halloherne.de

lokal, aktuell, online.
Das LWL Archäologiemuseum.

Studioausstellung zum Kriegsgefangenenlager Stalag 326 im LWL-Archäologiemuseum

Eröffnung und Vortrag: 'Überleben!'

Von Donnerstag bis Sonntag, 4. April bis zum 26. Mai 2024, zeigt das LWL-Museum für Archäologie und Kultur in Herne die Studioausstellung „Überleben". Als Teil der aktuellen Sonderausstellung "Modern Times“ über archäologische Funde der Moderne steht damit ein weiteres westfälisches Bodendenkmal im Rampenlicht: das ehemalige Kriegsgefangenenlager Stalag 326 (VI K) Senne in Schloss Holte-Stukenbrock (Kreis Gütersloh). Neben der offiziellen Eröffnung erwartet die Besucher am Donnerstag um 19 Uhr ein Vortrag der LWL-Archäologen Dr. Sven Spiong und Dr. Michael Malliaris. Der Vortrag und der Eintritt in die Studioausstellung sind kostenfrei.

Anzeige: Glasfaser in Crange

LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger: „Die zirka 75 Funde und Fundkomplexe, darunter über 1.000 Erkennungsmarken der Häftlinge, zeugen eindrucksvoll vom Schicksal der Menschen, die hier während des Zweiten Weltkriegs inhaftiert waren - und von ihrem Kampf ums Überleben.“ Dessen Dokumentation sei dem LWL ein besonderes Anliegen. „Wir wollen die Erinnerung an die Geschichte von Kriegsgefangenschaft und Zwangsarbeit in der NS-Zeit wach halten und damit ein Zeichen setzen in Zeiten, da der Krieg nach Europa zurückgekehrt ist.“ Aus diesem Grund soll in den nächsten Jahren auf dem ehemaligen Lagergelände ein Dokumentationszentrum und eine Gedenkstätte entstehen. Die Studioausstellung im Museum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) präsentiert vorab erste Erkenntnisse der archäologischen Untersuchungen.

Masse an Funden war eine Herausforderung

LWL-Chefarchäologe Prof. Dr. Michael Rind: „Eine Herausforderung für die LWL-Archäologie für Westfalen bildet sicherlich die Masse an Funden, ihre Aufbewahrung und Konservierung, darunter allein ein Berg von über 1.000 Schuhen aus der sogenannten Nachnutzungszeit des Lagers. Sie stehen stellvertretend für ein Problem, mit dem sich die Archäologie der Moderne häufig konfrontiert sieht: Was soll restauriert und eingelagert werden?“ Jedes Zeugnis sei für die Nachwelt möglicherweise von Bedeutung. „Vor allem archäologische Funde liefern wertvolle Hinweise für die detaillierte Rekonstruktion von Abläufen. Denn nicht jeder Schritt ist schriftlich dokumentiert, Zeitzeugen erinnern sich nicht an alles. Zudem sind die archäologischen Quellen handfeste Beweise, die jeder Relativierung standhalten.“ Ihre verantwortungsvolle Auswahl durch Archäologen berge auch im Falle von Stalag ein großes Potential. Rind: „Eine abschließende Auswertung der Ausgrabungen steht noch aus.“

Erste wichtige Erkenntnisse, die auch in der Ausstellung „Überleben!“ präsentiert werden, sind beispielsweise Bodenverfärbungen, die Erdlöcher belegen, von den sowjetischen Kriegsgefangenen in der Anfangszeit des Lagers als Unterkunft gegraben. Rind: „Ihr Ausmaß zeigt der Nachwelt, dass diese in sehr unterschiedlichen Größen existierten, von sehr klein bis groß genug für mehrere Männer.“ So ermöglichen Bodenverfärbungen und Funde die Rekonstruktion des Lagerlebens und der unmenschlichen Behandlung der Gefangenen.

Museumsleiterin Dr. Doreen Mölders: „Da wir uns in der Sonderausstellung 'Modern Times' nicht nur nationalen, sondern auch internationalen Bodendenkmälern widmen, haben wir uns entschieden, mit einzelnen Studioausstellungen zusätzlich regionale Schwerpunkte zu setzen.“ So könne man den Besuchenden den archäologischen Standort Westfalen-Lippe in all seinen Facetten näher bringen.

Museumsleiterin Dr. Doreen Mölders.

Förderverein stellte Objekte zur Verfügung

„Nach der Studioausstellung zu den Kriegsendphaseverbrechen im Arnsberger Wald zeigen wir wieder eine Schau, die aufwühlt. Berührende Funde in der aktuellen Studioausstellung gibt es viele, besonders hervorzuheben ist sicherlich das Alugeschirr mit den teilweise sehr persönlichen Ritzzeichnungen der Gefangenen.“ Das können Namen und Daten sein oder Landschaften. Mölders: „Weil Essgeschirr so essentiell für das Überleben war, wird es nach dem Tod häufig weitergenutzt und von den Kriegsgefangenen mit neuen Zeichnungen überschrieben.“

Außerdem zeigt das LWL-Museum für Archäologie und Kultur Objekte, die der „Förderverein Gedenkstätte Stalag 326 (VI K) Senne e. V.“ zur Verfügung stellt. Dabei handelt es sich um selbst hergestellte kunsthandwerkliche Gegenstände wie einen Holzteller, ein Strohkästchen oder ein Gemälde. Mölders: „Sie stammen von Kriegsgefangenen, die aufgrund ihrer künstlerischen oder handwerklichen Fähigkeiten beauftragt wurden, entsprechende Gegenstände für die Nationalsozialisten herzustellen. Nur so konnten sie ihr Überleben sichern.“

Sechs Themenbereiche beleuchten den Aufbau des Lagers im Zweiten Weltkrieg, den Lebensalltag und das Überleben der sowjetischen Kriegsgefangenen. Ein siebter widmet sich der Nachnutzung von Stalag 326. Eine digitale Tour mit den Objekttexten und zusätzlichem Bildmaterial ist auf dem Multimediaguide des Museums verfügbar.

Hintergrund

Stalag 326 ("Stammlager") war während des Zweiten Weltkrieges mit über 300.000 durchgeschleusten sowjetischen Kriegsgefangenen das größte Lager dieser Art ("Russenlager") im Deutschen Reich. Es war zentrale Drehscheibe für die „Versorgung“ mit Zwangsarbeitern auf Bauernhöfen und Fabriken in Westfalen und im Rheinland. Auf dem nahegelegenen Ehrenfriedhof sowjetischer Kriegsopfer sind Tausende Tote begraben.

Anzeige: Spielwahnsinn 2024

Ab Anfang April 1945 internierte die US-Armee auf dem 400.000 Quadratmeter großen Gelände für kurze Zeit deutsche Kriegsgefangene. 1946/47 nutzten die Briten das Lager zur Internierung von ranghohen Nationalsozialisten und Kriegsverbrechern. Im Anschluss wurden in den Unterkünften Flüchtlinge und Vertriebene untergebracht. Seit 1970 befindet sich auf dem ehemaligen Lagergelände ein Polizeiausbildungsinstitut.

April
4
Donnerstag
Donnerstag, 4. April, um 19 Uhr bis Sonntag, 26. Mai 2024 LWL-Museum für Archäologie , Europaplatz 1 , 44623 Herne
| Quelle: LWL-Pressedienst