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Enkel für Anfänger: im Bild Karin (Maren Kroymann), Gerhard (Heiner Lauterbach) und Philippa (Barbara Sukowa) auf dem Spielplatz.

Neu im Kino – auch in Herne

Enkel für Anfänger

„Wenn ich das Tapsen kleiner Schritte hören möchte, lege ich mir einen Hund zu“: Harald (Günther Maria Halmer) ist begeisterter Modelleisenbahner und will seinen wohlverdienten Ruhestand in den eigenen vier Wänden genießen. Um das Rasenmähen kümmert sich ein Roboter und um den Rest seine Gattin Karin (Maren Kroymann), die sich das Leben nach der Arbeit freilich ganz anders vorgestellt hat: Statt Nordic Walking oder Senioren-Kurse an der Uni will sie mit Harald 'raus in die Welt, zuerst nach Neuseeland. Und wenn schon zwischendurch wieder daheim, dann doch bitte in eine gründlich aufgefrischte Villa. Mit frischer Farbe an den Wänden statt der ollen verstaubten Teller mit Dampflok-Motiven.

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Weil Harald sein Versprechen, sich um das Down-Under-Projekt zu kümmern, partout nicht einlösen will, kommt Karin auf die Idee, es ihrer Schwägerin Philippa (Barbara Sukowa) gleichzutun und eine Stelle als Paten-Oma anzunehmen. Die flippige Alt-Achtundsechzigerin, die einfach nicht erwachsen werden will, haust in einer zwar idyllischen, aber auch recht heruntergekommenen Bauwagen-Siedlung am Rande des Güterbahnhofs. Philippa kümmert sich mit recht anarchisch-lustvollen Mitteln um Leonie (alternierend Julia und Luise Gleich) und hat einen Heidenspaß daran, die politisch und ökologisch voll korrekten Erziehungsmethoden der noch sehr jungen Helikoptereltern Antje (Paula Kahlenberg) und Tobias (Tim Oliver Schultz) zu konterkarieren.

Enkel für Anfänger - im Bild: Jannik (Julius Weckauf) spielt im Garten.

Auf dem Weg zur städtischen Behörde, die solche Patenschaften vermittelt, treffen die beiden Schwägerinnen auf ihren Jugendfreund Gerhard (Heiner Lauterbach). Der Internist hat erst unlängst den Tod seines Lebenspartners betrauern müssen und trottet nun mit der Asche seines „aus Langeweile“ gestorbenen Hundes traurig nach Hause. Er wartet solange draußen, bis Karin die Formalitäten geregelt hat zur Patenschaft für den „allzu lebhaften“ Jannik (einmal mehr großartig: Julius Weckauf). Da ahnt sie noch nicht, dass dessen ältere Schwester Merle (Maya Lauterbach) nicht weniger zuwendungsbedürftig ist, weil Papa Kai (Dominic Raacke) lieber Zeit auf dem Tennisplatz verbringt mit seiner jungen Partnerin Britt (Lavinia Wilson) als daheim für seine Kinder.

Und Gerhard ahnt nicht, dass er sich in Zukunft um den vaterlosen Viktor (Bruno Grüner) kümmert, der gerade die Dose mit den sterblichen Überresten seines geliebten Vierbeiners umgekickt hat. Denn dessen alleinerziehende Mutter Jelena (Palina Rojinski) sucht händeringend nach männlichem Schutz – im Amt für ihren in der Schule ständig unter Mobbing leidenden Sohn und für sich selbst mit einem verheißungsvollen Tinder-Profil im Netz. Ehe sie sich versehen, bricht durch die Kinder im Leben des befreundeten Trios ein ungeahntes Chaos aus: Grillfest mit Hüpfburg bei Harald und Karin im Garten, Theater-AG in der Schule, Bildungstour durch die Musikaliensammlung Grumbt im Haus Kemnade und die Alte Synagoge in Essen, Schulfest mit Erdnuss-Allergie-Schock und anderen unerwarteten Begebenheiten, die den Adrenalinspiegel aller Beteiligten nach oben treiben.

Ja, „Enkel für Anfänger“ von Robert Löhr und Wolfgang Groos ist eine erwartbar turbulente Komödie mit wortwitzigen Dialogen und einem hier natürlich nicht gespoilerten Finale. Aber über gut einhundert Minuten ein immer wieder auch nachdenklicher Film, der sich niemals über seine Figuren lustig macht, sondern mit ihnen lacht und, etwa wie im Fall des schwulen Gerhard oder der Angst Philippas, der leiblichen Tochter und ihrem Enkelkind zu begegnen, trauert und bangt. Die im April und Mai 2019 in Köln, Essen, Bochum und Recklinghausen gedrehte Familienkomödie lebt von treffsicheren Pointen und einem tollen Ensemble besonders auch in den Kinderrollen.

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Dafür verantwortlich zeichnen der aus Kassel stammende Regisseur Wolfgang Groos, ein ausgewiesener Spezialist für Kinder- und Jugendfilme („Rennschwein Rudi Rüssel“, „Vampirschwestern“, „Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt“). Sowie der 2018 für „Das Institut – Oase des Scheiterns“ mit dem Deutschen Comedypreis und dem Bayerischen Fernsehpreis ausgezeichnete, ungemein vielseitige (Roman-) Autor Robert Löhr, der auch Stücke für das Berliner Theater „Unter Niewo“ schreibt, Puppenfilme („Ritter Reginald“) dreht, aber auch nicht ganz jugendfreie Musicals („Hammerfrauen“, „Wildes Berlin“, „Zombie Berlin“). „Enkel für Anfänger“ ist jetzt bundesweit angelaufen und auch in der Filmwelt Herne zu sehen.

| Autor: Pitt Herrmann