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Im Cinemascope-Bühnenbild Jo Schramms inszeniert David Hermann die Uraufführung „Dogville“ des gebürtigen Herners Gordon Kampe.

Lavinia Dames begeistert im Aalto Essen

Gordon Kampes „Dogville“

Lars von Triers Auftakt seiner filmischen USA-Trilogie, „Dogville“, ist eine radikale Abrechnung mit der bigotten, gewaltbereiten amerikanischen Provinz Anfang der 1930er Jahre in neun Teilen. 2003 in die Kinos gekommen, hat die Dramatisierung schon im Jahr darauf in Köln ihren Siegeszug durch die Schauspielhäuser der Republik angetreten. Nun feierte, adaptiert und vertont vom gebürtigen Herner Gordon Kampe, eine Opernversion Uraufführungs-Premiere im Essener Aalto-Theater.

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Auf der Flucht vor ihrem Vater und seiner Gang, die für zahlreiche Banküberfälle verantwortlich ist und von der Polizei gesucht wird, landet Grace (die junge Sopranistin Lavinia Dames begeistert als Gast von der Deutschen Oper am Rhein) in Dogville, einem abgelegenen Bergdorf in den Rocky Mountains. Wo die so elegante wie geheimnisvolle junge Frau keineswegs mit offenen Armen empfangen, sondern misstrauisch beäugt wird.

Die eifersüchtigen Frauen Vera (Marie-Helen Joël, l.) und Liz (Maartje Rammeloo, r.) rächen sich an Grace (Lavinia Dames).

Mit einer Ausnahme: Tom Edison (Tobias Greenhalgh) ist Hobbyschriftsteller und so etwas wie der Dorfschreiber. Er versteckt Grace, die er anderntags der Dorfgemeinschaft als Geschenk des Himmels offeriert: Innerhalb einer zweiwöchigen Bewährungsfrist soll sie den Bewohnern zur Hand gehen. Unter den kritischen Augen der auf die attraktive Fremde eifersüchtigen Liz hilft Grace deren Bruder Bill, unterstützt Jack bei der Gartenarbeit und den mit seiner kranken Frau Vera und den Kindern überforderten Chuck (Heiko Trinsinger).

Grace darf bleiben, bezieht eine kleine Wohnung in der gerade restaurierten alten Mühle. Weil alle mit ihrer Arbeit zufrieden sind, erhält sie sogar einen Lohn und kann sich im Dorfladen kleine Hummel-Porzellanfiguren für das Bord über ihrem Bett kaufen. Als ein Polizist einen „Missing“-Steckbrief an die Wand des Missionshauses heftet, befürworte Ma Ginger (Almuth Herbst vom Gelsenkirchener Musiktheater im Revier in der Lauren Bacall-Rolle) eine Kooperation mit der Behörde.

Als der Polizist mit einem „Wanted“-Plakat zurückkehrt, schlägt die Stimmung gegen Grace um. Zum Zeitpunkt der ihr zur Last gelegten Überfälle war sie zwar nachweislich in Dogville, doch nun wird der Geschäftssinn der braven Biedermänner beiderlei Geschlechts geweckt: Weil nun ihr Risiko steigt, wenn sie Grace weiter beherbergen, muss diese künftig noch mehr für sie arbeiten – zum gleichen Lohn. Gleichzeitig sinkt nicht nur bei Chuck die Hemmschwelle, um sich ihr sexuell zu nähern.

Nach einem vergeblichen Fluchtversuch wird Grace wie ein Hund angekettet und gleich reihenweise vergewaltigt. Ihre Rache ist alttestamentarisch: Als die Gangster ihres Vaters den Ort abriegeln, gibt Grace den Befehl, Dogville und seine Bewohner auszulöschen. Toms Tötung aber behält sie sich persönlich vor: „Es gibt Dinge, die muss man selbst machen“ sagt Nicole Kidman im Film. Auf den Aalto-Brettern geht’s zynischer zu: „Ich möchte die Welt ein bisschen besser machen.“

Gordon Kampes Adaption hält sich eng an Lars von Triers Handlung, legt aber vor allem auch kompositorisch einen deutlichen Fokus auf die Figur der Grace. Sie vermittelt in 18 Bildern einen lebensnahen Eindruck von der wechselhaften psychischen Verfassung der von Lavinia Dames sängerisch wie darstellerisch eindrucksvoll verkörperten Protagonistin. Was jedoch auf Kosten der anderen, kompositorisch weit weniger ausgeformten Partien geht unter der Stabführung des Essener Generalmusikdirektors Tomáš Netopil, der diese Uraufführung maßgeblich mitinitiiert hat.

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Verunglimpft, verleumdet, vergewaltigt: Auch Regisseur David Hermann hat seine gut einhundertminütige Inszenierung als Leidensweg der Grace angelegt, der am Ende in die Katastrophe führt. In Jo Schramms schräger, einem Zelluloid-Streifen nachempfundener Cinemascope-Bühne, die simultanes Spiel ermöglicht, spielt ein US-Oldtimer auf die der Zeit der Großen Depression an. Das 15-köpfige Ensemble ist ständig in Bewegung in Tabea Brauns Kostümen, die den zeitlichen Bogen von den 1930er Jahren in unsere Gegenwart spannen und der ernüchternden, prekären Lebensrealität dieses dörflichen Gemeinwesens nachspüren. Karten für die weiteren Vorstellungen sind unter theater-essen.de oder unter Tel 0201 - 81 22 200 erhältlich.

Die Termine im Einzelnen

  • Donnerstag, 23. März 2023, um 19:30 Uhr (Einführung 19 Uhr)
  • Sonntag, 26. März 2023, um 18 Uhr (Einführung 17:30 Uhr)
  • Samstag, 1. April 2023, um 19 Uhr (Einführung 18:30 Uhr, Nachgespräch in der Cafeteria)
  • Sonntag, 16. April 2023, um 16:30 Uhr (Einführung 16 Uhr, Aalto Plus mit Kinderbetreuung)
  • Sonntag, 30. April 2023, um 18 Uhr (Einführung 17:30 Uhr)
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  • Donnerstag, 23. März 2023, um 19 Uhr
  • Sonntag, 26. März 2023, um 17:30 Uhr
  • Samstag, 1. April 2023, um 18:30 Uhr
  • Sonntag, 16. April 2023, um 16:30 Uhr
  • Sonntag, 30. April 2023, um 17:30 Uhr
| Autor: Pitt Herrmann