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Echte halbe Brüder: Thomas (Christoph Maria Herbst) und „Sunny“ Roland (Nico Randel).

Neu in der Filmwelt Herne

Ganzer halber Bruder

Thomas Bellmann (ein Narziss wie aus dem Bilderbuch: Christoph Maria Herbst) ist wegen Immobilienbetrug in 16 Fällen verknackt worden. Als er nach zwei Jahren aus dem Gefängnis entlassen wird, führt ihn sein erster Weg zu Jackie (Tanja Schleiff), schließlich hat er einiges nachzuholen. Die Kölner Immobilienmaklerin hat eine Ferienwohnung in Spanien gekauft und beabsichtigt, ihr Geschäft in den sonnigen Süden zu verlegen.

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Thomas wäre nicht abgeneigt, seiner früheren Flamme auf die Iberische Halbinsel zu folgen, aber dann eröffnet ihm die Notarin Voss (Anja Herden), dass er von seiner ihm unbekannten Mutter ein Haus geerbt hat, das einiges wert ist. Rasch ist er sich mit seinem Strizzi von Bewährungshelfer, Giesser (Michael Ostrowski), einig, das attraktive Objekt mit Gartengrundstück für zwei Millionen Euro zu verkaufen. Schwarz, versteht sich, sonst würde der Staat zu viel mitkassieren.

Unbekannter Halbbruder

In der Villa lebt freilich sein ihm bis dato ebenfalls unbekannter Halbbruder Roland Krantz (Nico Randel), der gar nicht daran denkt, sein testamentarisch verankertes lebenslanges Wohnrecht aufzugeben. Zwar weiß er, dass er mit seiner Krankheit Trisomie 21 kaum Chancen hat, sehr alt zu werden. Doch mit Hilfe seiner toughen Betreuerin Yesim Bayrak (Sesede Terziyan) bewältigt Roland seinen ganz normalen Alltag mit festem Job in einer Wäscherei und sportlichen Ambitionen beim Polizei-Sportverein, wo er für die Landesmeisterschaft im Gewichtheben trainiert.

Rolands Spitzname lautet „Sunny“, weil er auf Oldies wie den gleichnamigen Disco-Hit der Gruppe „Boney M.“ steht, ihn ständig und bei allen Gelegenheiten singt und auch für seine Mixtapes verwendet. Schließlich aber auch, weil Roland mit selbstverständlichem Optimismus durchs Leben geht. Weshalb alle Versuche von Thomas, der zunächst mit einer Matratze auf dem Dachboden vorlieb nehmen muss, ihn mittels Manipulationen aus der Villa zu drängen, zum Scheitern verurteilt sind.

Mit den Macken leben

„Sunny“ (Nico Randel) und seine Betreuerin Yesim (Sesede Terziyan) trauen Thomas (Christoph Maria Herbst) nicht.

Ganz allmählich kommen sich die so ungleichen Brüder näher, weil sie sich besser kennenlernen, mit den Macken des jeweils anderen immer besser zurechtkommen. Und weil Thomas seine Dollarzeichen in den zunehmend feuchten Augen verliert, als er mit Hilfe von Roland in die Familiengeschichte eintaucht. Gibt es etwas Wichtigeres im Leben als ein Zuhause, eine Familie?…

Gerade erst wurde Christoph Maria Herbst für „Der Spitzname“, „Der Buchspazierer“ und „Ein Fest fürs Leben“ mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet – jetzt meldet er sich zurück auf der Leinwand als ausgefuchster Abzocker, dem sein jüngerer, ihm bislang unbekannter Halbbruder mit Trisomie 21 entscheidende Lebenslektionen erteilt. Pointiert und mit viel Gespür für feinen Humor inszeniert Hanno Olderdissen diese herzerwärmende Bros-Comedy und zugleich turbulente „Coming-of-Mature“-Geschichte.

Inklusiver Film

Der (Drehbuch-) Autor Clemente Fernandez-Gil verbindet seit Studienzeiten an der Internationalen Filmschule (ifs) Köln eine langjährige Zusammenarbeit mit Regisseur Hanno Olderdissen. Nach „Rock My Heart“ ist „Ganzer halber Bruder“ ihr zweiter gemeinsamer Kinofilm. Der Autor hat selbst einen Sohn, den 13-jährigen Matti, mit Down-Syndrom und ist dem Thema entsprechend persönlich verbunden: „Der Film ist klassisch linear erzählt. Mir war wichtig, dass auch Menschen mit dem Down-Syndrom dem Film folgen können. Ein inklusiver Film, nicht über, sondern mit und für Menschen mit dem Down-Syndrom. Ein Unterhaltungsfilm im besten Sinne, der aber auch etwas aufzeigen will“, so der Autor im Wild Bunch-Presseheft.

Ohrwurm hallt lange nach

„Sunny“, ein souliges One-Hit-Wonder von Bobby Hebb, 1965 geschrieben als Ode an seinen in Nashville ermordeten Bruder, ist der Spitzname von Roland, weil er diesen Song in diversen Pop-Versionen zu seinem Lieblingslied erkoren hat. In sehr unterschiedlichen Interpretationen – entsprechend den verschiedenen emotionalen Zuständen des Protagonisten – zieht sich „Sunny“ durch den 102-minütigen Film – und mutiert zum Ohrwurm, der beim Kinobesucher lange nachhallt.

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Gedreht vom 12. August bis 23. September 2024 in Köln und Umgebung sowie in Hannover fand die Uraufführung am 2. Juli 2025 beim Filmfest München statt. Zum Kinostart am 18. September 2025 ist „Ganzer halber Bruder“ auch in der Filmwelt Herne zu sehen.

Mittwoch, 17. September 2025 | Autor: Pitt Herrmann