Drei Literaturtipps: Wie wahr - Dem Himmel sei Dank
Dienst an Büchern
Winterzeit ist Lesezeit. Wenn dann noch Corona pandemisch in Erscheinung tritt, ist dies noch ein Grund mehr, mal wieder ein gutes Buch in die Hand zu nehmen. Im Folgenden seien Arbeiten von zwei Trägern des Literaturpreises Ruhr vorgestellt, dem Bochumer Autor und Bibliothekar Hugo Ernst Käufer (2002) und der Gelsenkirchener Schriftstellerin Inge Meyer-Dietrich (1995), sowie die Verschriftung des Lebenswerkes des Sauerländers Wolfgang Thiele „Der Himmel ist unter uns“.
Hugo Ernst Käufer, gebürtiger Wittener vom Jahrgang 1927, ist mit der Literatur im Ruhrgebiet auf dreifache Weise eng verbunden: Zum einen ist er als Autor über sechs Jahrzehnte hinweg mit einer Vielzahl an Publikationen präsent. Von 1954 bis 1965 in Wanne-Eickel lebend und aus nächster Nähe 1963 den damals vorbildlichen und wegweisenden Neubau der Bibliothek dortselbst beobachtend hat Käufer zum anderen als Organisator einen prägenden Einfluss auf die Literaturlandschaft Ruhrgebiet gehabt.
Große Bedeutung für das Ruhrgebiet
Seine Gründung der Literarischen Werkstatt Gelsenkirchen 1967 war für die Entwicklung der Literatur im Ruhrgebiet von großer Bedeutung. Nicht wenigen damals noch unbekannten Autoren wurde hier ein Forum geboten, das einige auf ihrem Weg zur Professionalisierung nutzen konnten, der Herner Volker W. Degener zum Beispiel. Mit verschiedenen Co-Herausgebern hat Käufer mit den „Sie schreiben in … -Bänden“ Übersichten über die aktuelle Literaturlandschaft in unserer Region erarbeitet. Sein Engagement in der nach Liselotte und Walter Rauner benannten Stiftung galt der Förderung von schreibendem „Nachwuchs“.
Zum dritten hat der begnadete Aphorismen-Schreiber als Bibliothekar dazu beigetragen, Bibliotheken als Orte des lebenslangen Lernens und der sozialen Begegnung auszugestalten. Dabei hat er in dieser Tätigkeit stets auch die Möglichkeit gesehen, Produzenten und Rezipienten der Literatur miteinander ins Gespräch zu bringen. Sein Engagement als Autor, Organisator und Bibliothekar bildet daher eine Einheit. Insbesondere der Organisator, der Literatur-Manager Hugo Ernst Käufer hat einen bleibenden Platz in der Geschichte der Literatur im Ruhrgebiet.
Herausgeber gebürtig aus Röhlinghausen
Der Band „Für das Paradies gibt es keinen Berechtigungsschein“, Ende Dezember 2021 im Bielefelder Aisthesis-Verlag erschienen, ermöglicht zusammen mit den vorangegangenen vier Bänden der Werkausgabe nicht nur einen Überblick über das literarische Schaffen, sondern auch über seine wegweisende Arbeit als Bibliothekar. Diesen historischen Wert Käufers, der 2014 im Münsterland verstarb, festzuhalten und sorgsam dokumentiert zu haben, ist ein nicht zu unterschätzender Verdienst des Herausgebers Dr. Joachim Wittkowski, einem gebürtigen Röhlinghausener. Viel Fleiß und Engagement des Lehrbeauftragten der Ruhr-Uni Bochum, promovierten Germanisten und Gymnasiallehrers waren dazu erforderlich: Sozusagen Literaturfreunde unter sich.
Am 28. August 2006 starb Wolfgang Thiele im Alter von nur 57 Jahren. Thiele war derjenige, der den „Himmel unter uns“, unter unseren Füßen, 1994 in Südwestfalen entdeckt hat. Fast zwei Jahrzehnte seines Lebens hat er diesem Thema gewidmet. Sein Name wird immer mit dieser außergewöhnlichen Entdeckung verbunden sein: Mittels 237 ältester Kirchorte des alten südlichen Westfalens (Kölnisches Westfalen) wurde ein System von siebzehn Sternbildern und hellen Einzelsternen auf dem Erdboden nachgezeichnet, das sich als nördlicher Sternenhimmel erwies.
Alle Sternbilder nachgewiesen
Angefangen vom Löwen, über Jungfrau und Waage, über Bärenhüter, den Großen und Kleinen Wagen, bis hin zum Drachen sind alle wichtigen Sternbilder des Nordhimmels mittels der Standorte von frühen Kirchen (Nachfolgerinnen neolithischer Kultstätten) nachgewiesen. Die Sternbilder des gefundenen Bodensystems stehen untereinander nicht beliebig. Sie stehen auf dem Boden so, wie sie grundsätzlich zu allen Zeiten am Himmel zueinanderstehen.
Dieses Abbild des Himmels – viele Tausende von Quadratkilometern groß – wurde mittels offizieller topographischer Karten vermessen. Mit den ermittelten Daten ließen sich die wichtigsten Achsen und Himmelsmarken (z. B. alle Horizontmarken, Himmelsäquator, nördlicher und südlicher Himmelspol) errechnen, vorhersagen und auf dem Boden finden. So konnte dieser Bodenhimmel positioniert und datiert werden, und zwar auf das Kernjahr 2800 v. Chr. (neolithische Zeit).
Viel Enthusiasmus und Ausdauer
Es ist ein ganz besonders zu würdigendes Unterfangen des Bottroper Verlags Henselowsky Boschmann, dieses einzigartige Lebenswerk um eine herausragende Entdeckung in unseren Breitengraden als Buch veröffentlicht zu haben. Denn Thiele und sein Privatforschungsverbündeter Herbert Knorr waren zeitlich wie mental mit viel Enthusiasmus und Ausdauer engagiert.
So richtig zum Schmökern lädt das „Lesebuch Inge Meyer-Dietrich“ ein. In der Reihe „Nylands kleine westfälische Bibliothek“ im Bielefelder Aisthesis-Verlag erschienen, enthält dieses Büchlein auf 155 Seiten in Auszügen Werke dieser vielfach ausgezeichneten 77-Jährigen. Was wirklich beeindruckend ist: Die Exzerpte aus den Romanen „Leben und Träume der Mimi H.“ und „Eisengarn“. Meyer-Dietrich versteht es in einem ganz unprätentiöser Erzählstil, dennoch packend und mit viel Empathie die Sorgen und Nöte, Hoffnungen und Träume einer Generation zu schildern, die zwei Kriege mitmachen musste – ein Zeitpanorama, das nachdenklich macht.
Namen und Verlage
Wolfgang Thiele & Herbert Knorr: Der Himmel ist unter uns. Die faszinierende Entdeckung des ersten Weltwunders zwischen Rhein und Weser, Lippe, Ruhr und Main 600 Seiten · 2. Auflage gebunden · mit vielen Fotos, 24,80 Euro, ISBN 3-922750-48-6
Hugo Ernst Käufer: Für das Paradies gibt es keinen Berechtigungsschein. Gedichte, Aphorismen und Notate. Essays Interview 2007-2014 Hrsg. Joachim Wittkowski. Aisthesis Verlag Bielefeld 2021
Lesebuch Inge Meyer-Dietrich, Nylands kleine westfälische Bibliothek, Aisthesis Verlag Bielefeld 2020.