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Freude dort, wo es noch Corona-Impfstoff aufzuziehen gibt.

Kolumne von Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey

Ein Impfstoff ist kein Klopapier…

… meinte meine Frau, als sie unlängst in der Zeitung die Forderung von FDP-Chef Christian Lindner und „Linken“-Gesundheitspolitiker Achim Kessler (welch bizarre politische Allianz) las, der Staat sollte sich der Biontech-Lizenzen bemächtigen und eine breite Produktion anordnen. Auch der Kommentator der WAZ fand das und meinte: Eine staatlich kontrollierte Impfstoffproduktion, die per Verordnung Produktions-Kapazitäten und Lizenzrechte besorgt, könnte tatsächlich den dringend benötigten Zeitvorsprung in der Impfstoffproduktion gewinnen.

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Wenn man politisch am Katzentisch sitzt, wie die FDP von Christian Lindner und „Die Linke“, muss man schon mal eine Nebelkerze zünden, um sich ins Gespräch zu bringen. Aber was man bei Politikern als gängige Dampfplauderei wahr- aber nicht ernst nimmt, ist bei dem Kommentator schlicht laienhafte Ahnungslosigkeit.

Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey.

Der Impfstart ruckelt gehörig, daran gibt es nichts zu deuteln. Ich kann alle verstehen, die den „Kaffee auf haben“ und endlich wieder normal leben wollen. Dennoch, als ich Ende März 2020 spekulierte, dass gegen Ende des Jahres die ersten Impfstoffe die Marktreife erlangen könnten, hat mir mancher noch einen Vogel gezeigt. Selbst einen Termin Ende 2021 hielten viele Experten für ziemlich sportlich. Jetzt haben wir Januar 2021, die Impfstoffe von Biontech, Moderna, AstraZeneca, Sputnik V, Sinovac, Janssen und weitere sind fertig und müssen nur noch produziert werden. Die ganze Welt wartet darauf.

Tatsächlich hatte der Gesetzgeber im letzten Frühjahr 2020 die Möglichkeit geschaffen, sich der Impfstoffproduktion zu bemächtigen, um für den Fall von Produktionsengpässen gewappnet zu sein. Das jedoch ist in der aktuellen Konstellation überhaupt nicht entscheidend.

Ich unterstelle der Pharmaindustrie wahrlich kein karitatives Interesse, sondern in erster Linie das Ziel der Gewinnmaximierung. Die gegenwärtige Pandemie eröffnet einen geradezu gigantischen Absatzmarkt für Impfstoffe wie es ihn in der Geschichte noch nie gegeben hat. Die Manager der Pharmaindustrie sind nicht dafür bekannt, derartige Marktchancen zu verschlafen. Der Präsident des Verbands forschender Arzneimittelhersteller, Han Steutel äußerte denn auch in der F.A.Z.: „Ich sehe keinen Anlass, warum wir am Tag eins nach Impfbeginn mit symbolischen Diskussionen über Patente und Lizenzen anfangen sollten, statt auf Strukturen zu bauen, die schon in Kürze Impfungen in größerem Stil erlauben“. Da muss ich ihm ausnahmsweise mal zustimmen.

Wer sich nur ein wenig in der Szene der Pharmafirmen umgehört hat, dem konnte nicht entgehen, wie intensiv die Suche nach einer Ausweitung der Produktionskapazitäten in den vergangenen Monaten war. Nur, die Herstellung von mRNA-Vakzinen ist eine völlig neue Technologie. Nur wenige Betriebe sind darauf vorbereitet, diese Impfstoffe zu produzieren. Da braucht es mehr als eine Gulaschkanone, neue Betriebe entsprechend aufzurüsten geht nicht mal eben hopplahopp.. In Deutschland sind es bislang nur zwei Unternehmen, Biontech und CureVac, die das Know-how dieser neuen Technologie zu Verfügung stellen können. Bereits jetzt bestehen Produktionsstandorte etwa in Mainz, Idar-Oberstein, Marburg, Laupheim, Dessau, Brehna und Tübingen. Es geht auch nicht nur um den nackten Impfstoff, die reine mRNA. Man braucht Anlagen zur Herstellung der Lipidnanopartikel, in denen die mRNA-Moleküle eingeschlossen werden, um sie verimpfen zu können. Der Impfstoff ist empfindlich, darauf muss die Technologie der Abfüllanlagen ausgerichtet sein. Es braucht Millionen von Ampullen, den Impfstoff abzufüllen. Der Impfstoff muss nicht nur aufwendig gekühlt werden, er darf auch nicht geschüttelt werden. Es braucht also auch entsprechende Transportboxen. Ich mag mir nicht vorstellen, was es für katastrophale Auswirkungen auf die Impfbereitschaft hätte, würde eine fehlerhafte Impfstoffcharge von einem nicht ausreichend qualifizierten Hersteller zu unerwarteten Impfschäden führen.

Allein Biontech betreibt mittlerweile ein komplexes Netzwerk an Produktionskapazitäten in Europa. Während der Ausgangsstoff, die mRNA, im eigenen Werk in Mainz produziert wird, laufen Teile der Produktion auch bei einer Reihe von Partnerunternehmen in Deutschland, Österreich und Belgien. Dazu kommen noch die Kapazitäten des Pfizer-Netzwerks in den Vereinigten Staaten. CureVac, der andere Hersteller, dessen Impfstoff demnächst auf den Markt kommt, hat sich gerade mit Bayer zusammengetan, um große Mengen Impfstoff produzieren und natürlich vermarkten zu können.

Des weiteren sind auch namhafte Hersteller der Pharmabranche als Zulieferer spezieller Komponenten eingebunden. So ist z. B. das Darmstädter Unternehmen Merck, einer der größten Pharmahersteller weltweit, seit Beginn der Pandemie an etlichen Impfstoffprojekten beteiligt. Kooperationen, wo immer diese technisch möglich sind, stellen auch auch für die Firmen, die nicht unmittelbar den Wirkstoff produzieren, einen gigantischen Markt dar. Aber auch Merck betont: „Der Aufbau von Produktionsstätten zur Impfstoffherstellung ist sehr komplex und zeitintensiv.“

Die Industrie hat sich aufgrund vorhersehbarer Nachfrage und entsprechender Gewinnchancen intensivst auf die Impfkampagne vorbereitet. Der Druck auf alle Regierungen ist enorm. Jetzt aber den Eindruck zu vermitteln, die Politik hätte die besseren Pharmamanager, ist schon ziemlich dreist oder auch einfach nur blauäugig.

Eine Allianz der FDP und der „Linken“ ist mit Sicherheit kein Mittel, um die Produktionskapazitäten und die Impfbereitschaft auszuweiten. Am Ende werden auch nicht die Produktionskapazitäten, sondern die Impfzentren der limitierende Faktor sein. Erst wenn die mächtige „Armee“ der Hausärzte, Betriebsärzte und Krankenhäuser einen unproblematisch zu lagernden Impfstoff zur Verfügung hat, dürften innerhalb eines überschaubaren Zeitraums die Impfziele erreichbar sein. Sonst würde es noch Jahre dauern. Man muss in der gegenwärtigen Lage jedenfalls keinen Impfstoff-Hersteller dazu zwingen, anderen Unternehmen eine Lizenz zum Nachproduzieren zu gewähren. Jeder Betrieb, der dazu technisch in der Lage ist und die notwendige Qualität gewährleisten kann, dürfte willkommen sein.

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Wir werden eine enorme Ausweitung der Impfungen noch im ersten Quartal sehen, da bin ich sehr entspannt. Man wird sehen, dass die Impfung keine schwerwiegenden Nebenwirkungen nach sich zieht, auch da bin ich zuversichtlich. Vor allem aber können die derzeit entwickelten Impfstoffe innerhalb kürzester Zeit auch eventuellen Mutationen angepasst werden. Seien wir also weiter optimistisch.

| Autor: Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey