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Cool Cats gegen Goliath.

Kolumne von Dr. Gerd Dunkhase

Goliath gegen Gartenzwerg

Bis vor kurzem war ich der Meinung, dass eine Auflösung der sektoralen Grenzen zwischen Krankenhaus und Praxis im Bereich der fachärztlichen Medizin die Lösung für viele Probleme des Gesundheitswesens wäre. Dazu muss man wissen, dass gleiche Leistungen im Krankenhaus den Krankenkassen mit bis zum 10fachen dessen in Rechnung gestellt werden, was in fachärztlichen Praxen von den Krankenkassen bzw. der kassenärztlichen Vereinigung bezahlt wird. Dazu bedarf es nur einer intelligenten Interpretation der Leistungspauschalen (DRG = Diagnosis related Group) und schon kostet die Darmspiegelung nicht mehr circa 180 Euro (Praxishonorar) sondern 1.800 Euro und mehr für die gleiche Leistung im Krankenhaus. Dabei ist die Qualität in der Praxis durchweg gleich, wenn nicht besser. In der Praxis herrscht nämlich Chefarztbehandlung, auch bei Kassenpatienten. Theoretisch könnte das Krankenhaus Leistungen dieser Art auch bei einer Praxis einkaufen. Dann wäre es noch wirtschaftlicher. Der Einkaufspreis einer derartigen Leistung läge nämlich deutlich unter den Kosten, die dem Krankenhaus bei Einsatz der eigenen Infrastruktur entstehen würden.

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Bei Röntgeninstituten wird das vielfach, auch in Herne, so praktiziert. Würde ein Krankenhaus eine eigene Röntgenabteilung aufbauen, hätte es die Investitionskosten zu tragen, könnte aber nur die eigenen Patienten untersuchen. Zum ambulanten Markt der Kassenpatienten bestünde in der Regel kein Zugang. Eine komplett ausgestattete Röntgenabteilung mit Computer- und Kernspintomografie und allem, was sonst noch so dazu gehört, erfordert Investitionen, die die 50 Millionen-Grenze deutlich übersteigen können, wobei die laufenden Kosten des Betriebs noch gar nicht berücksichtigt sind. Da ist es wesentlich günstiger, diese Leistungen bei einer Praxis einzukaufen. Wenn diese dann noch in Räumlichkeiten der Klinik angesiedelt ist, kann man Miete kassieren und es entsteht auch kein zusätzliches Krankentransportproblem.

Bei den hier bestehenden Größenordnungen ist also leicht zu ermessen, dass die Partner Krankenhaus und radiologische Praxis in der gleichen Liga der Kosten spielen. Praxen aller anderen Bereiche der Medizin, sei es HNO- oder Augenheilkunde, Gastroenterologie oder Kardiologie etc. sind dagegen geradezu Winzlinge. Die Investitionen pro Praxis übersteigen selten die Millionengrenze. Ebenso liegen die jährlichen Umsätze, aus denen alle Kosten zu bestreiten sind, deutlich niedriger. Man kann sich also leicht vorstellen, dass die Managements einer Elisabeth- oder gar Helios-Gruppe, die hunderte von Millionen bis Milliarden Euro verwalten, sich nicht ernsthaft mit den Interessen so kleiner Krauter wie der Praxis niedergelassener Ärzte oder Psychologen befassen.

Ärzte, die meinten, es wäre ein clevere Idee, mit ihrer Praxis ins Krankenhaus zu ziehen, können schnell unter die Räder dieses Panzers geraten. Dabei gehört es noch zu den kleineren Problemen, dass Mitarbeiter der technischen Dienste der Krankenhäuser offensichtlich regelhaft mit ihrem Generalschlüssel Zugang zu den Praxen und damit auch zu den dort befindlichen sensiblen Daten haben. Einem gastroenterologischen Kollegen in Norddeutschland wurde zugemutet, mit seiner gesamten Praxis innerhalb des Gebäudekomplexes des Krankenhauses über einen Zeitraum von knapp 2 Jahren viermal umzuziehen. Er hat schließlich entnervt aufgegeben und ist wieder in Räumlichkeiten außerhalb der Klinik umgezogen. Da gibt es zwar keine Möglichkeiten, Synergien zu entwickeln, aber es besteht auch nicht das Risiko, dass plötzliche Veränderungen in der Gebäudestruktur die Betriebsgenehmigung der Praxis gefährden und Unbefugte sich unkontrolliert Zugang verschaffen können.

Ein ähnlicher Vorgang ereignete sich auch unlängst in einem Herner Ärztehaus, das dem Krankenhaus angegliedert ist. Dort teilten sich eine gastroenterologische, eine kardiologische und eine psychologische Praxis auf der Etage eine Behindertentoilette. Bei neu gebauten Praxen ist seit mehr als 30 Jahren eine behindertengerechte Toilette für die Erteilung der Betriebsgenehmigung erforderlich. Hier wurde dieser Raum von einer Abteilung des Krankenhauses kurzerhand umgebaut, ohne zuvor die dort tätigen Ärzte und Psychologen in Kenntnis zu setzen, um dort eine Aufbereitungsanlage für Endoskope zu installieren. Entschieden wurde dies offensichtlich von subalternen Mitarbeitern, denen die rechtlichen Zwänge der Praxen gänzlich unbekannt und auch völlig gleichgültig sind. Es ist keineswegs sicher, dass eine Behindertentoilette irgendwo im Gebäude von den zuständigen Behörden akzeptiert wird – ganz zu schweigen von der Rücksichtslosigkeit gegenüber behinderten Patienten, die sich jetzt auf die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten machen müssen. Je nach Dringlichkeit des Bedürfnisses kann das ziemlich problematisch werden.

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Nach diesen und zahlreichen vergleichbaren Erfahrungen würde ich heute allen niederlassungswilligen Ärzten dringlich davon abraten, ihre Praxis im unmittelbaren Einflussbereich eines Krankenhauses anzusiedeln. Außer großen Röntgenpraxen sind normale Praxen für Krankenhäuser nicht mehr als ein „Fliegenschiss“ und so verhalten sie sich dann auch.

| Autor: Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey