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Leinen los zu Pfingsten - und das Virus freut sich.

Kolumne von Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey

Druck auf der „Reiseblase“

Erinnern Sie sich? Am am 24. Juli 2010 fand in Duisburg die 19. Loveparade statt und endete in einer Katastrophe, bei der 21 Menschen ums Leben kamen und mindestens 652 weitere zum Teil schwer verletzt wurden. Nach Angaben des Selbsthilfevereins „LoPa-2010“ begingen darüber hinaus mindestens sechs Überlebende der Katastrophe aufgrund andauernder seelischer Belastungen Suizid.

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Der Germanwings-Flug 9525 war ein Linienflug von Barcelona nach Düsseldorf. Am 24. März 2015 zerschellte der Airbus A320-211 an den Westalpen im südfranzösischen Département Alpes-de-Haute-Provence. Alle 150 Insassen kamen dabei ums Leben.

Am Vormittag des 26. April 2002 ereignete sich am Gutenberg-Gymnasium der Amoklauf von Erfurt, bei dem ein 19-Jähriger elf Lehrer, eine Referendarin, eine Sekretärin, zwei Schüler und einen Polizeibeamten erschoss. Anschließend tötete er sich selbst.

Am Vormittag des 11. März 2009 ereignete sich an der Albertville-Realschule und deren Umgebung in Winnenden und in Wendlingen am Neckar ein Amoklauf, bei dem ein 17-Jähriger 15 Menschen und zuletzt sich selbst tötete, nachdem er nach mehrstündiger Flucht von der Polizei gestellt worden war. Elf weitere Menschen, einige von ihnen schwer verletzt, wurden in Krankenhäuser eingeliefert.

Das waren schreckliche Katastrophen. Wir alle waren erschüttert und fassungslos und natürlich erinnern wir uns daran.

In der letzten Woche sind infolge der Corona-Pandemie im Durchschnitt über 200 Menschen täglich gestorben, die meisten nach einem schrecklichen Martyrium auf der Intensivstation. Täglich starben infolge dieser Katastrophe so viele Menschen wie bei den vier vorgenannten Katastrophen zusammen. Und wir tun so, als wäre das eine gute Nachricht, weil – nur in Deutschland - nicht mehr 1000, sondern nur noch 200 Menschen täglich sterben. Seit Beginn der Pandemie sind – auch nur in Deutschland - 85.000 Menschen an den Folgen der Infektion verstorben. Weltweit hat Covid-19 weit über drei Millionen Menschen den Tod gebracht. Seit dem 2. Weltkrieg hat kein Ereignis mehr Tote, mehr Verletzte oder Langzeitgeschädigte gefordert.

Allein die infolge der Völkerwanderung der Reisesaison 2020 gestartete Infektionswelle (und die in der Folge hilflose Reaktion der politisch Verantwortlichen) hat zwischen November 2020 und Februar 2021 rund 50.000 Menschenleben gefordert.

Kaum einer der Disco-Tänzer vom Schwarzen Meer und Mallorca wird sich jemals die Frage stellen, wie viele Menschenleben sein Verhalten gekostet hat.

Immer noch hat die Mehrheit derjenigen, die als Veranstalter für diese Völkerwanderungen verantwortlich sind, nicht begriffen oder ignoriert es wohl auch vorsätzlich, was die Hauptursache der Verbreitung der Seuche ist, nämlich die Mobilität. Ohne Mobilität wäre die Seuche auf China beschränkt geblieben, ohne Mobilität hätten wir weder eine britische, noch eine brasilianische, südafrikanische oder indische Mutante sondern nur hausgemachte Varianten. Ohne Mobilität hätte sich auch innerhalb Deutschlands die Seuche nicht wie ein Leichentuch über das Land legen können.

Noch letzte Woche jammerte Kati Witt bei Maybritt Illner darüber, dass die Möglichkeiten der Kinder, sich in den von ihr betriebenen Einrichtungen sportlich zu betätigen, derzeit eingeschränkt seien. Caroline von Kretschmann, Geschäftsführerin des Hotels „Europäischer Hof“ in Heidelberg verlangte mantraartig, wie seit Monaten auch ihre Fachkollegen, die sofortige und vollständige Öffnung aller Hotels und Gaststätten. Dass die vor allem deshalb geschlossen sind, weil ihre Branchen für circa 25 Prozent der Mobilität verantwortlich sind, scheint der Begriffswelt der Damen nicht zugänglich zu sein. Ihre Quengelei und die weiter Teile der Wirtschaft und der FDP hat letztlich nur einen „Pipifax-Lockdown“ ermöglicht. Der zieht sich nunmehr eben wegen seiner Ineffizienz unendlich und unerträglich in die Länge. Da ist die Erkenntnis, dass die gastronomische Wirtschaft unter dem von ihr selbst mit zu verantwortenden Dauerlockdown zu leiden hat, allenfalls ein zynischer Trost. Die Damen Witt und Kretschmann würden wohl feige kneifen, wenn sie persönlich diejenigen zu benennen hätten, die für ihr Geschäft sterben müssten.

Sicher, es dürfte völlig unmöglich sein, Deutschland oder gar ganz Europa gänzlich still zu legen, schon gar nicht über einen längeren Zeitraum als 2 Monate. Zwar wird man die Möglichkeiten von Neuseeland mit 0,5 Toten/100.000 Bürgern oder Australien mit 3,6 Toten/100.000 Bürgern nicht so ohne weiteres auf Deutschland übertragen können. Aber Norwegen (14 Tote/100 .00) oder Finnland (16,6 Tote/100.000), mindestens aber Dänemark (43 Tote/100.000) hätten uns als Maßstab dienen können. In diesen Ländern sind nach initial entschlossenen Lockdowns und mit einer konsequenten Teststrategie inzwischen deutliche Freiheiten möglich, zum Teil sogar ein fast normales Leben und vor allem eine unbehinderte Wirtschaft. Stattdessen ist die föderale Eierei und die politische Halbherzigkeit in Deutschland für wohl 50.000 Tote verantwortlich. Wären die Bürger in ihrer großen Masse nicht doch besonnen und vernünftig gewesen, hätten wir mühelos die schlimmen Quoten von Schweden und unseren direkten Nachbarstaaten erreicht.

Ausgehend von der Sterblichkeit (0,37 Prozent) und der Zahl der Toten müssten in Deutschland mehr als 20 Millionen Menschen eine Infektion mit SARS-CoV2 durchgemacht haben, die meisten wohl weitgehend unbemerkt. Fast 8 Millionen Personen (9,4 Prozent der Gesamtbevölkerung) sind vollständig geimpft. Insgesamt haben 27.300.000 Personen (32,8 Prozent) mindestens eine Impfdosis erhalten. Damit dürfte sich schon eine ziemlich gute Immunitätslage aufgebaut haben, auch wenn wir von der Herdenimmunität noch mehr als 25 Millionen Impfungen oder Infektionen entfernt sind. Mit einer Inzidenz von nur noch ca. 120 (inklusive Dunkelziffer jedoch ca. 850/100.000/Woche) und einem ebenso ungefähren R-Wert von ca. 0,9 scheinen wir damit zwar auf einem relativ guten Weg, zumal die Impfgeschwindigkeit ordentlich an Fahrt gewinnt. Bei einem stabilen R-Wert unter 1 scheinen Öffnungen vertretbar, müssen aber genau beobachtet werden. Immerhin laufen über den Daumen gepeilt unter Berücksichtigung einer Dunkelziffer vom 7-8-fachen der durch PCR-Test identifizierten aktuell noch circa 300.000 infektiöse Personen im Land herum.

Noch gibt es in ganz Europa keinen fälschungssicheren Impfausweis. Die Schnelltests, die viele Freiheiten bringen sollen, sind mehr als unsicher. Daher hat Herr Spahn noch recht, wenn er die Bürger aufruft, alle nicht zwingend erforderlichen beruflichen und privaten Reisen, insbesondere touristische Reisen ins Ausland, insbesondere in solche Gebiete, die als Corona-Risikogebiete ausgewiesen sind, zu vermeiden. In spätestens 2 Monaten sind so viele geimpft, da sieht die Welt schon ganz anders aus.

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Wenn jetzt die Schleusen Richtung Urlaubsregionen geöffnet würden, wäre die Katastrophe wohl unausweichlich. Dagegen wären die eingangs erwähnten Unglücke und Verbrechen, so schrecklich sie waren, nur Randerscheinungen.

| Autor: Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey