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„Und dann fallen Dir die Schamhaare aus“: Jonathan (Peter Jordan, Mi.) erklärt seinen Kumpels Theo (Jürgen Vogel, 2.v.li.) und Paul (Christoph Maria Herbst, re.), was mit dem männlichen Körper genau passiert, wenn er altert.

Prosecco-Komödie nicht nur für den Damenabend

Es ist nur eine Phase, Hase

Fünfzig ist das neue Dreißig? Kann das inzwischen wohlsituierte Kölner Alt-68er-Freundestrio Paul (Christoph Maria Herbst), Theo (Jürgen Vogel) und Jonathan (Peter Jordan) nicht von sich behaupten, im Gegenteil: „Und dann fallen Dir die Schamhaare aus.“ Ob eine Kugel am unteren Teil des Rückgrates hilft, wie ein Sextherapeut kürzlich im Fernsehen sagte, sei dahingestellt. Wenn diese nämlich versehentlich im Darm landet, kann nur noch ein Joint helfen...

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Mit reichlich Slapstick beginnt Florian Gallenbergers 105-minütige Verfilmung des Bestsellers „Es ist nur eine Phase, Hase“. Das „Trostbuch für Alterspubertierende“ von Maxim Leo und Jochen Gutsch erschien 2018 bei Ullstein und ist zum Kinostart am 14. Oktober 2021 neu aufgelegt worden. Es definiert den Gegenstand des äußerst launig geschriebenen Ratgebers als krisenhaften Zustand der Unsicherheit in der Mitte des Lebens, in dem die Forty- und Fifty-Somethings, hormonell schwer verwirrt, den Sinn ihres bisherigen Daseins kritisch überdenken und in Zweifel ziehen.

Neidisch beäugen Emilia (Christiane Paul, Mi.) und ihre Freundinnen Magda (Bettina Lamprecht, li.) und Heike (Barbara Philipp, re) den neuen Mann an Emilias Seite.

Das gilt für ihre Freunde überraschend auch für den Schriftsteller Paul, Autor sehr erfolgreicher Romane über die „Generation Golf“, und seine Gattin Emilia (Christiane Paul), die eine vielversprechende Karriere als Schauspielerin zugunsten ihrer Familie aufgegeben hat und nun nebenbei als Synchronsprecherin für Telenovelas jobbt. Beim Traumpaar mit ihren Vorzeige-Kindern Bo (der alles wissen möchte: Wanja Valentin Kube), Marie (die alles weiß: Bella Bading), und Fe (die schnippisch und dennoch romantisch ist: Emilia Nöth) hat sich Gewohnheit eingeschlichen. Mit Ende vierzig kommen die körperlichen Einschläge näher, was Paul ganz konkret erleidet unter den Händen der nicht zimperlichen Physiotherapeutin Dr. Lenz (herrliche Episodenrolle: Cordula Stratmann): die Haare werden dünner, die Sehkraft lässt nach – und die Libido auch.

„Mein Mann ist mal 800 Kilometer gefahren, nur um mit mir zu schlafen. Jetzt ist ihm schon die andere Seite des Betts zu weit weg“ klagt Emilia über Paul, der sich, ans Publikum gewandt, mit der alltäglichen Routine rechtfertigt: „Letztes Wochenende wollte sie Marmelade einkochen.“ Als Emilia zum wöchentlichen Spieleabend zu ihren Freundinnen Magda (Bettina Lamprecht) und Heike (Barbara Philipp) unterwegs ist, landet sie zur eigenen Überraschung bei einer Party. Das „Risiko“-Spiel mit dem jungen, knackigen und ein wenig kindlich-verspielten Ruben (Nicola Perot) entwickelt sich zu einem veritablen One-Night-Stand.

Den Emilia am anderen Tag ihrem Mann beichtet, der sich naturgemäß wenig amüsiert zeigt und den Gekränkten spielt. Womit er nicht rechnet: Die dreifache Mutter schlägt eine Auszeit vor, um mit Abstand neue Dinge zu versuchen. Zum Entsetzen der Kinder zieht Paul aus – in eine kleine Wohnung im schäbigen Hinterhof-Milieu. Was auch mit seiner beruflichen Flaute zu tun hat ohne Hoffnung auf Besserung für seinen Verleger Güldenberg (Ulrich Tukur). Während Emilia zunehmend aufblüht an Rubens Seite, verschlampt Paul – nicht nur was die versiffte Wohnung betrifft. Auch die fragwürdigen Ratschläge seiner Freunde Theo und Jonathan sind keine Hilfe.

Antidepressiva und Testosterontabletten haben plötzlich ausgedient, als Paul zum Gymnasialdirektor (auch auf Heinrich Schafmeisters Schreibtisch fehlt eine Kugel im Pendelspiel) gerufen wird: Seine jüngere Tochter Marie wird von ihrer neuen, jungen Klassenlehrerin Eva Schneiderhahn (Jytte-Merle Böhrnsen) als sehr lebendig geschildert. Diese offeriert ihm eine dreitägige Klassenfahrt in die bayerischen Alpen als elterliche Begleitperson, woraus sich bald eine Affäre entwickelt: Eva ist mit Pauls Bestsellern aufgewachsen und sein größter Fan.

Als Paul auf der Feier zum 50. Geburtstag der gemeinsamen Freundin Heike seine Gattin wiedersieht, bricht aus ihm der ganze Frust heraus und er schleudert allen Gästen im „Gammelfleisch“- Alter unangenehme Wahrheiten ins Gesicht. Nur Theo scheint über den Dingen zu schweben, dabei wird er noch einmal - und ganz ungewollt – Vater. Nun will Paul die Scheidung und wird von Eva beim Karaoke in seiner Stammkneipe moralisch wieder aufgebaut. Emilia dagegen ist nicht nur stolz, wieder begehrtes Liebesobjekt zu sein: „Man kann ja nicht an seinem Urlaubsort leben.“ Weil es auch Paul auf Dauer nicht reicht, nur als Mann einer sexsüchtigen Lehrerin gefordert zu werden, könnte es trotz Scheidungstermin noch etwas werden mit dem einstigen Traumpaar, zumal sich ausgerechnet die aufsässige, stets kurz angebundene Fe als Familienmensch auf der Suche nach Geborgenheit entpuppt...

„Es ist nur eine Phase, Hase“, uraufgeführt am 25. September 2021 auf dem Filmfestival Zürich, ist eine turbulente, mit Altherrenwitzen durchsetzte Familien- und Buddy-Komödie und trotz einer Klasse-Besetzung ästhetisch nur ein auf Kinoformat gepowertes Fernsehspiel. Das üblicherweise in einer materiell abgesicherten Wohlstandsgesellschaft angesiedelt ist samt absehbarem Happy End. Für mich die beste Szene ist eine marginale: „Ist schon ein Glück, ein ganzes Leben miteinander verbracht zu haben“ sagt ein alter Mann (das langjährige Bochumer Schauspielhaus-Ensemblemitglied Manfred Böll) am Restauranttisch zu seiner Frau, deren Hände er dabei zärtlich streichelt.

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Die gut einhundertminütige Komödie, der richtige Abläster-Spaß für den Damenabend am Mittwoch, 13. Oktober 2021, in der Filmwelt Herne, startet am Tag darauf regulär in unseren Kinos, auch in Herne und überall im Revier.

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  • Mittwoch, 13. Oktober 2021, um 20:15 Uhr
| Quelle: Pitt Herrmann