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Dreijähriger durchlitt ein Martyrium

Mit der von einer Freundin der Mutter veranlassten Einlieferung in die Bochumer Kinderklinik ging Ende Juli für einen dreijährigen Jungen aus Horsthausen ein Martyrium zu Ende, für das sich seit Mittwoch (14.1.2015) der ehemalige Freund der Mutter vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts Bochum verantworten muss.

Der 34-Jährige, der seit einer Messerattacke auf seine ehemalige Frau unter Bewährung steht, war Anfang Juni in die von Mutter und Kind bewohnte Drei-Zimmer-Wohnung an der Blücherstraße gezogen und hatte nach eigener Aussage anfangs ein entspanntes Verhältnis zu dem kleinen Jungen. Er habe für ihn einen Tisch gebastelt, sei mit ihm regelmäßig auf Spielplätze gegangen und habe ihn auch zum Kindergarten gebracht, wenn die Mutter länger schlief, und dann auch wieder abgeholt, so der jetzt wegen Kindesmisshandlung in fast siebzig Fällen angeklagte Freund der Mutter, die er ebenfalls im Juli bedroht und geschlagen haben soll, vor dem Schöffengericht unter Vorsitz von Richterin Noesselt.

Nach dem Einzug bei seiner Freundin, die wie er von Hartz IV lebte, habe er die Wohnung aufgeräumt, gewaschen und gebügelt und auch renoviert. Die ihm seit Jahren verordneten Medikamente aus dem Psychopharmaka-Bereich u.a. wegen seiner durch Drogenkonsum bedingten Halluzinationen habe er anfangs auch noch genommen. Später aber nicht mehr, weil sich sein Drogenkonsum von zwei Gramm Amphetamin an normalen Tagen und bis zu zehn Gramm an Wochenenden erhöht habe. Und deshalb habe er auch so gut wie keine Erinnerung mehr an die ihm zur Last gelegten Misshandlungen des kleinen Jungen und seiner Mutter.

"Die Zeit zwischen Hell und Dunkel verging so schnell, und ich wusste manchmal nicht, welchen Tag wir hatten," wollte der Angeklagte seine fehlende Erinnerung an die für den kleinen Jungen schreckliche Zeit Ende Juli rechtfertigen.

Die dem aus der Haft vorgeführten Angeklagten zur Last gelegten "68 selbständigen Handlungen" listete Staatsanwältin Kutz in ihrer Anklageschrift Punkt für Punkt auf. Danach schlug der Angeklagte das Kind regelmäßig, schlug es auch zu Boden, knallte es mit Hinterkopf und Rücken vor die Wand, gab ihm Ohrfeigen, duschte ihn aus Verärgerung einmal zwanzig Minuten kalt ab und zwang seine Freundin einmal, den Jungen ebenfalls unter die kalte Dusche zu stellen. Dazu, und das löste schließlich die Initiative einer Freundin der Mutter aus, beide ins Krankenhaus zu fahren, wo sie bereits von der Polizei erwartet wurden, eine über dem Kopf des Kindes in der Badewanne ausgeleerte Shampoo-Flasche, deren Inhalt dem Kind vom Angeklagten in die Augen gerieben worden sein soll.

Die aufnehmende Notärztin in der Bochumer Kinderklinik bestätigte als Zeugin vor Gericht, dass das Kind "von oben bis unten mit blauen Flecken übersät war" und das Kind wegen der Misshandlung mit dem Shampoo nicht mal die Augen öffnen konnte. Der Bluterguss am Hinterkopf habe sogar bis unter den Hals gereicht, und die Verletzungsspuren im Übrigen erstreckten sich nach Auskunft der Ärztin auch über einen längeren Zeitraum.

Die als Zeugin geladene Mutter, vom Angeklagten ebenfalls körperlich misshandelt und angeblich mit dem Tod für den Fall bedroht, dass sie die Polizei einschalte, erschien am Mittwoch (14.1.2015) nicht und soll am nächsten Mittwoch (21. Januar) polizeilich vorgeführt werden. Sie hatte sich zunächst gegen eine Fahrt ins Krankenhaus gesträubt, weil sie nicht nur Angst vor ihrem Freund wegen der unvermeidlichen Entdeckung der Misshandlungen hatte, sondern auch befürchtete, dass man ihr das Kind wegnehmen könnte, dürfte aber vermutlich auch nächste Woche nicht erscheinen.

Ihre Freundin sagte auf entsprechende Fragen des Gerichts aus, dass sie noch vor wenigen Tagen mit der Mutter des kleinen Jungen Handy-Kontakt gehabt hätte und ihre Freundin wohl mittlerweile in Polen wäre. Den Verteidiger des Angeklagten verabschiedete die Kammervorsitzende mit dem guten Ratschlag an den Angeklagten, sich das mit den angeblichen Gedächtnislücken zu den einzelnen Anklagepunkten noch einmal zu überlegen. Im Vorprozess, bei dem es um die Messerattacke auf seine Ex-Frau ging, sei das genauso gelaufen, "und plötzlich hat sich der Angeklagte doch noch erinnert" und kam dann mit einer Bewährungsstrafe davon.

Rechtsanwältin Stromeyer als Vertreterin der Nebenklage bestätigte auf Nachfrage der Verteidigung, dass sie die aufnehmende Ärztin im Krankenhaus ausdrücklich von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden habe und "diese Aufhebung von der Schweigepflicht auch weiter aufrecht erhalte," weil der Prozess noch nicht zu Ende sei. Drei Gutachterinnen, darunter auch eine Gerichtsmedizinerin, sollen nächste Woche gehört werden. Der kleine Junge, der auch im August noch im Krankenhaus bleiben musste, wird mittlerweile von den Eltern des leiblichen Vaters betreut und versorgt. (AZ 26 Ls 203/14)

Mittwoch, 14. Januar 2015 | Autor: Helge Kondring