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Gretel (Heejin Kim) und Hänsel (Lina Hoffmann) haben Spaß daheim – zumal wenn die Eltern nicht da sind.

Abschiedsgeschenk von Michael Schulz

„Hänsel und Gretel“ am MiR

Hänsel (Lina Hoffmann alternierend mit Bele Kumberger) und Gretel (Margot Genet alternierend mit Heejin Kim), die Kinder des Besenbinders Peter (Benedict Nelson alternierend mit Simon Stricker) und seiner Frau Gertrud (Almuth Herbst alternierend mit Anke Sieloff), toben daheim übermütig herum, während ihre Eltern nicht daheim sind. Als Gertrud zurückkehrt und das Chaos mitbekommt, geht ein neuer Topf zu Bruch. Für die arme Familie, die häufig hungrig ins Bett gehen muss, ein großer Verlust.

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Weshalb die Mutter ihre Kinder zur Strafe zum Erdbeerpflücken in den Wald schickt. Was sie schon wenig später bereut, als ihr Mann nach guten Geschäften mit Taschen voller Lebensmittel zurückkehrt und nach den Kindern fragt. Diese haben sich offenbar bei heraufkommender Dunkelheit verlaufen, weshalb sich die besorgten Eltern sogleich auf die Suche nach ihnen begeben…

Beliebte Märchenoper

Das gläserne Haus der Knusperhexe (Adam Temple-Smith) übt eine magische Anziehungskraft auf Gretel (Margot Genet) und Hänsel (Bele Kumberger) aus.

Die Geschichte, eine der beliebtesten Märchenopern der Musikliteratur, ursprünglich nur für den Hausgebrauch des Komponisten Engelbert Humperdinck entstanden, dessen Schwester Adelheid Wette das Libretto nach dem gleichnamigen Hausmärchen der Brüder Grimm geschrieben hat, darf als bekannt vorausgesetzt werden. Und dennoch hat gerade das deutsche Regietheater seit der Uraufführung am 23. Dezember 1893 im Hoftheater Weimar unter der musikalischen Leitung von keinem Geringeren als Richard Strauss immer wieder neue Akzente gesetzt.

Was sich gerade auch an der Gelsenkirchener Aufführungstradition ablesen lässt. Als das MiR noch unter „Schillertheater NRW“ firmierte, gab Anke Sieloff 1997 den Hänsel an der Seite von Anja Harteros als Gretel in Carin Marquardts psychoanalytisch gedeutetem Traumspiel mit Zuckerstangen-Bäumen in einem aus den Fäden des Wollknäuels der Mutter gebildeten Wald. Und Michiel Dijkema inszenierte 2010 mit Almuth Herbst als Hänsel und Alfia Kamalova als Gretel einen ziemlich gruseligen Abend „nicht nur für Kinder“, in dem der Hydra immer neue Köpfe nachwuchsen. Also kein familientaugliches Weihnachtsmärchen, dafür sorgte Michael Schulz, MiR-Intendant seit 2008, mit „Paula und die Rimimos“.

Wundervolles Abschiedsgeschenk

In „Hänsel und Gretel“, seiner letzten Inszenierung in seiner Funktion als „General“ des MiR, die am Premierenabend des 16. November 2024 in Ovationsstärke gefeiert wurde, setzt der vorzeitig ans Staatstheater Saarbrücken wechselnde Michael Schulz ganz auf ein kindgerechtes, aber deshalb keineswegs altbackenes Märchen. Mit der hinzuerfundenen Figur des Namenlosen (Sebastian Schiller) ergänzt er die Geschichte und komplettiert die finale glückliche Familienzusammenführung. Bei der die Knusperhexe (Martin Homrich alternierend mit Adam Temple-Smith) nicht im eigenen Ofen verbrennt, sondern nur gefesselt und also unschädlich gemacht wird unter der jubelnden Heerschar der aus ihrer Gefangenschaft befreiten Kinder (MiR-Kinderchor und die Kinder der Akademie für Gesang NRW).

Giuliano Beta am Pult lässt das zweistündige sinfonische Meisterwerk Humperdincks erblühen samt aller so berühmten wie berührenden Volkslieder von „Suse, liebe Suse“ und „Schwesterlein, hüt’ dich fein“ über „Brüderchen, komm tanz mit mir“ und „Ein Männlein steht im Walde“ bis hin zum hauchzarten, schier überirdischen und nur mit Delibes „Blumenduett“ aus seiner Oper „Lakmé“ vergleichbaren „Abendsegen“. Gleichzeitig entfaltet sich auf der Bühne des Großen Hauses der phantastische Zauber der Leos Janacek-Produktion „Das schlaue Füchslein“, die das gleiche Regieteam in der Spielzeit 2022/23 am MiR realisierte: Martina Feldmanns fantasievolle Tiere kehren zurück, werden sogar noch um ein paar neue ergänzt in Heike Scheeles großem Waldpanorama unter dem aufgehenden Mond.

Besonderer Hingucker

Ein besonderer Hingucker ist das Knusperhäuschen, das nicht wie sonst üblich mit Lebkuchen bedeckt ist, sondern einem gläsernen Weihnachtsmarkt-Pavillon mit Puppen von Käthe Kruse gleicht. In ihm residiert ein scheinbar zeitgeistiger Transvestit in schrillem Rosa wie jüngst auch Alexander Günther in Hasko Webers Weimarer Neuinszenierung, in Wirklichkeit ist das ein alter Hut: William Saetre gab schon vor 14 Jahren in Gelsenkirchen eine queere Parodie im Hella von Sinnen-Overall.

Die weiteren Vorstellungen von „Hänsel und Gretel“ im Großen Haus:

  • Donnerstag, 28. November 2024, 19:30 Uhr
  • Samstag, 30. November 2024, 19 Uhr
  • Freitag, 20. Dezember 2024, 19:30 Uhr
  • Donnerstag, 26. Dezember 2024, 16 Uhr (mit Hör-Oper)
  • Samstag, 28. Dezember 2024, 19 Uhr
  • Freitag, 10. Januar 2025, 19:30 Uhr
  • Sonntag, 26. Januar 2025, 18 Uhr
  • Freitag, 14. Februar 2025, 19:30 Uhr

Kurzversion im Zauberwald

„Der kleine Sandmann bin ich“: Unbedingt noch zu erwähnen Elia Cohen Weissert vom Opernstudio NRW als Sand- und späteres Taumännchen. Letztere Figur ist gestrichen in der auf 75 Minuten gekürzten Fassung „für halbe Portionen“ ab sieben Jahren, die am 23. November 2024 unter dem Titel „Hänsel und Gretel im Zauberwald“ eine kaum minder rauschende Premiere im Großen Haus am Kennedyplatz feierte. Die sonore Stimme von Joachim G. Maaß führt als Erzähler durch die mit Urban Malmberg als Vater, Elpiniki Zervou als Mutter, Adam Temple-Smith als Hexe und dem unvergleichlichen Duo aus Lina Hoffmann (Hänsel) und Natalia Labourdette (Gretel) ebenso hochkarätig besetzte Geschichte, die allerdings ohne die vielköpfige Wald-Managerie, die große Taumann-Puppe sowie das hollywoodlike Finale mit der gewaltigen Schar geretteter Kinder auskommen muss.

Weitere Vorstellungen von „Hänsel und Gretel im Zauberwald“ im Großen Haus:

  • Dienstag, 26. November 2024, 10 Uhr
  • Mittwoch, 27. November 2024, 10 Uhr
  • Dienstag, 3. Dezember 2024, 10 Uhr
  • Mittwoch, 4. Dezember 2024, 10 Uhr
  • Sonntag, 8 Dezember 2024, 16 Uhr
  • Dienstag, 17. Dezember 2024, 10 Uhr
  • Mittwoch, 18. Dezember 2024, 10 Uhr
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Karten

Karten unter musiktheater-im-revier.de oder unter Tel. 0209 – 4097200.

Dienstag, 26. November 2024 | Autor: Pitt Herrmann