskrankheiten. Aber auch diese Leiden haben die Ärzteschaft nicht hinweggerafft.

Da sticht die Apotheker wieder der Hafer: Jetzt wollen sie auch ins Impfgeschäft einsteigen! Und wieder wiegt man in den Kassenärztlichen Vereinigungen und Ärztekammern bedenklich mit dem Haupte. Und das, obwohl die heutigen Ärzte eigentlich deutlich cooler und weniger von ärztlichem Standesdünkel geprägt scheinen.

Die Sache mit der Impfung hat allerdings einen Haken. Hier wird nämlich nicht nur ein Tröpfchen Blut oder Spucke abgezapft, sondern es wird ein Stoff mit einer durchaus relevanten Wirkung durch die Haut in den Körper verbracht. Das ist aber nach deutschem Recht eine Körperverletzung, also ein Straftatbestand. Der ist nur dann straffrei, wenn die Maßnahme von entsprechend fachlich geschulten Menschen mit einem abgeschlossenen Medizinstudium oder unter ihrer Aufsicht erbracht werden. Auch Ärzte und ihr Assistenzpersonal sind nur dann straffrei, wenn sie alle bekannten wissenschaftlichen Qualitätskriterien erfüllt haben.

Nun sind Impfungen heutzutage zwar extrem geringfügige und vor allem risikoarme Eingriffe. Da kann man schon mal zum Leichtsinn tendieren. Aber es handelt sich eben doch um eine deutlich andere Hausnummer als diagnostischer Kleinkram wie Blutdruck, Blutzucker oder Cholesterin. Diejenigen, die impfen, sollten genauestens über mögliche Impfkomplikationen, seien sie auch noch so selten, Bescheid wissen und ihnen ggf. auch begegnen können. Sie müssen ihre Kunden/Patienten nach den gleichen Maßstäben aufklären, wie Ärzte. Nicht zuletzt müssen sie für von Ihnen zu verantwortende Komplikationen haften und entsprechend versichert sein.

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Dann wäre es nach meinem Verständnis auch egal, ob der Impfende Arzt oder Apotheker ist.

| Autor: Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey