
Absurd, banal, hoffnungsvoll und anrührend
Fabian Stumms 'Sad Jokes'
Es sind nicht nur traurige Witze, die in einer Therapiegruppe erzählt werden, die sich später als Casting des jungen Regisseurs Joseph (Fabian Stumm) für einen neuen Film herausstellt. Schnitt. Sonya (Haley Louise Jones) begrüßt ihren kleinen Sohn Pino (Justus Meyer) herzlich, als der hungrig aus der Kita kommt, abgeholt von seinem Vater Joseph, ihrem bis dato besten Freund. Pinos Eltern leben nicht zusammen, tragen aber die Verantwortung für ihn gemeinsam.
Während Joseph die bereits vor drei Jahren vollzogene Trennung von seinem Lebensgefährten Marc (Jonas Dassler) noch nicht verarbeitet hat, leidet Sonya unter Depressionen. Sie beschimpft alle, die ihr helfen wollen von der Nachbarin Alice „Liz“ (Nicola Heim) über ihre Mutter Conny (Hildegard Schroedter) bis hin zu Joseph, der gerade auch von seinem Produzenten Gero (Godehard Giese) unter Druck gesetzt wird. Der noch steigt, als Sonya in eine Klinik eingeliefert wird und er sich intensiver um seinen Sohn kümmern muss. Immerhin kann er sich auf seine Schwiegermutter Conny verlassen.
Mann leidet unter Automatonophobie
In Josephs neuem Filmprojekt geht es um einen Mann, der unter Automatonophobie leidet und Angst vor großen Statuen hat. Die schwedische Kunstlehrerin Elin (Ulrica Flach) soll ihm dafür ein entsprechendes Requisit gestalten: das überdimensionale 3-D-Kopf-Modell des Filmemachers. Doch das Drehbuch trifft beim Produzenten auf wenig Begeisterung und auch privat läufts bei Joseph nicht: sein Date mit dem Nacktmodell Dominik (Knut Berger) platzt trotz mehrfacher Anläufe am kleinen Pino, der sich übers Babyphone bemerkbar macht.

Dafür bringt der Italiener Massimo (Marco Ippoliti) auf der Feier nach der Premiere des aktuellen Films von Joseph in der angesagten Berliner Paris-Bar alles aus dem Gleichgewicht einschließlich des lesbischen Schauspieler-Paars Alexandra (Marie-Lou Sellem) und Sophie (Anne Haug). Vom plötzlichen Wiedersehen zwischen Joseph und Marc einmal ganz abgesehen: „Wie nennt man einen traurigen Kaffee? – Depressivo.“ Immerhin wartet „Sad Jokes“ nach 96 Minuten mit einem einigermaßen versöhnlichen Schluss auf: Sonya spielt mit Pino im Grünen, vom verträumt durchs Kantinenfenster der Klinik blickenden Joseph beobachtet…
Nebenschauplätze geraten ins Blickfeld
In seinem zweiten Spielfilm vermischt Autor und Regisseur Fabian Stumm („Knochen und Namen“) unterschiedlichste Gefühlstonarten zu einer tragikomischen Reflexion der Wirklichkeit. „Sad Jokes“, vom 6. bis 22. September 2023 in Berlin gedreht, kommt auf den ersten Blick wie ein typisch deutsches Befindlichkeits-Kammerspiel daher. Auf den zweiten geraten die zahlreichen Nebenschauplätze ins Blickfeld und die großartigen Schauspieler selbst in kleinsten Nebenrollen. Zu nennen etwa Anneke Kim Sarnau als Steffi, die Joseph auf dem Klinikflur trifft: eine Frau, die vom Baum gefallen ist und sich beide Arme gebrochen hat. Oder Tina Pfurr als Cosima, die Joseph sehr nahe kommen muss, um dessen Handy aus seiner Hose zu fischen, nachdem er sich die Finger an der Autotür geklemmt hat.
„Sad Jokes“ ist absurd und banal, hoffnungsvoll und anrührend – und wie im wirklichen Leben alles auf einmal: Eine in Maßen tragische Komödie über queere Familienverhältnisse, über das Filmemachen und die Berliner Szene, nicht zuletzt inspiriert von der eigenen Biographie Fabian Stumms. Uraufgeführt am 30. Juni 2024 beim Filmfest München gabs den Fipresci-Preis der Filmkritik sowie den Regie-Förderpreis Neues Deutsches Kino 2024.
Fabian Stumm im Salzgeber-Presseheft: „Es ist ein Film über das Durchhalten. Über Wege, wie man sich um die Menschen kümmern kann, die man liebt, auch wenn man voneinander entfernt ist. Und über die Fähigkeit, zu verzeihen. Darüber, wie das Leben grausam, lustig, tröstlich und manchmal alles zur gleichen Zeit sein kann.“ Zum Kinostart am Donnerstag, 12. September 2024, ist „Sad Jokes“ im Metropolis Bochum, Sweetsixteen Dortmund, in der Galerie Cinema Essen sowie im Bambi Düsseldorf zu sehen.
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- Donnerstag, 12. September 2024