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Ruhrbesetzung 1923.

Ruhrhistorie in Reportagen und Lesungen

Hemingway auf Hütte

Welch eine Entwicklung: Zwischen Landstrichen und einzelnen Gehöften entstanden Städte mit Industrie und Zechen, pulsierendem Leben bei Tag und Nacht – das Ruhrgebiet. Literarische Reportagen in Buchform sowie drei Lesungen beleuchten das Revier zwischen 1923 und 1973.

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„Der rheinisch-westfälische Kohlenpott ist nämlich neuerdings ein beliebtes Ausflugsziel der Reporter geworden“, notierte der Verfasser des ersten Ruhrgebiets-Romans Erik Reger 1930. Sogar der amerikanische Nobelpreisträger Ernest Hemingway, Schriftsteller und Sonderkorrespondent, gab hier seine Visitenkarte ab und erstattete den Kanadiern über die Ruhrbesetzung, die heute vielfach in Vergessenheit geraten ist, 1923 Bericht. Auch „der“ Journalist und Reporter der 1930er Jahre, Egon Erwin Kisch ließ sich blicken.

Erik Regers Ruhrgebiets-Roman „Union der festen Hand“ ist neu aufgelegt worden.

Der Germanist Dirk Hallenberger hat nun als Herausgeber im Verlag Henselowsky Boschmann unter dem Titel 'In Sachen Stadtschaft' ein wohlfeiles, informatives, menschlich bewegend aber auch erschütterndes Buch publiziert. Es ist chronologisch ausgerichtet und zeichnet mit 23 literarischen Reportagen und Aufzeichnungen von 1923 bis 1973 fünfzig Jahre Revier- Geschichte nach.

2023 jährt sich zum hundertsten Mal der Zeitpunkt, an dem die ersten literarischen Reportagen zum Ruhrgebiet erschienen. Ursache war die Ruhrbesetzung (1923–25), durch welche die Region auch politisch auf sich aufmerksam machte. Denn erst in den 1960er- und 70er-Jahre entstand neues Interesse für die Reportage, wofür wiederum äußere Umstände maßgebend waren wie etwa die gewandelte Arbeitswelt mitsamt ihren Folgen.

„Die Industrie! Groß und gespensterhaft, gigantisch aufgetürmt, hebt sie sich aus der Ebene. Ein Bollwerk von Eisenkonstruktionen, Fördertürmen und Seilbahnen, an denen die Wagen auf und nieder sausen und durch die Luft fahren. Dazwischen drehen sich die Räder an den Türmen, wälzen sich die die Schutthalden und Schlackenberge ...“ beobachtete und schrieb die Schweizer Kinderbuchautorin Lisa Tetzner 1923.

Der langjährige Düsseldorfer FAZ-Kulturkorrespondent Andreas Rossmann stellt „Union der festen Hand“ mit zwei Lesungen vor.

Nicht jede Stadt und deren Spezifika fand Eingang in dieses Büchlein. Dortmund und Essen, Brauer, Borussia sowie Krupp, nehmen breiten Raum ein. Josef Reding und Max von der Grün, die wohl renommiertesten Arbeiterschriftsteller kommen zu Wort; den „Feierabend auf der Mont-Cenis-Halde“ schildert Günter Bruno Fuchs als eine kleine anekdotische Reverenz an die Vergangenheit unserer Stadt.

Wie kein anderer Roman der Zeit veranschaulicht 'Union der festen Hand‘, wie sich Industriemagnate und Nationalsozialisten aufeinander zubewegen. Der langjährige NRW-Kulturkorrespondent der „Frankfurter Allgemeinen“, Andreas Rossmann, schrieb ein Nachwort für diesen im Schöffling-Verlag gerade neu aufgelegten über 600 Seiten umfassenden „Wälzer“ von Erik Reger, den wir zu Beginn zitierten. Dieses Buch (halloherne berichtete) gilt als erster Roman, das sich literarisch mit dem „Pott“ befasst.

Das heute eher als historischer Roman wahrgenommene Mammutwerk, das die Zeitspanne von 1918 bis 1928 beleuchtet, sollte auf Rossmann-Lesungen vorgestellt werden, die teils Corona-bedingt ausfallen mussten, so im Rahmen der Literaturtage Recklinghausen sowie auf Einladung der Essener Buchhandlung Proust.

Schon jetzt stehen zum Vormerken Termine fest. Dies sind 9. März 2023, VHS Essen, 18:20 Uhr; 22. März 2023, Recklinghausen Institut für Stadtgeschichte 19 Uhr und 25. April 2023, Stadtbibliothek Düsseldorf 19 Uhr. Die Uhrzeiten können sich noch leicht verschieben.

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Ein Dank geht in jedem Fall an Hallenberger und Boschmann. Nur durch Kenntnis der Vergangenheit kann man im Heute zukunftsgerichtet leben und Lehren ziehen. Das besprochene Buch hat rund 170 Seiten, trägt die ISBN 978-3-948566-15-9 und kostet 14,90 Euro.

| Quelle: Sabine Herrmann
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