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Die NGG kritisiert die Lohnunterschiede von Frauen und Männern (Symbolbild).

Frauen verdienen elf Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen

Gehalt ist geschlechtsspezifisch

Gleich ausgebildet, gleicher Job und gleiche Arbeitszeiten. Eigentlich müssten, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, doch Frauen und Männer die gleichen Entlohnungen bekommen. Eigentlich....doch in der Realität sieht es häufig anders aus. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) macht unter Berufung auf eine aktuelle Statistik der Bundesagentur für Arbeit darauf aufmerksam, dass vollzeitbeschäftigte Frauen immer noch weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen.

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In Herne würden Frauen rund 400 Euro weniger Lohn erhalten. In Zahlen sind das elf Prozent. Nach Angaben der NGG würde der durchschnittliche Verdienst von Beschäftigten mit voller Stundenzahl in Herne derzeit bei 3.441 Euro im Monat liegen. Während Männer durchschnittlich 3.583 Euro verdienen, kämen Frauen auf lediglich 3.189 Euro im Monat. In Gütersloh seien die Lohnunterschiede im Vergleich zu Herne noch größer. Hier liege der Unterschied bei 600 Euro.

halloherne sprach mit Ulrike Hammerich vom Büro für Gleichstellung und Vielfalt, wie die berufliche Situation für Frauen in Herne aussieht und darüber was verbessert werden muss und wo es bereits positive Entwicklungen gibt. Hammerich ist zuständig für die Fachstelle Frau und Beruf.

Mehr Frauen erwerbstätig

„Das Problem der Lohnunterschiede von Frau und Mann ist ein Weltweites. Wir in Herne haben bereits dahingehend Fortschritte gemacht, dass mehr Frauen erwerbstätig sind. Als ich 1994 in der Gleichstellungsstelle angefangen habe, kamen reihenweise Frauen zu uns, die nach 20 Jahren Familienpause wieder arbeiten wollten. Das ist heute nur noch in Ausnahmen der Fall", macht Ulrike Hammerich gleich zu Beginn des Gespräches deutlich.

Die Lohnunterschiede würden häufig daran liegen, dass Frauen eher in Berufen arbeiten würden, die weniger von Männern gewählt würden, wie dem Einzelhandel oder der Gastronomie. Ebenso würden Frauen in Minijobs oder Teilzeit arbeiten. „Viele junge Frauen entscheiden sich für Minijobs, weil sie so mehr Geld im Portemonnaie haben und ihre Familie unterstützen können. Sie überlegen nicht, dass sie dann später einmal weniger Rente haben. Das ist aber ganz verständlich, dass junge Frauen um die zwanzig noch nicht an ihre Rente denken, das habe ich damals auch nicht", berichtet die Mitarbeiterin des Büros für Gleichstellung und Vielfalt.

Ulrike Hammerich berät Frauen im Hinblick auf berufliche Orientierung.

Ebenso habe sich gezeigt, dass Frauen den größten Anteil an Menschen ausmachen, die einen Minijob ausüben. Jedoch habe besonders die Corona-Pandemie nochmals die Nachteile eines Minijobs aufgezeigt. Neben fehlenden Rentenansprüchen, haben Frauen hier kein Anrecht auf Kurzarbeit-oder Arbeitslosengeld. Das sei für viele Frauen sehr negativ gewesen. Ein anderes Problem sei die Teilzeitarbeit, hier gebe es auch vielfach keine Chance auf eine gute Altersvorsorge und die Care-Arbeit, die immer noch zum Großteil von Frauen geleistet werde.

'Von einer Care-Arbeit in die Nächste'

„Viele Frauen rutschen von einer Care-Arbeit in die Nächste. Erst betreuen sie die Kinder und dann ältere Angehörige", sagt Ulrike Hammerich. „So verpassen sie Karrierechancen. Je qualifizierter ein Beruf ist, umso eher landen Frauen auf dem Abstellgleis. Sie rutschen durch Ausfallzeiten, Teilzeit oder Minijob in eine Assistentinnenrolle."

Aus diesem Grund ist Hammerich dafür, dass sich auch Männer für die Elternzeit entscheiden sollten: „Häufig wird Männern die Übernahme der Elternzeit auch gar nicht zugetraut, das muss sich ändern. Es wäre schön, wenn Männer von Personalchefs und Arbeitgebern auch zur Übernahme der Elternzeit ermutigt würden."

Weiter führt sie aus: „Ebenso könnten Arbeitgeber versuchen, mit den Mitarbeitern auch in Elternzeit in Kontakt zu bleiben. Sie beispielsweise zu Firmenfesten oder Fortbildungen einladen. Darüber hinaus könnte auch angefragt werden, ob die betreffende Person auch bei Engpässen einspringen möchte."

Finanzielle Aspekte bei der Berufswahl beachten

Etwas worauf aber noch mehr geachtet werden muss, sei die Berufswahl als solche. „Frauen sollten bei ihrer Berufswahl auch auf das Finanzielle achten. Ich glaube, dass Männer diesbezüglich eher eiskalt sind und verstärkt auf den finanziellen Aspekt achten. Sie sprechen auch eher Wünsche nach mehr Gehalt offen aus. Frauen achten mehr auf das soziale Miteinander," so Hammerich. „Aber es ist wichtig, dass auch Frauen, dort wo sich eine Chance ergibt Gehaltserhöhungen ansprechen."

Frauen sollten den finanziellen Aspekt bei ihrer Berufswahl auch beachten.

Insgesamt stehe Deutschland beim Gender Pay Gap mit einem Lohnunterschied von 18 Prozent im Vergleich zu anderen europäischen Ländern schlechter da. „Der bereinigte Gender Pay Gap zeigt immer noch sechs Prozent an. Das finde ich für Deutschland aber auch ziemlich viel. Er sagt nämlich aus, dass gleichqualifizierte Frauen und Männer im selben Job bei gleicher Stundenanzahl immer noch unterschiedlich verdienen. Ein aktuelles Beispiel sind ja Fernsehmoderatorinnen, die immer noch deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen verdienen."

Das hat sich verbessert

Dennoch gibt es zumindest in Herne schon einige Fortschritte zu verzeichnen. So sei der Ausbau der Kinderbetreuungsplätze deutlich angestiegen. „1994 war es wie ein Sechser im Lotto, wenn Frauen einen Betreuungsplatz ergatterten. Heute hat sich da schon einiges getan. Ebenso haben wir eine gute Beratungsstruktur aufgebaut. Wir haben die Herner Frauenwoche, haben eine Infoveranstaltung zum Equal Pay Day und informieren über berufliche Planung und Altersvorsorge."

Darauf sollten Frauen achten

Zum Abschluss gibt Ulrike Hammerich Frauen noch ein paar Tipps an die Hand: „Es ist wichtig, die Steuerklassenwahl zu beachten. Denn besonders das Ehegattensplitting bringt den Frauen nichts. Wenn Frauen in die Steuerklasse fünf gehen, haben sie hohe Abgaben und schnell könnte sich ein demotivierendes Gefühl einstellen und die Frage aufkommen: Warum soll ich überhaupt arbeiten?" Hier sei es von Vorteil, wenn sich die Frauen für Steuerklasse vier entscheiden würden, gerade auch im Hinblick auf die spätere Altersvorsorge oder eine mögliche Trennung vom Partner.

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Weiterhin führt sie aus: „Es ist ebenso wichtig, eine qualifizierte Ausbildung abzuschließen, auf eine gleichberechtigte Aufteilung der Care-Arbeit zu achten und die Altersvorsorge im Blick zu haben.“

| Autor: Julia Blesgen