
Freud und Leid der SPD in ihrem Herzland
Die Münteferings im Blickpunkt

Ruhrgebiet/Herne. Pikant, pikant: „Das“ Herner Polit-Ehepaar, die Sozialdemokraten Michelle und Franz Müntefering, stehen für den Niedergang, aber auch die Hoffnungsschimmer ihrer Partei im Ruhrgebiet Die Herner Bundestagsabgeordnete wird als Hoffnungsträgerin gehandelt. Obwohl sie nun bei der Groko in Berlin außenpolitisch Karriere macht, kümmert sie sich weiterhin um ihren Wahlkreis und erreichte zuletzt das zweitbeste Erststimmen-Ergebnis bundesweit. Sie lag mit über zwölf Prozentpunkten vor ihren politischen Mitbewerbern. So skizziert der Bochumer Journalist Stefan Laurin in seinem Buch „Beten Sie für uns“, O-Ton Franz Müntefering, im Untertitel Der Untergang der SPD – im Ruhrgebiet und anderswo, eben jene Implosion, die das ehemals tiefrote Revier bunt gemacht hat. Auf 124 Seiten schildert er die Entwicklungen der SPD, weg von der klassischen Arbeitnehmerpartei hin zur Akademisierung und Anpassung an die Grünen.

Es ist ein munteres Crossover-Bashing, dass Laurin in diesem bei Henselowsky Boschmann erschienenen Band betreibt. Drei fundamentale Fehler sieht er bei der einstmals so mächtigen, mit „Elefanten-Mehrheiten“ ausgestatteten Revier- SPD: Das Festhalten am Bergbau, das Ignorieren neuer Technologien und der nicht erfolgte Ausbau einer modernen Infrastruktur: „Eine ergebnisoffene Wirtschaftspolitik, die sich darauf konzentrierte, Flächen zur Verfügung zu stellen (…) um die die Schaffung von Arbeitsplätzen zu ermöglichen, konnte die SPD allein wegen ihrer immer größeren Nähe zu den Grünen nicht umsetzen“ , konstatiert der Buchautor.
Diese „Vergrünlichung“ mit Technik-Skepsis und dem Operieren von Zukunftsängsten bedeute eine sträfliche Vernachlässigung der eigenen Klientel. Wenn Michelle Müntefering heute in ihrem Wahlkreis präsent ist, dann knüpft sie damit an alte erfolgreiche Traditionen an. Im Ortsverein Röhlinghausen um Bollmann-Spross Hendrik sind sie jedenfalls mit ihr zufrieden.

Nach der Bundestagswahl 2005 brach die Sozialdemokratie stark ein. Gemeinsam mit der Großen Koalition hatte sie das Rentenalter auf 67 Jahre hochgesetzt. Deutlich unter 30 Prozent sackten damit die Genossen unter SPD-Chef Franz Müntefering. „Er, nicht Schröder, war der Totengräber der SPD,“ befindet Laurin. Die Auswirkungen der als ungerecht empfundenen Hartz IV-Gesetze taten ein Übriges. „Beten Sie für uns (, das können wir gebrauchen)!“: So lautete der Schlussappell „Müntes“ auf einem Empfang seiner Genossen in Berlin im November jenes Jahres.
In seiner Chronologie der Geschichte der SPD an Rhein und Ruhr benutzt Stefan Laurin eine sehr bildhafte Sprache. Zahlreiche Metaphern aus dem Bereich der Schifffahrt belegen dies: Den Kräften der Natur vertrauen und auch (gegen-)steuern. Teilweise noch intakte Strukturen in der Herzkammer der Sozialdemokratie, aber eben auch ein optimistisches Zukunftsbild könnten den Niedergang der „Roten“ aufhalten, meint der Bochumer Chronist abschließend in seinem Abriss, der im Bottroper Verlag Henselowsky Boschmann erschienen ist, 9,90 Euro kostet und die ISBN 978-3-948566-01-2 trägt. Also werte Genossen, die Segel setzen für die neue Zeit!